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Nachhaltigkeit bei der Produkt- und Technologieentwicklung – ein Paradigmenwechsel 16.01.2021, 18:50 Uhr

Von der Erfindung der Nachhaltigkeit zur nachhaltigen Erfindung und Innovation

Nachhaltigkeit bei der Produkt- und Technologieentwicklung ist ohne Nachhaltigkeitsinnovationen in den Unternehmen undenkbar. Um dies zu bewirken müssen Methoden und Werkzeuge entwickelt werden, die bereits am Anfang des Innovationsprozesses zum Tragen kommen können. Die Identifizierung von KSI (Key Sustainable Indicators), deutsch Nachhaltigkeitskenngrößen, und deren Bewertung ist Voraussetzung, um Messgrößen für die Nachhaltigkeit aufzustellen, damit direkte und indirekte Nachhaltigkeitsinnovationen zielgerichtet geführt werden können. Direkte Nachhaltigkeitsinnovationen sind anzustreben. Chancen dafür kann die Weiterentwicklung der Werkzeuge des TRIZ bieten, die auf naturwissenschaftlich und technisch basierten Problemlösungen ausgerichtet sind, um bereits am Anfang des Innovationsprozesses eine objektivierte, abstrakte Vernetzung zwischen konkreten Marktziel und Nachhaltigkeit aufzustellen. Das damit verbundene zielgerichtete IP-Management kann dann auch zu nachhaltigen Schutzrechten führen.

Bild 1 Integrierendes Nachhaltigkeits-Dreieck zur kontinuierlichen Darstellung  der Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Bild: nach [5]

Bild 1 Integrierendes Nachhaltigkeits-Dreieck zur kontinuierlichen Darstellung der Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Bild: nach [5]

Vom Silberbergbau zur Nachhaltigkeit

Die Entwicklung und Anwendung von Ideen und Technologien, mit denen existierende oder neuartige Güter und Dienstleistungen verbessert und effizienter produziert werden können, stehen im Zentrum der Innovation der gegenwärtigen weltweiten kapitalistischen Produktionsweise. Die rein wirtschaftlich orientierte technische Betrachtungsweise dominierte bereits im Bergbau des 16. Jahrhunderts, der die frühkapitalistische Epoche einleitete. Zahlreiche technische Erfindungen wurden industriell umgesetzt, beispielsweise die Dampfmaschine, die zum Betreiben von Grubenpumpen diente. Anwendungen der ersten funktionsfähigen Dampfmaschine erfolgten zur Wasserhaltung im Bergbau zum Ersatz älterer mechanischer Kraftquellen (17. bis 18. Jahrhundert).

Der Silberbergbau in Sachsen bedingte zur Aufrechterhaltung des Bergbaues und der Metall-erzeugung einen dramatischen Raubbau an Holz, da Holz der Bereitstellung von thermischer Energie und Konstruktionsteilen diente. Die Berge, Täler und Flure wurden kahl. Nicht nur, dass der Mangel am Rohstoff Holz die Existenz des Bergbaues gefährdete, sondern auch den gesamten Lebensraum veränderte (Anmerkung: u.a. waren sicher auch mikroklimatische Auswirkungen sowie Bodenerosion zu verzeichnen). Dies veranlasste den Freiberger Hans Carl von Carlowitz, sich kritisch mit den Folgen in Gebieten des Silberbergbaues in Sachsen auseinanderzusetzen. 1713 wurde sein Buch „SylviculturaOeconomica – Haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“ als wahrscheinlich erstes forstwissenschaftliches Werk publiziert [1]. Carlowitz arbeitet grundlegende Aspekte der Nachhaltigkeit heraus, sowohl den sorgfältigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichtes (Wald) als auch den Zusammenhang mit Auswirkungen auf künftige Generationen. Carlowitz forderte die Auflösung des Widerspruches zwischen ökonomischem Auskommen(Wohlstand) und Wahrung des ökologischen Gleichgewichts. Im symbolischen Sinne kann das Buch als Schrift der „Erfindung der Nachhaltigkeit„ bezeichnet werden. An dieser Stelle sei angemerkt, dass geschichtlich Formen der Nachhaltigkeitsidee immer in Krisenzeiten auftauchen.

