KI ergänzt lückenhafte Materialdaten effizient
Ein aktuelles Forschungsprojekt nutzt Künstliche Intelligenz, um lückenhafte Kriechdaten in Materialdatenbanken ohne zeitaufwendige Langzeitversuche zu ergänzen. Innovative Ansätze für „Small Data“ und spezialisierte ML-Modelle sollen die Kunststoffindustrie revolutionieren. Ziel ist es, Materialeigenschaften präzise vorherzusagen und die Entwicklung neuer Kunststoffe effizienter zu gestalten. Die Forschung verspricht, Zeit und Kosten zu sparen und gleichzeitig die Innovationskraft der Branche zu stärken.
Im Juli 2024 startete das IGF-Forschungsvorhaben „Neue Ansätze zur KI-gestützten Kriechvorhersage für Kunststoffe mit lückenhaften Daten“ (Vorhabennummer: 01IF23351N). Das auf zwei Jahre angelegte Projekt hat das Ziel, mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Strategien zu entwickeln, um fehlende Kriechdaten in Materialdatenbanken ohne zusätzliche experimentelle Langzeitversuche zu ergänzen. Die Forschungsstellen SKZ (Kunststoff-Zentrum) in Würzburg und GFaI (Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik) in Berlin bündeln ihre Kompetenzen in der Materialcharakterisierung und im Maschinellen Lernen (ML), einem Teilgebiet der KI. Begleitet wird das Projekt von Vertretern aus 28 Unternehmen, die die Praxisrelevanz und industrielle Umsetzung sicherstellen.
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Das Problem lückenhafter Kriechdaten
Materialdatenbanken wie CAMPUS bieten oft nur unvollständige Kriechdaten, die nicht alle relevanten Temperatur- und Zeitbereiche abdecken. Diese Lücken durch zusätzliche Langzeitprüfungen zu schließen, ist aufgrund des enormen Zeit- und Kostenaufwands unrealistisch. Die mechanischen Langzeiteigenschaften von Kunststoffen hängen zudem von zahlreichen Faktoren wie Belastungshöhe, Temperatur oder Feuchtigkeit ab. Eine unzureichende Berücksichtigung dieser Kriecheffekte kann dazu führen, dass Kunststoffbauteile frühzeitig versagen.
Das Forschungsprojekt setzt daher auf KI, um vorhandene Daten zu analysieren, Muster zu erkennen und fehlende Werte präzise zu ergänzen. Ziel ist es, ML-Modelle zu trainieren, die Vorhersagen für Kriechverhalten unter bisher nicht repräsentierten Bedingungen treffen können, wie etwa bei anderen Temperaturen oder Belastungen.
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Innovative Ansätze für Small Data
Während KI in der Kunststoffindustrie vor allem bei der Analyse von Prozessdaten („Big Data“) eingesetzt wird, stellt die Verarbeitung von Werkstoffdaten mit vergleichsweise wenigen verfügbaren Datenpunkten („Small Data“) eine besondere Herausforderung dar. Hierzu entwickelt das Projekt Methoden zur Datenanreicherung, wie die Generierung synthetischer Messdaten, Data Augmentation und Data Imputation, um die Basis für das KI-Training zu erweitern.
Ein zentraler Fokus liegt auf der Auswahl und Anpassung geeigneter ML-Modelle, die speziell für die Charakterisierung von Materialeigenschaften optimiert sind. Die Modelle sollen in der Lage sein, bestehende Daten zu vervollständigen und Erkenntnisse auf andere Kunststofftypen zu übertragen.
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Vorteile für die Kunststoffindustrie
Das Forschungsvorhaben zielt darauf ab, die experimentelle Datenerhebung deutlich zu reduzieren und gleichzeitig die Effizienz und Innovationskraft der Kunststoffindustrie zu steigern. Dr.-Ing. Kurt Engelsing vom SKZ erklärte, dass durch den Einsatz von KI nicht nur der Aufwand für die Generierung von Kriechdaten erheblich gesenkt, sondern auch das enorme Potenzial von KI für die Branche erschlossen werden soll.
Darüber hinaus ermöglicht die Methode, leicht ermittelbare Kurzzeitkennwerte als Eingabedaten zu nutzen, wodurch das Prognosemodell im Idealfall vollständig auf experimentelle Langzeitdaten verzichten kann. Dies stellt einen entscheidenden Fortschritt für die Effizienz und Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer Kunststoffmaterialien dar.
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Weichenstellung für die Zukunft der Kunststoffforschung
Die Erkenntnisse aus diesem Projekt könnten weitreichende Auswirkungen auf die Kunststoffindustrie haben. Die Fähigkeit, komplexe Materialeigenschaften durch KI zu analysieren und Vorhersagen für neue Bedingungen zu treffen, bietet enormes Potenzial für Innovationen. Dies stärkt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Branche, sondern ebnet auch den Weg für nachhaltigere und effizientere Materialentwicklungsprozesse. Mit der engen Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstitutionen und Industriepartnern bildet das Vorhaben nach Angaben der Beteiligten eine solide Grundlage, um die Herausforderungen der modernen Kunststoffforschung zu meistern und neue Standards in der Materialwissenschaft zu setzen.