Fraunhofer IWU forscht zu kognitiver Produktion
Grundsteinlegung am Fraunhofer IWU Dresden: Bund und Freistaat Sachsen fördern Spitzenforschung zugunsten der Digitalisierung produzierender Unternehmen.
Mit dem neuen Forschungszentrum zu Kognitiven Produktionssystemen intensiviert das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU nach eigenen Angaben seine Aktivitäten in einem entscheidenden Zukunftsfeld: der anpassungsfähigen, sich selbst steuernden und vom Menschen lernenden Produktion. Der Begriff Kognition ist dabei im Kontext der industriellen Produktion noch recht jung, führt das IWU aus. In der Psychologie bezieht er sich auf alle Prozesse, die in Zusammenhang mit der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen stehen. Von außen einwirkende Reize kann der Mensch dank seiner kognitiven Fähigkeiten aufnehmen, verarbeiten und in Wissen oder eine ganz konkrete Handlung überführen.
Heutige Systeme noch weit entfernt von menschlicher Intelligenz und Anpassungsfähigkeit
Heutige Produktionssysteme sind, so das IWU weiter, noch weit entfernt von menschlicher Intelligenz und Anpassungsfähigkeit. Um deutlich agiler und produktiver zu werden, sollte sich die industrielle Fertigung also den Menschen zum Vorbild nehmen. Das Forschungsziel lautet, technische Systeme in die Lage zu versetzen, digitale Informationen aus Sensordaten und Netzwerken aufzunehmen, Schlussfolgerungen abzuleiten und Handlungen selbständig auszuführen. Doch nicht nur um langfristige Perspektiven für das produzierende Gewerbe wird es in dem Neubau an der Ecke Nöthnitzer Straße/Bergstraße gehen. Im Zentrum stehen pragmatische, bezahlbare und unmittelbar anwendbare Digitalisierungslösungen für den Mittelstand.
„Eine Herausforderung ist die Gestaltung digitaler Ökosysteme, die optimal den spezifischen Anforderungen sowohl in kleinen als auch in großen Unternehmen genügen und vor allem eine konfliktfreie und sichere Vernetzung ermöglichen.“
Das Fraunhofer IWU sieht in Kognitiven Produktionssystemen (Cognitive Production Systems, CPS) eine Chance gerade für kleinere Unternehmen, bei der Digitalisierung zu den Besten aufzuschließen. Während in vielen Großkonzernen papierlose administrative Prozesse, Automatisierungslösungen und adaptive Fertigungsprozesse Standard sind, hat die Digitalisierung bei manch anderen Betrieben noch gar nicht Einzug gehalten. „Eine Herausforderung ist die Gestaltung digitaler Ökosysteme, die optimal den spezifischen Anforderungen sowohl in kleinen als auch in großen Unternehmen genügen und vor allem eine konfliktfreie und sichere Vernetzung ermöglichen. Damit wird es möglich, die gesamte Wertschöpfungskette und nicht nur einzelne Prozesse zu optimieren“, unterstreicht Prof. Welf-Guntram-Drossel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IWU. Das Fraunhofer IWU sieht sich dabei in der Rolle eines Brückenbauers, der es allen beteiligten Unternehmen einer Wertschöpfungskette vom regional verankerten KMU bis zum weltweit agierenden Konzern ermöglicht, Zukunftsthemen der Produktion mitzuprägen.