Die deutsche Forstwissenschaft und indirekt damit auch die Idee der Nachhaltigkeit erlangten weltweite Geltung. Der Begriff „sustained yield forestry“ (deutsch nachhaltige Waldnutzung) wurde zu einem internationalen Fachterminus [2]. Das Thema Umweltschutz wurde zunehmend in den 60er Jahren diskutiert, wobei dieses Thema immer Aspekte der Nachhaltigkeit in sich birgt. Schließlich wurde 1972 erstmals in einem internationalen Gremium, dem Club of Rome, eine weltwirtschaftliche und soziale Gesamtbilanz erstellt. Das Ergebnis wurde unter dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ publiziert. Die Hauptaussage besteht im Wesentlichen darin: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung der Umweltverschmutzung, der Industrialisierung der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ [3].

Auch hier wurde der Aspekt der Nachhaltigkeit zumindest indirekt bei der Ausbeutung von Rohstoffen und der Umweltverschmutzung thematisiert. Schließlich wurde der Ansatz sustainable development (nachhaltige Entwicklung) als Leitprinzip, das alle Lebensbereiche umfasst, für die internationale Staatengemeinschaft 1992 durch das UNCED in Rio de Janeiro als Agenda 21 (Rio-Deklaration) verabschiedet [4].

Die Nachhaltigkeit umfasst drei zu berücksichtigende Bereiche der gesellschaftlichen Aktivitäten, die oft auch Säulen oder Dimensionen genannt werden, den ökologischen, den ökonomischen und den sozialen Bereich. Zwischen diesen Bereichen bestehen mehr oder weniger, teilweise unvereinbare Widersprüche. Es bedarf demnach einer Optimierung aller Einflüsse, um die qualitative neue Ebene Nachhaltigkeit zu erreichen. Bild 1 zeigt ein Nachhaltigkeits-Dreieck, das die Bereiche als Dimensionen eines dreidimensionalen Aktionsfeldes darstellt. Es wird deutlich, dass Nachhaltigkeitsaspekte eine wesentlich differenziertere Analyse erfordern, um eine zielgenaue Einbindung in ein konkretes Projekt eines Unternehmens und/oder der politischen Gremien vornehmen zu können. Die größte Herausforderung ist dabei die Definition von Indikatoren, die notwendige Datensammlung und die Wichtung der Indikatoren zur Nachhaltigkeitsbewertung.

Bild 1 Integrierendes Nachhaltigkeits-Dreieck zur kontinuierlichen Darstellung  der Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Bild: nach [5]

Wie nun sind die Nachhaltigkeitsziele in den Innovationsprozess einzubeziehen?

Nach Auffassung der Autoren wird sich eine gleichberechtigte Einbeziehung aller drei Dimensionen im praktischen betrieblichen Innovationsprozess als illusorisch erweisen. Dies ist mehr für politische und volkswirtschaftliche Betrachtungen dienlich.

In den folgenden Abschnitten, wird nun versucht zu erläutern, welche Erneuerungen im Innovationsprozess und bei Erfindungsstrategien geschaffen werden müssen, um den Paradigmenwechsel von der Erfindung der Nachhaltigkeit zu nachhaltigem Innovationsmanagement vollziehen zu können. Die ökologisch orientierten Ansätze zur Entwicklung und Produktion (die ganze Wertschöpfungskette umfassend) von Gebrauchswerten steht dabei im vorliegenden Artikel im Vordergrund. Es sei darauf hingewiesen, dass auch Aspekte des Recyclings der Produkte, die Kreislaufwirtschaft sowie die Bestandteile der Produktions-technologien berücksichtigt werden müssen.

Innovation – nachhaltiger aber wie?

Innovation ist aus ökonomischer Sicht, einschränkend auf die betriebswirtschaftliche Ebene, die Steigerung des Gewinnes. Dafür gibt es zahlreiche Leistungskennzahlen (Key-Performance-Indicators (KPI)) zur Beschreibung des Stands von Zielsetzungen. Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit, gibt es jedoch massive Defizite hinsichtlich der Festlegung von Leistungs-kenngrößen sowohl im sozialen als auch ökologischen Bereich und daraus folgend auch bei deren Zusammenführung und Wertung, um einen „Grad der Nachhaltigkeit“ zu bestimmen .

Dennoch sei zunächst ein Definitionsversuch für Nachhaltigkeitsinnovationen aufgeführt: „… dass nachhaltige Innovationen eine erstmalige wirtschaftliche Umsetzung einer nachhaltigen Idee mit dem Ziel der Wertschöpfung für das umsetzende Unternehmen sind. Hierbei lassen sich ökologische Innovationen (im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit), ökonomische Innovationen (im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit) und soziale Innovationen (im Hinblick auf die Beschäftigten) unterscheiden“[6].

