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01.06.2018, 00:00 Uhr

Messung und Beurteilung der Raumakustik in Mehrpersonenbüros

Zusammenfassung Im Jahr 2017 wurden vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) Akustikmessungen in 13 verschiedenen Mehrpersonenbüros durchgeführt. Dabei wurden einerseits wiederkehrende Fehler bei der akustischen Gestaltung von Büros, andererseits verschiedene Schwierigkeiten bei der Messung nach DIN EN ISO 3382-3 und Beurteilung nach E VDI 2569 beobachtet. Zur Erleichterung der Messauswertung wurden im IFA Web-Applikationen entwickelt, die online frei verfügbar sind. Hiermit lässt sich auch die Messungenauigkeit analytisch bestimmen. Neben Empfehlungen zur Planung und Gestaltung von Mehrpersonenbüros werden die aktuell verwendeten Kenngrößen diskutiert. Mit Veröffentlichung der ASR A3.7 „Lärm“ muss aus Sicht des Arbeitsschutzes ein anschließendes Projekt folgen.

Quelle: PantherMedia/Alla Serebrina

Quelle: PantherMedia/Alla Serebrina

In Mehrpersonenbüros häufen sich die Beschwerden von Beschäftigten. Meist wird von fehlender Privatsphäre (z. B. [1, 2]) und Störung durch Sprache (z. B. [3-5]) berichtet. In akustisch schlecht ausgestatteten Mehrpersonenbüros liegt durch den Lombard-Effekt in der Regel ein zu hoher Schalldruckpegel vor. Als übliche Maßnahme wird durch Einbringung von Absorp­tionsmaterial in den Raum der vorherrschende Schalldruck­pegel verringert. Gleichzeitig verbessert sich die Sprachverständlichkeit. Dabei entsteht ein neues Problem: Denn die Sprachverständlichkeit, unabhängig vom Schalldruckpegel, beherbergt die Störwirkung und die damit einhergehende Belästigung und kognitive Leistungsminderung der Beschäftigten [6, 7]. Selbst mehrere Sprecher wirken störend, solange diese örtlich oder zeitlich voneinander getrennt verständlich sind und als einzelne Sprecher identifiziert werden können [8]. Diese und weitere Faktoren führen zu einem nachweislich erhöhten Krankenstand in Mehrpersonen-, Großraum- sowie Shared-Desk-­Büros gegenüber Einzelbüros [9]. Die häufig als Vorteil aufgeführte Verbesserung in der Kommunikation zwischen den Beschäftigten bleibt aus. Dies konnte in einer Untersuchung belegt werden, in der zwei Unternehmen bei der Umstrukturierung der Büroarbeitsplätze in offene Bürolandschaften begleitet und die direkte und elektronische Kommunikation nachverfolgt wurden [10]. So verringerte sich in diesen Fällen die direkte Kommunikation um ca. 70 %, während der Mailverkehr und die Nachrichten über Instant Messaging Dienste um 20 bis 50 % anstiegen [10].

Etwa die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland verbringt den beruflichen Alltag an einem Büroarbeitsplatz [11]. Ca. 15 % davon arbeiten in Büros mit fünf oder mehr Beschäftigten [12]. Die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten muss dabei in jedem Fall sichergestellt sein.

Die gesetzlichen Mindestanforderungen zum Schutz vor extra-auralen Lärmwirkungen an Arbeitsstätten sind in der ASR A3.7 „Lärm“ [13] formuliert. Da dieses Regelwerk zum Zeitpunkt der hier vorgestellten Betriebsmessungen noch nicht veröffentlich war, konnte es leider keine Berücksichtigung finden. Die Messungen der voll möblierten, unbesetzten Mehrpersonenbüros erfolgten daher ausschließlich nach der internationalen Norm DIN EN ISO 3382-3 [14]. Die Auswertung und Beurteilung wurde dem Entwurf der Richtlinie VDI 2569 entsprechend umgesetzt [15].

Bild Raumbelegungsplan eines Beispielbüros mit 36 Arbeitsplätzen. Auf jedem Tisch sind Aufsatzschirme angebracht. Schrank- und Schirmhöhen sind nicht angegeben. Nach DIN EN ISO 3382-3 und E VDI 2569 sind nur Messungen auf den zwei eingezeichneten Messpfaden möglich, obwohl Messungen auf 9 Pfaden von E VDI 2569 empfohlen werden.

