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24.09.2024, 14:00 Uhr

Industrie und Forschung suchen nach einem PFAS-Ersatz

Die Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) gerät immer mehr in die Kritik. Selbst ein Verbot der Hochleistungswerkstoffe wird nicht mehr ausgeschlossen. Forschende des Fraunhofer Instituts für Werkstoffmechanik (IWM) untersuchen jetzt gemeinsam mit Material-Expert*innen der Freudenberg-Gruppe, welche Herausforderungen mit der Suche nach adäquaten Ersatzstoffen verbunden sind.

Die Industrie bereitet sich auf mögliche Veränderungen beim Einsatz der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) vor. Bei Freudenberg Sealing Technologies beispielsweise läuft die Suche nach Ersatzstoffen trotz der aktuellen Unverzichtbarkeit Fluorpolymeren auf Hochdruck. Grafik: Freudenberg Sealing Technologies

Die Industrie bereitet sich auf mögliche Veränderungen beim Einsatz der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) vor. Bei Freudenberg Sealing Technologies beispielsweise läuft die Suche nach Ersatzstoffen trotz der aktuellen Unverzichtbarkeit Fluorpolymeren auf Hochdruck. Grafik: Freudenberg Sealing Technologies

Fluorpolymere

Die Diskussion um per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) will nicht verstummen: Ab Januar 2026 wird in den USA eine Meldepflicht für Unternehmen eingeführt, die zwischen 2011 und 2022 PFAS in den USA hergestellt oder PFAS, PFAS-haltige Halbzeuge oder Produkte in die USA importiert haben. Zudem beginnen einzelne Bundesstaaten, die Verwendung von PFAS einzuschränken oder eine Meldung zu verlangen. Der Umfang und die Fristen dieser Regelungen variieren stark zwischen den Bundesstaaten. Ähnlich stellt sich die Situation in Europa dar: Am 7. Februar 2023 veröffentlichte die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) einen Entwurf für ein weitreichendes PFAS-Verbot. Bis Ende September 2023 konnten betroffene Unternehmen und Organisationen Stellungnahmen zu den möglichen naturwissenschaftlichen und sozioökonomischen Auswirkungen eines solchen Gesetzes einreichen. Über 4 400 Beteiligte nutzten diese Gelegenheit und reichten mehr als 5 600 Kommentare und zusätzliche Informationen ein. Auch Freudenberg Sealing Technologies nahm an dieser Konsultation teil. Dr. Ruth Bieringer, Vice President Technology & Innovation, betonte, dass das Unternehmen die Ziele des europäischen Green Deals und der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit unterstütze, jedoch einen differenzierten, risikobasierten Ansatz bei der Chemikalienregulierung, insbesondere für PFAS, fordere.

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Fluorpolymeren sind in der Dichtungsindustrie unverzichtbar

Eine kürzlich veröffentlichte Studie mit dem Titel „Replacement of Polymeric PFAS in Industrial Applications with Harsh Environments“ verdeutlicht die derzeitige Unverzichtbarkeit von Fluorpolymeren in der Dichtungsindustrie. Diese Stoffe werden in zahlreichen Bereichen eingesetzt, darunter in Kompressoren, Motoren, Getrieben, Antriebssystemen sowie in der Hydraulik und der Nahrungs- und Getränkeindustrie. Fluorpolymere gelten als Werkstoff der Wahl, wenn der Dichtungswerkstoff mehrere Anforderungen erfüllen muss, wie etwa eine ausgezeichnete Hochtemperaturbeständigkeit und Verträglichkeit mit Schmierstoffen oder die Erfüllung der Anforderungen an Werkstoffe mit Lebensmittelkontakt. Sie bieten zudem eine hohe Beständigkeit gegen aggressive Reinigungsverfahren und eine geringe Neigung zur Aufnahme und Übertragung von Aromen. Fluorpolymere sind jedoch kostspielige Materialien, die meist nur dann verwendet werden, wenn ihre Leistung nicht durch billigere Polymere erreicht werden kann.

Die Autoren der Studie kommen daher zu dem Ergebnis, dass ein vollständiger Ersatz von PFAS in der Dichtungsindustrie derzeit nicht möglich ist, ohne signifikante Einbußen bei den Materialeigenschaften, der Leistungsfähigkeit und der Produktlebensdauer hinzunehmen. Angesichts der Vielfalt von über 10 000 verschiedenen PFAS-Verbindungen fordern sie eine differenzierte, faktenbasierte Diskussion über die Regulierung dieser Stoffklasse.

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Lebenszyklusbetrachtung der Fluorpolymere

Dr. Raimund Jaeger, Referent des Geschäftsfeldes Tribologie am Fraunhofer IWM, erläutert, dass aus seiner Sicht die Lebenszyklusbetrachtung von Fluorpolymeren, die als „Polymere von geringer Besorgnis“ gelten, eine plausible Methode sei, um eine realistische Einschätzung einer potenziellen Gefährdung für Mensch und Umwelt zu erhalten. Alle an der Studie beteiligten Interessengruppen seien sich einig, dass eine sichere Herstellung und Entsorgung von polymeren PFAS unerlässlich sei. Solange sorgfältig darauf geachtet werde, schädliche Umweltauswirkungen zu vermeiden, müsse die Verwendung von Fluorpolymeren in der Industrie weiterhin möglich sein.

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Allerdings steht ein verbindlicher Zeitplan für die Einführung einer europäischen PFAS-Regelung momentan noch aus. Dennoch hat sich die Industrie bereits auf mögliche Veränderungen vorbereitet. Bei Freudenberg Sealing Technologies läuft die Suche nach Ersatzstoffen trotz der aktuellen Unverzichtbarkeit von Fluorpolymeren auf Hochtouren. Dr. Ruth Bieringer betont, dass das Unternehmen über eine einzigartige Expertise in der Entwicklung polymerer Materialien wie Elastomere und Thermoplaste für industrielle Hochleistungsanforderungen verfüge. In der Vergangenheit hätten diese Materialien bereits vielfach neue Technologien ermöglicht, und die Materialexperten seien hochmotiviert, weiterhin innovative Lösungen für zukünftige Herausforderungen zu entwickeln.

Von Text: Freudenberg Sealing Technologies / RMW