Bild 2 zeigt die Vielfalt der im Innovationsprozess berücksichtigbaren Ziele der Nachhaltigkeit. Es ist nahezu unmöglich, alle Ziele qualitativ geschweige denn quantitativ in einen konkreten Innovationsprozess einzubeziehen. Die Ideenfindung muss möglichst einschränkend ein Ziel verfolgen, z. B. Klimaschutz. Im Laufe des Projektes können aber durchaus andere Ziele einbezogen werden z. B. günstige und saubere Energie. Oder aber Aspekte der Nachhaltigkeit werden während des Innovationsprozesses identifiziert und weiterverfolgt.

Bild 2 Nachhaltigkeitsziele und Innovation müssen von Managementebenen vernetzt werden. Bild: Autoren

Eine gemeinsame Betrachtung aller drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ist zwar wünschenswert, jedoch nicht zielführend, wenn konkrete Produktentwicklungen angestrebt werden, da beispiels-weise in der globalisierten Welt lokal unterschiedliche politische, soziale und ökonomische Bedingungen herrschen. Nationale und internationale politische Maßnahmen regulieren zahlreiche Produkte, Produktionsweisen und die Produktnutzung hinsichtlich ökologischer Aspekte. Beispiele hierfür sind die Festlegung maximaler Emissionswerte von Autos und die zulässigen Leuchtmittel. Die Regulierungen lösen häufig ein Verhalten der Firmen aus, das GREEN WASHING genannt wird. Im Extremfall wird die Verbesserung eines Produktes beworben, die auf einer mit krimineller Energie verbauten Software beruht [7]. Einschränkend wird deshalb nachfolgend die ökologische Dimension, die unmittelbar mit Produkten und deren Nutzung verbunden ist, näher analysiert, um die Besonderheiten der nachhaltigen Innovation und einer potentiellen nachhaltigen Erfindung aufzuhellen.

Die Nachhaltigkeit im Allgemeinen, als auch die nachhaltige Innovation sind derzeitig begrifflich damit eher eine Handlungsmotivierung als eine praktische Handlungsanweisung, da nachhaltige Leistungskennzahlen, die im Folgenden als KSI (Key Sustainable Indicator) , deutsch Nachhaltigkeitskenngrößen, nicht oder kaum definiert sind. Eine Möglichkeit KSI zu definieren, deren Anzahl sicher beschränkt sein muss, um ein praktikables Szenario zu schaffen, ist eine Vergabe von KSI beispielsweise für die eingesetzte Energie, die Rohstoffe und Abfallprodukte, sowie von weiteren produktionstechnischen Merkmalen, wie Transport, als auch für das Produkt selbst, z.B. Lebensdauer und Recyclingfähigkeit, unabdinglich. Eine Werteskale von minus bis plus Werten scheint angebracht zu sein, da 0 dann den gegenwärtigen Stand definiert. Im Falle der Energie könnte die reine Verwendung von Kohle auf einen KSI von –5 gesetzt werden, 0 würde dem aktuellen Energiemix entsprechen und +5 die Verwendung von erneuerbaren Energien (z. B. Wasserkraft).

Nachhaltigkeitsinnovation: Zufall oder Ziel

Welche Wege sind bei den nachhaltigen Innovationen denkbar, welche sind aktuell dominierend? Sechs Entstehungswege von Nachhaltigkeitsinnovationen werden beschrieben [8], wobei drei davon mehr oder weniger dem Green Washing zugeschrieben werden können.

Die nachfolgend drei beschriebenen Wege führen indirekt oder direkt zu nachhaltigen Innovationen. Der dominierende Weg der bereits über Jahrhunderte beschritten wurde, und noch immer beschritten wird ist indirekte Nachhaltigkeitsinnovation.

I) Indirekte Nachhaltigkeitsinnovationen

Es sind dabei zwei Wege zu unterscheiden:

Ia) Die Nachhaltigkeit ist nicht das Ziel des eingeleiteten Innovationsprozesses, sondern startet also ein technisches oder technologisches betriebswirtschaftliches Ziel, dennoch entsteht eine nachhaltige Innovation, die sich zwangsläufig ergibt.

