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Hybridmaterialien 24.04.2025, 10:00 Uhr

Thermoelektrische Hybridwerkstoffe mit Potenzial zur industriellen Nutzung

Neue Hybridmaterialien zeigen das Potenzial, die Effizienz thermoelektrischer Generatoren massiv zu steigern. Das Forschungsteam um Fabian Garmroudi präsentiert eine richtungsweisende Materialinnovation, die Wärme gezielt in Strom umwandelt – stabil, kostengünstig und leistungsstark.

Forscher Fabian Garmroudi. Foto: David Visnjic

Forscher Fabian Garmroudi.

Foto: David Visnjic

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Fabian Garmroudi hat einen bedeutenden Fortschritt im Bereich der thermoelektrischen Materialien erzielt. Durch die Entwicklung neuartiger Hybridmaterialien, die effizient Wärme in elektrische Energie umwandeln, entsteht eine reale Alternative zu herkömmlichen, teuren und instabilen Thermoelektrika. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

Thermoelektrische Materialien ermöglichen eine direkte Energiegewinnung aus Wärme. Besonders in Hinblick auf das Internet der Dinge (IoT) gewinnen sie an Relevanz – etwa bei der autarken Stromversorgung winziger Sensoren und Mikrokomponenten. Doch bislang war es eine zentrale Herausforderung, zwei Anforderungen gleichzeitig zu erfüllen: Die Dämpfung von Gitterschwingungen und die Verbesserung der Elektronenbeweglichkeit.

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Strategische Materialkombination als wissenschaftlicher Durchbruch

Die nun vorgestellte Hybridlösung löst dieses Problem auf bemerkenswerte Weise. Dabei wurden zwei Materialien kombiniert, die elektronisch ähnlich, jedoch mechanisch stark unterschiedlich sind. Diese Kombination eröffnet neue Wege, die Wärmeleitfähigkeit zu reduzieren, ohne dabei die elektrische Leitfähigkeit zu beeinträchtigen.

Konkret wurde eine Legierung aus Eisen, Vanadium, Tantal und Aluminium (Fe2V0.95Ta0.1Al0.95) mit einem zweiten Werkstoff, bestehend aus Wismut und Antimon (Bi0.9Sb0.1), vermischt. Diese beiden Pulver wurden anschließend unter Hochdruck und hoher Temperatur zu einem kompakten Feststoff verpresst. Aufgrund der chemischen Inkompatibilität auf atomarer Ebene bildet sich dabei kein homogenes Gemisch – stattdessen lagert sich das BiSb-Material gezielt an den Korngrenzen des FeVTaAl-Kristallgitters an.

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Gute thermoelektrische Materialien zeichnen sich durch einen hohen elektrischen, aber gleichzeitig niedrigen thermischen Leitwert aus – ein scheinbarer Widerspruch. In klassischen Leitern sind elektrische und thermische Leitfähigkeit meist gekoppelt. Der nun entwickelte Ansatz überwindet dieses Dilemma auf geschickte Weise: Durch die gezielte Entkopplung von Wärme- und Ladungstransport.

Die Gitterschwingungen, die den Wärmetransport in Festkörpern dominieren, können an den Grenzflächen zwischen den beiden Phasen nicht weitergegeben werden. Das liegt an der deutlichen Diskrepanz in den quantenmechanisch erlaubten Schwingungsmoden der jeweiligen Gitter. Im Ergebnis wird der Wärmetransport massiv reduziert. Gleichzeitig bleiben die elektronischen Eigenschaften an den Grenzflächen erhalten – und verbessern sich sogar.

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Topologischer Isolator verstärkt elektrischen Ladungstransport

Die Wismut-Antimon-Komponente bildet an den Grenzflächen eine sogenannte topologische Isolator-Phase – ein faszinierender Quantenzustand, bei dem das Material im Inneren isolierend ist, an den Oberflächen jedoch nahezu verlustfrei Strom leitet. Die Elektronenbewegung wird hier nicht behindert, sondern sogar gezielt geleitet und beschleunigt.

„Wärme wird in fester Materie sowohl durch elektrisch leitfähige Ladungsträger als auch durch Schwingungen der Atome im Kristallgitter übertragen. In thermoelektrischen Materialien versuchen wir vor allem, den Wärmetransport durch die Gitterschwingungen zu unterdrücken, da sie nicht zur Energieumwandlung beitragen“, erklärt Erstautor Fabian Garmroudi.

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Effizienzsteigerung und Materialvorteile gegenüber Wismuttellurid

Durch diese neuartige Hybridstruktur konnten die Forscher die thermoelektrische Effizienz mehr als verdoppeln. Der sogenannte zT-Wert – ein Maß für die Effizienz thermoelektrischer Materialien – stieg im Vergleich zum Ausgangsmaterial um über 100 %. So kommt das neue Hybridmaterial in den Leistungsbereich von Wismuttellurid, dem seit den 1950er Jahren etablierten Industriestandard. „Damit kommen wir unserem Ziel, ein thermoelektrisches Material zu entwickeln, das mit kommerziell erhältlichen Verbindungen auf Basis von Wismuttellurid mithalten kann, einen großen Schritt näher“, so Garmroudi.

Ein entscheidender Vorteil: Die Hybridmaterialien sind günstiger in der Herstellung und zugleich mechanisch stabiler. Damit bieten sie erhebliche wirtschaftliche und funktionale Vorteile für Anwendungen, bei denen kompakte, wartungsfreie Energiequellen erforderlich sind – von Industrie- und Umweltmesstechnik bis hin zu tragbaren oder implantierbaren Geräten.

Internationales Kooperationsprojekt mit exzellenter Forschungsinfrastruktur

Die Entwicklung erfolgte in enger Kooperation mit internationalen Forschungseinrichtungen. Unterstützt durch den Lions-Förderpreis verbrachte Garmroudi einen Forschungsaufenthalt am renommierten National Institute for Materials Science (NIMS) in Tsukuba, Japan. Dort entwickelte er gemeinsam mit lokalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die neuartigen Hybridmaterialien, die nun das Potenzial haben, den Markt für thermoelektrische Anwendungen grundlegend zu verändern.

„Unterstützt durch den Lions-Förderpreis konnte ich am National Institute for Materials Science in Japan neue Hybridmaterialien entwickeln, die außergewöhnliche thermoelektrische Eigenschaften zeigen“, sagt Garmroudi.

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Fazit: Materialwissenschaft als Wegbereiter energieeffizienter Technologien

Mit dieser Entwicklung leistet das Forschungsteam einen bedeutenden Beitrag zur zukünftigen Nutzung von Abwärmequellen zur Stromerzeugung. Die Kombination aus geringen Materialkosten, hoher Effizienz und Robustheit macht die vorgestellten Hybridmaterialien zu einem vielversprechenden Kandidaten für industrielle und technologische Anwendungen. Der Blick nach vorn: Die nächsten Schritte umfassen die Skalierung der Fertigung, die Integration in reale Energieerzeugungssysteme sowie die Evaluation der Langzeitstabilität in unterschiedlichen Einsatzumgebungen.

Von Text: Technische Universität Wien / RMW