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Forschungsprojekt 17.10.2024, 15:00 Uhr

Gebrauchtes Speiseöl: Von der Fritteuse in neue Werkstoffe

Forschende am Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock (LIKAT) wollen gebrauchtes Speiseöl als chemisches Ausgangsmaterial für neue Werkstoffe nutzen. Sie entwickelten einen Kobalt-basierten Katalysator, um diese Öle effizient in primäre Amine umzuwandeln, was einen selektiveren und kostengünstigeren Prozess als herkömmliche Methoden darstellt. Dieser Ansatz kann auch für das Upcycling von Kunststoffen verwendet werden.

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Forschende am Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock (LIKAT) wollen gebrauchte Speiseöle dazu nutzen, um daraus wertvolle chemische Produkte zu schaffen. PantherMedia / renamarie

Weltweit fallen jährlich etwa 119 Mio. t gebrauchtes Pflanzenöl an, hauptsächlich aus gastronomischen Betrieben. Ein kleiner Teil wird wiederverwendet, beispielsweise zur Biodieselherstellung. Am Leibniz-Institut für Katalyse (LIKAT) in Rostock hat die Doktorandin Fairoosa Poovan in der Arbeitsgruppe von Prof. Matthias Beller einen Katalysator entwickelt, der gebrauchtes Speiseöl zur Synthese von primären Aminen nutzt – einer essenziellen Vorstufe für viele Alltagsprodukte, wie beispielsweise Arzneimittel.

Fairoosa Poovan PhD student, Research Department “Applied Homogeneous Catalysis” of Prof. Matthias Beller.

Foto: F. Poovan

Prof. Dr. Matthias Beller, Bereichsleiter “Angewandte Homogenkatalyse”.

Foto: LIKAT

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Kohlenstoff in der Kreislaufwirtschaft

Diese Forschung unterstützt globale Bestrebungen hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaft. Bislang wurde gebrauchtes Speiseöl hauptsächlich zu Biokraftstoffen verarbeitet, wobei der Kohlenstoff bei der Verbrennung als CO2 freigesetzt wird. Ein zukunftsweisender Ansatz wäre es jedoch, den Kohlenstoff im Wirtschaftskreislauf zu behalten, da er in zahlreichen Alltagsprodukten benötigt wird. Im Kontext des Klimawandels und der Abkehr von fossilen Rohstoffen arbeiten Chemie und andere Disziplinen an Konzepten, die den Kohlenstoffkreislauf effizienter gestalten. Am LIKAT kooperiert man eng mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und dem Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme, um neue Anwendungen für bio-basierte Abfälle zu erforschen.

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Massenprodukt Amine

„Unser Ziel ist es, gebrauchtes Speiseöl als nützliches chemisches Ausgangsmaterial zur Herstellung wertvoller Produkte zu erschließen“, erklärt Fairoosa Poovan. Amine. „Amine waren eine naheliegende Wahl.“ Das sind Derivate von Ammoniak (NH3) – sie werden in der organischen Chemie in großem Maßstab benötigt. Es gibt Dutzende von Arten von Aminen, und der globale Markt wird auf über 16 Milliarden US-Dollar geschätzt. Gebrauchte Speiseöle enthalten langkettige Fettsäuren, die in Anwesenheit eines geeigneten Katalysators, Ammoniak und Wasserstoff in primäre Amine umgewandelt werden können. Fairoosa Poovan hat unter der Betreuung von Matthias Beller und Jagadeesh Rajenahally einen Kobalt-basierten Katalysator entwickelt, der diesen Prozess besonders effizient gestaltet. Die größte Herausforderung bestand darin, einen kostengünstigen und selektiven Weg zur Produktion von primären Aminen zu finden, da herkömmliche industrielle Verfahren aufwendig und ineffizient sind.

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Selektive Ein-Topf-Reaktion

Der industrielle Standard zur Herstellung von Fettaminen umfasst mehrere Schritte, darunter die Hydrolyse von Pflanzenölen und die Hochtemperaturreaktion mit Metalloxidkatalysatoren. Poovans Ziel war es, diesen Prozess zu vereinfachen und ein Ein-Topf-System zu entwickeln, das die Effizienz signifikant steigert. Ihr Verfahren arbeitet bei moderateren Temperaturen und nutzt Kobalt, ein kostengünstiges Metall, als Katalysator. Im Vergleich zum industriellen Standard liefert es primäre Amine mit „hervorragender Selektivität“. Für ihre Versuche nutzte Poovan handelsübliches Sonnenblumenöl, das in einem akkreditierten Labor auf seine Fettsäurezusammensetzung analysiert wurde, um die Reaktion sowie die Effizienz des Katalysators zu bewerten.

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Anwendung im Polymerrecycling

Das Verfahren ist auch für das Recycling von Kunststoffen geeignet, deren Wiederverwertung vor ähnlichen Herausforderungen steht. Weltweit werden jährlich 300 Mio. t Kunststoff produziert, von denen laut offiziellen Angaben in Deutschland 53 % „energetisch“ recycelt, also verbrannt werden. „An einer Kreislaufwirtschaft führt kein Weg vorbei“, schließt Poovan. Nächstes Jahr wird sie ihre Dissertation an der Universität Rostock verteidigen.

Von Text: Leibniz-Institut für Katalyse / RMW