Ib) Potentiale für die Nachhaltigkeit werden erkannt, die innerhalb eines Innovationsprojektes sich ergeben, und werden gehoben, wodurch eine nachhaltige Innovation am Ende des Projektes ermöglicht wird.

Als Beispiel einer indirekten Nachhaltigkeitsinnovation des Weges Ia dient die CO2-Emissionsminderung. Ein klassisches Beispiel ist die Dampfnutzung durch Verbrennung fossiler Energiequellen, die übrigens auch patentrechtlich abgesichert wurde. James Watt entwickelte und patentierte eine Dampfmaschine 1769, die einen um Faktoren höheren Wirkungsgrad als die bisherigen aufwies, wodurch entsprechend weniger Kohle verbrannt werden musste. Für den Weg Ib dient das Beispiel der Entwicklung des Pumpe-Düse Einspritzsystems bei VW, an dem der Autor im Bereich der Beschichtung beteiligt war. Das Konstruktionsprinzip erforderte die Einführung von DLC-Beschichtungen. Dadurch wurden unbewusst Reibungsverluste abgesenkt. In den folgenden Jahren wurden in zahlreichen weiteren motorischen Anwendungen derartige Beschichtungen bewusst eingesetzt, die zur Verminderung der Emissionen beitragen.

Der direkte Weg, um zu nachhaltigen Innovationen zu gelangen, ist zwar wie nachfolgend kurz beschrieben definierbar, jedoch auch gegenwärtig nur beschränkt realisierbar, da schon allein die Messbarkeit der Nachhaltigkeit in Form von KSIs sich als schwierig erweist.

II) Direkte Nachhaltigkeitsinnovationen

Entsprechend des Levels der Umsetzung der Nachhaltigkeit können zwei Level unterschieden werden:

IIa) Aspekte der Nachhaltigkeit werden als strategisches Ziel im Unternehmen definiert. Im Innovationsprozess wird eine normative und administrative Linie für die Nachhaltigkeit implementiert.

Gegebenenfalls führt aber der Prozess nicht zu einer Nachhaltigkeitsinnovation, jedoch zu einer Verbesserung betriebswirtschaftlicher Ziele.

IIb) Ausschließliches Ziel ist eine Nachhaltigkeitsinnovation, basierend darauf, dass beim Innovationsprozess Aspekte der Nachhaltigkeit zu Entscheidungskriterien für Prozessschritte werden.

Beide Level sind derzeit nur ansatzweise Bestandteil der innerbetrieblichen Praxis, wobei für IIa einige Ansätze gemacht sind. Als Beispiel für das Level IIb nehmen wir ein hypothetisches Beispiel an: die kürzliche Erfindung der Stromerzeugung mit Wassertropfen, die auch patentiert wurde [9]. Wenn sich eine Firma entschließt, auf dieser Grundlage eine Produktentwicklung und die Produktion voranzutreiben, um ein derartiges nachhaltiges System nachhaltig zu produzieren, dann haben wir den Level IIb).

Vom Green Washing zum nachhaltigen Innovationsmanagement

Gerade bei Ansätzen zu Nachhaltigkeitsinnovationen im ökologischen Bereich ist gegenwärtig noch die Umsetzung von regulativen Vorgaben bzw. Gesetzen auf nationaler oder internationaler Ebene dominierend. Es wird auf politischen Druck reagiert, teilweise mit Methoden des Green Washing.

Um zunehmend die direkte Nachhaltigkeitsinnovation voranzutreiben, ist es unabdingbar, einen Strang des Innovationsmanagements, der der Nachhaltigkeit zugeordnet ist, als fachliche Kompetenz, die das ganze Projekt begleitet, zu etablieren. Ziel ist die Ideenfindung, die Planung, die Durchführung und die Kontrolle auf der Grundlage von Kriterien der Nachhaltigkeit zu ermöglichen[10].

Dies muss auf allen Ebenen initiiert werden, sowohl auf der normativen, der strategischen als auch operativen Ebene [11].

Es ist nicht damit getan, in der normativen Ebene den Begriff der Nachhaltigkeit einzufügen, da Kenngrößen und Erfolgsfaktoren, die KSIs, definiert und kontrolliert werden müssen. Es ist unabdingbar, die Ebenen zu vernetzten, damit die Tendenzen des Green Washing überwindbar werden und direkte Nachhaltigkeitsinnovationen auf den Weg gebracht werden können.