Kleine und mittlere Industriebetriebe brauchen zugeschnittene Lösungen
Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow betont: „Das Fraunhofer IWU verbindet mit dem neuen Forschungszentrum Spitzenforschung und Transfer für sächsische Unternehmen in aktuellen Zukunftsthemen. Kleine und mittlere Industriebetriebe brauchen genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen, die den Anschluss an wichtige Digitalisierungsinitiativen wie Catena-X erleichtern und somit ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Ich bin überzeugt: Das Fraunhofer IWU wird den sächsischen Unternehmen auch dank der gemeinsamen Investition von Land und Bund in das neue Forschungszentrum bedarfsgerechte Angebote machen können.“
Dr. Sophie Hippmann, Direktorin Transfer- und Innovationsmanagement bei der Fraunhofer-Gesellschaft: „Mit dem neuen Zentrum für Kognitive Produktionssysteme erweitern das Fraunhofer IWU und die Fraunhofer-Gesellschaft ihr regionales und überregionales Leistungsspektrum für eine Produktion der Zukunft. Damit spiegelt das Zentrum die Fraunhofer-DNA, neue Lösungen zu entwickeln, erfahrbar zu machen und industrietauglich anzubieten. Kognitive Produktion ist die richtige Antwort auf steigende Komplexität in der industriellen Wertschöpfung.“
„Kognitive Produktion ist Chance und Voraussetzung, Kernwertschöpfungsprozesse auch künftig wirtschaftlich zu betreiben.“
In seinen Gesprächen mit interessierten Unternehmen betont das Fraunhofer IWU den konkreten Nutzen kognitiver Produktionssysteme. Prof. Steffen Ihlenfeldt, Institutsleiter am Fraunhofer IWU: „In vielen digitalen Prozessen sind Aspekte der Kognition längst allgegenwärtig, auch wenn der Begriff noch nicht in allen Unternehmen etabliert ist. Kognitive Produktion ist Chance und Voraussetzung, Kernwertschöpfungsprozesse auch künftig wirtschaftlich zu betreiben. Wir arbeiten an innovativen Steuerungs- und Fertigungsarchitekturen, die eine wirtschaftliche Fertigung auch kleinster Stückzahlen ermöglichen. Und setzen dabei weiterhin auf den Menschen: Seine Flexibilität und Kreativität wollen wir für kognitiv-technische Systeme noch besser nutzen.“
Geschäftsfeld Kognitive Produktion bereits im Aufbau
Dank einer zusätzlichen Anschubfinanzierung durch den Freistaat Sachsen läuft der Aufbau des Geschäftsfelds Kognitive Produktion bereits in einem angemieteten Gebäude in der Pforzheimer Straße (Dresden Gittersee). Mit der für Sommer 2026 geplanten Fertigstellung des neuen Forschungszentrums entsteht Platz für mehrere Abteilungen, die sich auf Steuerungstechnik und digitale Zwillinge zur Produktionsüberwachung und Qualitätssicherung fokussieren. Dreh- und Angelpunkt in der Steuerungstechnik werden neue Steuerungsarchitekturen sein. Mit Hilfe von Sensorsystemen und intelligenten Steuerungsabläufen werden beispielsweise Roboter künftig befähigt, ein Objekt nicht nur von einem präzise festgelegten Ort aufzunehmen, sondern es vor der Aufnahme zu „suchen“. Solche Systeme werden starre Programmierungen ablösen, damit sich neue Automatisierungslösungen flexibel an neue Bearbeitungsaufgaben anpassen können und somit auch für kleine Stückzahlen geeignet sind.
Digitaler Zwilling sichert Qualität aller Einzelteile von Produkten
Dem digitalen Zwilling (Abbild) kommt mehr und mehr die Aufgabe zu, bei Produkten mit besonders hohen Anforderungen an ihre Zuverlässigkeit die Qualität aller Einzelteile zu sichern und nachzuweisen. Gerade in der Luft- und Raumfahrt oder in der Medizintechnik wird der digitale Zwilling künftig zu einem entscheidenden Werkzeug, um höchste Fertigungsqualität auch bei kleinsten Losgrößen oder Einzelstückzahlen abzusichern. Daten aus dem Fertigungsprozess und Maschinendaten aggregiert dieses digitale Werkzeug auf höherer Ebene. Erkenntnisse aus diesen Werten und Informationen lassen dann Aussagen zum Beispiel über die Fertigungsqualität zu. Diese Informationen müssen zunehmend über Unternehmensgrenzen hinweg austauschbar sein, etwa zwischen Herstellern (OEMs) und Zulieferern in der Automobilindustrie.
Neues Forschungsgebäude unweit des Dresdner Institutssitzes
Das künftige CPS-Gebäude entsteht in nur wenigen hundert Metern Entfernung zum Dresdner Institutssitz des Fraunhofer IWU und in unmittelbare Nachbarschaft zur Technischen Universität Dresden: beste Voraussetzungen für eine enge Verzahnung von Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung. Damit rückt das Geschäftsfeld Kognitive Produktionssysteme von der Pforzheimer Straße in die Innenstadt und näher an den Campus. In unmittelbarer Nähe zum geplanten Südpark, dem Gelände der Bundesgartenschau 2033, entstehen attraktive Arbeitsplätze auf 1750 Quadratmetern Bürofläche und ein Seminarraum mit knapp 200 Plätzen. Die Werkzeugmaschinenhalle wird auf rund 1000 Quadratmetern mit modernster Forschungstechnik ausgestattet.
Bund und Land fördern den Neubau mit insgesamt rund 38 Millionen Euro
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Freistaat Sachsen tragen zu gleichen Teilen zur Finanzierung des neue Forschungszentrum bei. Etwa 10 Mio. Euro sind für die Erstausstattung vorgesehen.