Überraschung an der Korngrenze
Ein internationales Forschungsteam hat jetzt mithilfe modernster Mikroskopie- und Simulationstechniken erstmals beobachtet, wie gelöste Elemente neue Korngrenzphasen bilden.
Durch den Einsatz fortschrittlicher Mikroskopie- und Simulationstechniken hat ein internationales Forscherteam detailliert analysiert, wie Eisenatome die Struktur von Korngrenzen in Titan beeinflussen. Überraschend stellten die Forschenden fest, dass sich die Eisenatome nicht nur an die Grenzfläche anlagern, sondern stattdessen unerwartete, käfigartige Strukturen bilden, so die Erläuterung von Prof. Dr. Christian Liebscher vom Research Center Future Energy Materials and Systems der Universitätsallianz Ruhr. Diese Entdeckung widerspricht bisherigen Annahmen und wurde am 25. Oktober 2024 in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
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Neue Art des Entmischungsverhaltens untersucht
Das Forschungsprojekt untersuchte erstmals eine neue Art des Entmischungsverhaltens bei Korngrenzen. Technische Materialien sind meist polykristallin aufgebaut und bestehen aus vielen Kristallen mit regelmäßigen Gitteranordnungen, deren Orientierung jedoch variieren kann. Die Grenzflächen zwischen diesen Kristallen, sogenannte Korngrenzen, haben einen großen Einfluss auf die Materialeigenschaften, insbesondere auf die Festigkeit und Haltbarkeit. Dr. Vivek Devulapalli, der die mikroskopischen Arbeiten im Rahmen der Studie leitete, wies darauf hin, dass bisher nur begrenzt verstanden sei, wie die Ansammlung von Elementen an diesen Korngrenzen die Materialeigenschaften verändere.
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Korngrenzenstruktur präzise abgebildet und simuliert
Der Schlüssel zu den neuen Erkenntnissen lag in der Kombination von Beobachtungen mit atomarer Auflösung und fortschrittlichen Computersimulationen. Mit Hilfe der Rastertransmissionselektronenmikroskopie (STEM) und eines speziell entwickelten Algorithmus konnten die Forschenden die Struktur der Korngrenzen präzise abbilden und simulieren. Laut Dr. Enze Chen von der Stanford University hat die Simulationen gezeigt, dass die Käfigstrukturen, die an Korngrenzen mit unterschiedlichen Eisengehalten auftreten, sich als zugrunde liegende Bausteine der verschiedenen Korngrenzphasen entpuppten: „Unsere Simulationen zeigen, dass wir für unterschiedliche Eisengehalte immer die Käfigstrukturen als die zugrundeliegenden Bausteine der verschiedenen Korngrenzphasen finden. Je höher der Eisengehalt an der Korngrenze ist, desto mehr ikosaedrische Einheiten treten auf und agglomerieren schließlich.“ Ein Ikosaeder, eine geometrische Form mit zwölf Ecken und 20 Flächen, repräsentiert hier eine Anordnung, bei der die Atome an den Ecken der Form sitzen. Dr. Timofey Frolov, der die rechnergestützten Arbeiten der Studie koordinierte, berichtete, dass mehr als fünf unterschiedliche Korngrenzphasen für dieselbe Grenzfläche identifiziert werden konnten. Jede dieser Phasen sei aus verschiedenen Anordnungen der ikosaedrischen Käfigeinheiten zusammengesetzt, was auf eine bemerkenswerte strukturelle Vielfalt hinweist.
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Eisenatome dicht gepackt
Bei der Analyse der Käfigstrukturen stellte sich heraus, dass die Atome eine ikosaedrische Anordnung aufweisen, in der Eisenatome das Zentrum des Ikosaeders besetzen und die Titanatome die Ecken bilden. Dr. Vivek Devulapalli erklärte, dass diese ikosaedrischen Käfige eine dichte Packung der Eisenatome ermöglichen. Dadurch können sich Eisenatome in aperiodischen Clustern anordnen, was eine zwei- bis dreifach höhere Eisenkonzentration an der Korngrenze erlaubt. Laut den Forscherinnen und Forschern deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das Eisen in quasikristallinen Korngrenzphasen eingeschlossen ist. Dr. Chen merkte an, dass diese besondere Eigenschaft der ikosaedrischen Käfige wahrscheinlich das Verhalten und die Eigenschaften der Grenzflächen beeinflusse und forderte, nun gezielte Untersuchungen zur Auswirkung auf das Materialverhalten durchzuführen.
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Zukünftiges Materialdesign grundlegend verändern
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen, dass das Wissen über die Bildung und Steuerung solcher ikosaedrischen Korngrenzphasen das Materialdesign in Zukunft grundlegend verändern könnte. Durch die gezielte Manipulation der Korngrenzstrukturen könnten neuartige Materialeigenschaften geschaffen werden, etwa eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Degradationsprozessen. Die Forschenden planen, die neu identifizierten Korngrenzzustände systematisch weiter zu erforschen, um gezielt Materialeigenschaften zu beeinflussen und spezifische Funktionalitäten einzustellen.
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Förderung
Gefördert wurde die Studie von der KSB-Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (LI 2133/7–1) und dem U.S. Department of Energy.