Innerhalb eines Innovationsprozesses werden zahlreiche Ideen generiert bzw. eingebunden, die auch Erfindungen und Lizenzen umfassen. Aus Ideen können Erfindungen werden. Eine Frage kristallisiert sich als Basisfrage heraus. Kann das „Erfindungsmanagement“ besser „Patentmanagement“ zu Nachhaltigkeitsinnovationen beitragen?

Bevor der Aspekt von nachhaltigen Erfindungen und möglichen Methoden und Werkzeugen, diese zu generieren, diskutiert werden, sollte noch mal die betriebswirtschaftliche Realität angesprochen werden, die gegenwärtig sich auf die einfache Frage herunterbrechen lässt: Was ist der potentielle Kundennutzen am Ende eines Innovationsprozesses, wer sind die potentiellen Konsumenten (Kunden), die bereit sind, für das Produkt oder die Dienstleitung einen hinreichenden Preis zu zahlen? Nur der Markterfolg bestimmt gegenwärtig, ob eine Erfindung zu einer betrieblichen Innovation führt, oder die Erfindung mehr oder weniger ein Schriftstück bleibt. Im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit, insbesondere ökologischer Nachhaltigkeit müssen weitere Faktoren betrachtet werden, die den Unterschied zwischen rein wirtschaftlichen und den nachhaltig wirkenden Kennzahlen, den KSIs als Folge einer indirekten oder direkten Nachhaltigkeitsinnovation ausmachen.

Nachhaltige Erfindung: ein Traum oder machbar?

Der Widerspruch

Ein Patent hat naturgemäß ein rein unternehmerisches Ziel. Es tritt somit ein Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und unternehmerischen Ziel zu Tage. Der jedoch nicht zwingend ist, da

1. Nachhaltige Erfindungen basierend auf indirekten Nachhaltigkeitsinnovationen, wie beispielsweise die Solarzellen, in der Technologiegeschichte zahlreich sind, wobei sicher nicht alle nachhaltigen Ideen in Patente gegossen wurden und werden [12].

2. Wenn ein Innovationsmanagement konsequent die direkte Nachhaltigkeitsinnovation verfolgt und es zu einer nachhaltigen Erfindung während des Innovationsprozesses kommt, die als Patent angemeldet wird.

3. Ein nachhaltiges Patent, dass von Dritten stammend, als Startpunkt für den Innovationsprozess dient, nehmen wir als hypothetisches Beispiel: Stromerzeugung aus Wassertropfen.

Es sei dennoch angemerkt, dass derzeitig der ökonomische Imperativ die nachhaltigen Entwicklungsziele bestimmen muss, um überhaupt ein nachhaltiges Produkt oder Dienstleitung als Unternehmen marktgerecht darstellen zu können. Dadurch entstehen häufig Bremsfaktoren, alle nachhaltigen Ideen und Erfindungen konsequent umzusetzen.

Der Werkzeugkasten

Innovation ist immer ein Prozess, um diesen Prozess zu führen, stehen verschiedene Methoden wie Scrum, Lean Startup, Design Thinking, Stage-Gate-Modelle und andere zur Verfügung [13]. Bei allen angewendeten Methoden können Ideen generiert werden, aber sie sind keine Werkzeuge für die Generierung von technischen Problemlösungen, die auch patentfähige Lösungen umfassen.

Auch aus diesem Grunde ist das Patentmanagement, das oft ein Bestandteil des Innovations-prozesses ist, bis auf die unabdingbare Patentrecherche oft undefiniert.

Ein interessantes Werkzeug, das sowohl die Ideenfindung für nachhaltige Innovationsprozesse unterstützen könnte, als auch nahe an der praktischen Realisierung von nachhaltigen Patenten ist, liefert die TRIZ-Methode (TRIZ: russisch Teoria Reschenija Isobretatjelskich Sadatsch, deutsch: Theorie zur Lösung erfinderischer Probleme) [14, 15, 16]. Die TRIZ-Methode selbst ist durch eine physikalische, chemische, technische und technologische Denkweise auf hoher Abstraktionsebene und kreativem Widerspruchsdenken charakterisiert. Dennoch ist auch diese Methode noch nicht hinreichend mit Aspekten der Nachhaltigkeit vernetzt.

Bild 3 zeigt, dass TRIZ in die Entwicklung aktiv eingesetzt werden kann, wobei sowohl eingangsseitig die Wissensbasis einbezogen werden muss, als auch konkrete Vorstellungen, Kenngrößen für das ökologische Ziel.