Bild Raumbelegungsplan eines Beispielbüros mit 36 Arbeitsplätzen. Auf jedem Tisch sind Aufsatzschirme angebracht. Schrank- und Schirmhöhen sind nicht angegeben. Nach DIN EN ISO 3382-3 und E VDI 2569 sind nur Messungen auf den zwei eingezeichneten Messpfaden möglich, obwohl Messungen auf 9 Pfaden von E VDI 2569 empfohlen werden.

Messungen

Die Messungen in 13 Mehrpersonenbüros fanden im Verlauf des Jahres 2017 statt. Die Anzahl der vorhandenen Arbeitsplätze lag dabei zwischen 11 und 50, wobei im Mittel ca. 27 Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Eine Übersicht über Messergebnisse findet sich in [16]. Dabei wurden alle nach DIN EN ISO 3382-3 [14] notwendigen Parameter erfasst. Während der ersten Messungen kam ein Bauakustiklautsprecher mit rosa Rauschen, eine kalibrierte Schallquelle zur Erfassung des Sprachübertragungsindex und ein Schallpegelmesser der Klasse 1 zum Einsatz. Zur Verringerung des Messaufwands wurden im weiteren Verlauf die Messungen mittels eines kommerziellen kalibrierten Gesamtsystems mit integrierter Impulsantwort unter Verwendung von MLS-Signalen durchgeführt. Dies führte zu deutlichen Zeitersparnissen und einem optimierten Messablauf, da aus der ermittelten Raumimpulsantwort an den einzelnen Messpositionen entlang eines Messpfades alle notwendigen Parameter berechnet werden konnten. Die Messungen fanden in den voll möblierten, unbesetzten Büros statt. Dazu musste aus betrieblichen Gründen meist in den Abend- und Nachtstunden gemessen werden. Keines der Mehrpersonenbüros besaß ein Schallmaskierungssystem.

Eine Messung im Einklang mit beiden Regelwerken [14, 15] durchzuführen, schien jedoch nahezu unmöglich. Die in der Richtlinie [15] empfohlene Anzahl der Messpfade konnte in fast keinem der untersuchten Mehrpersonenbüros erreicht werden. Dafür sind viele der Einschränkungen beider Normen verantwortlich. Die geforderten Mindestabstände zwischen Schallquellen- oder Mikrofonposition zu reflektierenden Oberflächen lassen sich in der Praxis oft nicht einhalten. Zwischen Schallquelle und erster Messmikrofonposition soll kein Schirm vorhanden sein [15]. Dies führt in der Praxis dazu, dass ein Messpfad häufig im Rücken eines Arbeitsplatzes beginnt. Zusätzlich ist es in der Praxis auch nicht unüblich, dass zur Messvorbereitung ein nicht aktueller Bürobelegungsplan vorliegt und sich die örtlichen Gegebenheiten deutlich von denen in den Plänen unterscheiden. Ein weiterer Faktor sind die nicht eingezeichneten Abschirmungen und Höhen der Schränke und weiterer Raumeinrichtungsgegenstände in den Einrichtungsplänen. Im Bild findet sich ein Beispiel eines Raumbelegungsplans mit eingezeichneten Messpfaden.

Beobachtungen, Empfehlungen und häufige Fehler

In vielen Büros wurde bereits in der Planungsphase auf eine akustisch wirksame Gestaltung Rücksicht genommen. So finden sich in den meisten Büros Akustikdecken und in allen gemessenen Büros zumindest Teppichböden. Im Hinblick auf die Nutzung als Mehrpersonenbüro war diese akustische Gestaltung jedoch meist nicht zielführend oder unzureichend. In Einzelfällen wurden Büros auch ohne jegliche akustische Planung umgesetzt. Zur Grundausstattung vieler Mehrpersonenbüros gehören Schallschirme. Deren Wirksamkeit kann sich jedoch nur entfalten, wenn die übrige akustische Umgebung ausreichend absorbierend ausgestaltet ist [17].

