Vom Defekt zum Hightech-Material – Mit Präzision im atomaren Maßstab
Ein Forschungsteam hat mithilfe gezielter Nanostrukturierung neuartige Cadmiumselenid-Nanoplättchen entwickelt. Die Studie zeigt, wie Defekte und Selbstorganisation die optischen und elektronischen Eigenschaften beeinflussen. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten für Sensoren, Solarzellen und Hochleistungselektronik.

Ausschnitt der atomaren Struktur eines Cadmiumselenid-Nanopartikels (im Bild links) mit eingebautem Quecksilber-Fremdatom und künstlerische Darstellung eines stark vergrößerten Nanoplättchens mit Quecksilberdefekten an aktiven Ecken (rechts).
Foto: B. Schröder/HZDR
Nanoplättchen aus Cadmiumselenid stehen im Fokus aktueller Materialforschung, da sie außergewöhnliche optische und elektronische Eigenschaften besitzen. Diese nur wenige Atomlagen dicken Strukturen eröffnen vielversprechende Möglichkeiten für zukünftige Technologien. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der TU Dresden und des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW) hat nun einen bedeutenden Fortschritt bei der gezielten Herstellung dieser Nanomaterialien erzielt. Die Wissenschaftler konnten grundlegende Mechanismen entschlüsseln, die die Wechselwirkung zwischen Struktur und Funktion dieser Halbleitermaterialien bestimmen, und haben ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Small veröffentlicht.
3D-gedruckte thermoelektrische Materialien für effizientere Kühlung und Energiegewinnung
Revolutionäre Eigenschaften für optische und elektronische Anwendungen
Cadmium-basierte Nanostrukturen eröffnen neue Möglichkeiten in der Entwicklung zweidimensionaler Materialien, die gezielt mit Licht im nahen Infrarotbereich (NIR) interagieren. Diese Materialien können Licht absorbieren, reflektieren oder emittieren und bieten damit vielseitige Einsatzmöglichkeiten. Besonders in der medizinischen Diagnostik sind sie vielversprechend, da NIR-Strahlung tief in Gewebe eindringt und so präzisere Untersuchungen ermöglicht. In der Kommunikationstechnologie könnten sie die Effizienz von Glasfasernetzen erhöhen, während sie in der Solarenergie zur Leistungssteigerung von Photovoltaikzellen beitragen könnten.
Dr. Rico Friedrich vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR sowie von der Professur für Theoretische Chemie an der TU Dresden erklärte, dass es entscheidend sei, die Struktur der Nanoplättchen so zu steuern, dass sie gezielt gewünschte Eigenschaften aufweisen. Sein Kollege, Prof. Alexander Eychmüller von der Professur für Physikalische Chemie an der TU Dresden, ergänzte, dass die bisherige Herangehensweise oft einem Versuch-und-Irrtum-Prinzip folgte, was die gezielte Materialentwicklung erschwerte.
Mit Zinn-Schaum werden Lithium-Ionen-Batterien leistungsfähiger
Kationenaustausch als Schlüssel zur präzisen Nanopartikel-Synthese
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die Dicke der Nanoplättchen zu kontrollieren, ohne deren Breite oder Länge zu verändern. Um dieses Problem zu lösen, setzte das Forschungsteam auf den Kationenaustausch, ein Verfahren, bei dem positiv geladene Ionen gezielt ersetzt werden. Diese Technik ermöglicht eine präzise Kontrolle der Zusammensetzung und Struktur von Nanopartikeln und schafft Materialien mit einzigartigen Eigenschaften, die durch herkömmliche Synthesemethoden nicht erreichbar wären. Dennoch war bisher unklar, wie genau dieser Austauschprozess verläuft und welche Faktoren ihn beeinflussen.
In ihrer aktuellen Arbeit untersuchten die Wissenschaftler die Reaktivität der aktiven Ecken der Nanoplättchen, die eine zentrale Rolle bei der Selbstorganisation spielen. Diese Stellen sind chemisch besonders aktiv und bestimmen maßgeblich, wie sich die Plättchen zu größeren Strukturen verbinden lassen. Um diese Mechanismen besser zu verstehen, kombinierte das Team modernste synthetische Verfahren mit hochauflösender Elektronenmikroskopie und detaillierten Computersimulationen.
Bauteilschonend und spannungsarm kleben
Defekte als funktionale Elemente in Nanomaterialien
Nicht nur die chemische Reaktivität, sondern auch die optischen und elektronischen Eigenschaften werden durch Defekte in den Nanostrukturen beeinflusst. In diesen Bereichen konzentrieren sich Ladungsträger, was direkte Auswirkungen auf den Ladungstransport und die Wechselwirkung mit Licht hat. Friedrich betonte, dass solche Defekte gezielt genutzt werden könnten, um Prozesse in der Einzelatomkatalyse effizienter zu gestalten. Dabei würde die hohe Reaktivität einzelner Atome genutzt, um chemische Reaktionen gezielt zu steuern und zu optimieren. Gleichzeitig spielen diese strukturellen Besonderheiten eine entscheidende Rolle für die NIR-Aktivität der Materialien, da sie bestimmen, wie Licht absorbiert oder gestreut wird.
Neue antimikrobielle Textilien bieten Langzeitschutz vor Infektionen
Selbstorganisation als Grundlage für zukünftige Materialinnovationen
Die Forschungsergebnisse zeigen nicht nur, dass sich Nanoplättchen gezielt verknüpfen lassen, sondern dass diese Strukturen sich auch selbst organisieren können. Diese Fähigkeit eröffnet neue Perspektiven für Anwendungen in Sensoren, Solarzellen und weiteren Hochleistungskomponenten der Nanoelektronik. In Zukunft könnten sich Materialien entwickeln lassen, die ihre optischen und elektronischen Eigenschaften dynamisch anpassen und sich perfekt in moderne Technologien integrieren.
Durch die Kombination experimenteller und theoretischer Methoden gelang es dem Team, nicht nur die Struktur der Nanopartikel präzise zu kontrollieren, sondern auch die Rolle der aktiven Ecken detailliert zu untersuchen. Die Erkenntnisse dieser Studie sind wegweisend für die Entwicklung neuer funktionaler Nanomaterialien und ebnen den Weg für innovative Anwendungen in der Photonik, Katalyse und Quantenmaterialforschung.