Bild 3 Einsatz von TRIZ-Methoden und -werkzeugen für ökologische Problemlösungen. Bild: Autoren

Es besteht ein enormes Potenzial eine hinreichende und notwendige Vernetzung zu erzielen. Zahlreiche Publikationen beschreiben Ansätze, die meist als Eco-TRIZ oder Eco-Design bezeichnet werden [17].

Die Nachhaltigkeit und die Ökologie kann in einem funktionalen Zusammenhang im Evolutions-trend „Trend der zunehmenden Idealität“ Berücksichtigung finden. Die Idealität wird häufig als die Summe der nützlichen Funktionen geteilt durch die Summe der schädlichen Funktionen (Probleme) plus der Summe der Kosten beschrieben [18]. Bisher wurden bei der Idealität nur eingeschränkt die Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Die Nachhaltigkeitskriterien und –aspekte können als separate Funktionen beschrieben werden. Die Idealität ist dabei um die Nachhaltigkeits- und Ökologiefunktionen zu erweitern. Eine Erfassung der sich negativ auf die Nachhaltigkeit auswirkenden Funktionen (NSF Negative Sustainability Functions) ist dabei in besonderem Maße in die Betrachtung einzubeziehen, um diese zu minimieren. Dies ist in Bild 4 gezeigt. Dadurch wird das Ziel hervorgehoben im Gegensatz zum bisherigen Herangehen nun zu einer neuen Qualität der Idealität zu kommen, die das „Sustainable Ideal Result“ (nachhaltiges ideales Resultat) im Fokus hat.

Es sei darauf verwiesen, dass im Evolutionstrend „Trend der zunehmenden Vollständigkeit der Systemkomponenten“ kann der funktionale Zusammenhang der Nachhaltigkeit ebenfalls beschrieben werden. Letztlich kann durch eine die konsequente Weiterentwicklung von technisch naturwissenschaftlichen Kreativitätsmethoden eine weitgehende Auflösung des Widerspruches von ökonomischen Unternehmenszielen und ökologischen Notwendigkeiten ingenieurtechnisch und betriebswirtschaftlich möglich werden.

Bild 4 Idealität: eine Grundlage zur Betrachtung nachhaltiger Aspekte. Bild: Autoren

Ein Prozent Inspiration – neunundneunzig Prozent Transpiration (Edison)

Nachhaltigkeitsinnovationen im ökologischen Bereich und daraus resultierende nachhaltige technische und prozesstechnische Erfindungen erfordern die Entwicklung geeigneter Werkzeuge. Der gegenwärtige Stand ist dabei äußerst unbefriedigend. Bereits bei der normativen Frage, welche KSI innerhalb eines Innovationsprozesses definiert werden sollten und „müssen“, bestehen Lücken. Auch die Frage der Ausgestaltung der operativen Ebene im Innovationsmanagement ist weitgehend diffus. Allein die Frage, wie kann eine Wichtung nachhaltiger Aspekte in welcher Innovationsphase sinnvoll vorgenommen werden. Idealerweise steht am Anfang der Innovation schon die Idee einer Problemlösung, „Erfindung“, die nachhaltige Aspekte zumindest berücksichtigt, wenn nicht gar als Hauptmerkmal enthält, im Zentrum. Die Erarbeitung geeigneter Algorithmen für unterschiedliche Unternehmen (vom Start-up bis hin zum Großunternehmen), dies umsetzen zu können, ist dringend angezeigt, sowohl im Innovationsprozess als auch bei der Identifizierung von nachhaltigen Erfindungen. Eine Methode für die Suche nach nachhaltigen Erfindungen könnte Eco-TRIZ sein.

Das erfordert neunundneunzig Prozent Transpiration, wie Edison für die Erfindung im Allgemeinen formulierte, und ein Prozent Inspiration. Auf alle Fälle lohnt sich die Transpiration für alle Forscher und Entwickler in den Unternehmen und deren Partner an Forschungseinrichtungen, denn die ökologisch nachhaltigen Produkte oder Dienstleistungen müssen aus den Unternehmen selbst kommen, die Politik kann hier nur Randbedingungen schaffen.

Kernaussagen

1. Nachhaltigkeit bei der Produkt und Technologieentwicklung funktioniert nur durch Nachhaltigkeitsinnovationen.

2. Es müssen Methoden und Werkzeuge entwickelt werden, die bereits in der Phase der Identifikation unterstützend in der Hinführung zu direkten Nachhaltigkeitsinnovationen führen.

3. Eine geschlossene, ganzheitliche Kreislaufwirtschaft ist idealerweise das Oberziel einer Nachhaltigkeitsinnovation.

Literatur

[1]U. Grober: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit, München: Antje Kunstmann Verlag, 2010, (ISBN 9783888976483).

[2] E. K. Morgenstern, The origin and early application of the principle of sustainable forest management, Forestry Chronicle 83(4):485–489,DOI:10.5558/tfc83485–4

[3] D. Meadows et.al.: Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Übersetzung von Hans-Dieter Heck, 14. Aufl., Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1987,ISBN 3–421–02633–5

[4] U. Beyerlin, 1994: Rio-Konferenz 1992: Beginn einer neuen globalen Umweltrechtsordnung?, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht 54, 1994, 124–147.

[5] A. Kleine: Operationalisierung einer Nachhaltigkeitsstrategie – Ökologie, Ökonomie und Soziales integrieren; Wiesbaden: Gabler 2009. ISBN-10: 3834915521

[6] A. Nelke: Grundlagen der Wirtschaftsförderung, https://www.hsharz.de/dokumente/extern/Hochschulprojekte/Offene_Hochschule/Arbeitspaket3/Skript_Modul_11_Einfuehrung_Innovationsmanagement_in_Unternehmen.pdf

[7] Greenwashing – eine „umweltbewusste“ PR Masche?, https://www.marketinginstitut.biz/blog/greenwashing/

[ 8] Fichter, K, Paech, N, Pfriem, R Nachhaltige Zukunftsmärkte: Orientierungen für unternehmerische Innovationsprozesse im 21. Jahr-hundert. Metropolis-Verlag, Marburg, 2005. ISBN-10: 3895185116

[9] Wanghuai Xu, Huanxi Zheng, Yuan Liu, Xiaofeng Zhou, Chao Zhang, Yuxin Song, Xu Deng, Michael Leung, Zhengbao Yang, Ronald X. Xu, Zhong Lin Wang, Xiao Cheng Zeng, Zuankai Wang. A droplet-based electricity generator with high instantaneous power density. Nature, 2020; DOI: 10.1038/s41586–020–1985–6

[10] Vahs, D, Brem, A , Innovationsmanagement. Von der Idee zur erfolgreichen Vermarktung. 5. Aufl., Schäffer Poeschel, Stuttgart, 2015, ISBN-10: 9783791034201

[11] Müller-Pröthmann, T, Dörr, N Innovationsmanagement. 3. Auf. Carl Hanser, München. 2014, ISBN-10: 3446427066

[12] WIPO and the Sustainable Development Goals, https://www.wipo.int/publications/en/details.jsp?id=4354

[13 ]Benno van Aerssen, Christian Buchholz, Das große Handbuch Innovation: 555 Methoden und Instrumente für mehr Kreativität und Innovation im Unternehmen; Vahlen, 2018, ISBN-10: 9783800656837

[14]Orloff, Michael A., Grundlagen der klassischen TRIZ,. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2005, DOI 10.1007/b139039

[15] Koltze, K: Souchkov, V.: Systematische Innovation. TRIZ-Anwendung in der Produkt- und Prozessentwicklung. Praxisreihe Qualitätswissen. München: Hanser, Carl, (2011); ISBN 978–3–446–42132–5.

[16] Altschuller, G.: Erfinden – Wege zur Lösung technischer Probleme, Nachdruck der 2. Auflage von 1986, Pl – Planung und Innovation 1998.

[17] Cristina Feniser, Gheorghe Burz Marian Mocan Larisa Ivascu , Vasile Gherhes, Calin Ciprian Otel, The Evaluation and Application of the TRIZ Method for Increasing Eco-Innovative Levels in SMEs ,Sustainability 2017, 9, 1125; doi:10.3390/su9071125

[18] VDI Richtlinie: Erfinderisches Problemlösen mit TRIZ; Zielbeschreibung, Problemdefinition und Lösungsbewertung; 5.2 Idealität, S. 4; (2017)

Dr. rer. nat. Jörg Vetter
Dipl.-Ing. Bert Miecznik
Dr.-Ing. Bruno Scherb
Ingenieurbüro Scherb