Weil die Decke meist die größte freie Fläche eines Raumes ist, die in unmittelbarer Nähe zum Schallemittenten zur Verfügung steht, ist eine Belegung mit Absorptionsmaterial überaus wirksam und zudem meist unproblematisch. Selbst bei betonkernaktivierter Bauweise kann ein Großteil der Deckenfläche mit speziell dafür vorgesehenen Absorbern ausgestattet werden. Zumindest die Flächen über den Arbeitsplätzen, besser noch der gesamte Deckenbereich, sollte daher mit breitbandig absorbierenden Elementen ausgestattet sein. Danach kann durch eine sinnvolle Planung und Zonierung mit den dafür vorgesehenen baulichen und akustischen Trennungen ein funktionierendes Mehrpersonenbüro geschaffen werden. Verkehrswege sollten dabei nicht mitten durch den Raum führen. Rückzugsmöglichkeiten für Besprechungen, Telefonate und vor allem ungestörte, konzentrierte Arbeiten sollten in ausreichendem Maße verfügbar sein. Auch die weiteren Innenraumfaktoren Beleuchtung, Klima und Luftqualität [18, 19] sowie die organisatorische Planung und die notwendigen Raumabmessungen [20] haben einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit, Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten [19]. Unumgänglich sind des Weiteren Absprachen und kollegiale Disziplin. Zum Beispiel sind auch kurze Gespräche und Telefonate nicht im Großraum zu führen, wenn Beschäftigte im gleichen Raum konzentriert arbeiten. Dafür sind die vorgesehenen Besprechungs-, Telefon- und Konferenzräume aufzusuchen [13]. Umgekehrt sollte eine gezielte Anpassung der Räumlichkeiten an die darin durchgeführten Tätigkeiten eine Selbstverständlichkeit sein und auch in den Regelwerken stärkere Berücksichtigung finden. Beispielsweise werden in der französischen Norm NF S 31-199 deutlich unterschiedliche Anforderungen an Arbeitsräume verschiedener Nutzungsart gesetzt [21]. Es wird zwischen Tätigkeiten mit den Schwerpunkten „Telefonat“, „gemeinsame Arbeit“, „wenig Zusammenarbeit“ und „Kundenempfang“ unterschieden. Darin wird auch beispielsweise spezifiziert, dass bei gemeinsamer Arbeit eine gute Sprachverständlichkeit zwischen den Arbeitsplätzen eines Teams erforderlich ist, während Teams mit unabhängigen Tätigkeiten sich nicht gegenseitig stören dürfen. „Eine gute akustische Diskretion zwischen zwei nahe beieinander befindlichen Teams muss gewährleistet werden“ [21]. Bei Tätigkeiten mit wenig und keiner Zusammenarbeit in einem Mehrpersonenbüro, kann das „Führen von Gesprächen […] nicht in Betracht gezogen werden, sowohl um Kollegen nicht zu stören, als auch aus Vertraulichkeitsanforderungen. Rückzugsbereiche müssen daher eingeplant werden“ [21].

Der Planungsprozess sollte von Beginn an von Fachplanern und Akustikspezialisten begleitet werden. Eine Einbindung der Beschäftigten in die Planung neuer Büroräume führt zu einer höheren Akzeptanz, wenn sie anschließend in dem Raum arbeiten [22]. Je nach Nutzungsart und durchgeführten Tätigkeiten sollten zur akustischen Gestaltung des Raums Empfehlungen von Experten eingeholt und bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden. Denn die Auslegung der Akustik eines für mehrere Personen und Tätigkeiten geeigneten Büros ist nicht trivial, sondern stellt ein „multidimensionales Optimierungsproblem“ [23] dar.

Dennoch konnten im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen einige typische Probleme identifiziert werden. Aufgrund einer zu halligen Umgebung konnten Schallschirme meist nicht ihre volle Wirksamkeit entfalten. Unmittelbar an Büros angrenzende Produktionshallen und lautere Arbeitsbereiche sind häufig nicht ausreichend bauakustisch getrennt. Das Anbringen von Kalendern und Bildern auf Absorptionsflächen ist offenbar beliebt, jedoch verliert das verdeckte Absorptionsmaterial dadurch an Wirkung. Dies geschieht ebenso, wenn das Absorptionsmaterial im Zuge von Renovierungsarbeiten mit gewöhnlicher Farbe überstrichen wird. Anstelle von richtigen Schallschirmen werden zum Teil Design-Elemente eingebracht, die aus akustischer Sicht eine Leckage darstellen. Hierzu gehören unter anderem nicht-absorbierende Stellwände in Lamellenoptik oder lediglich mit einfachem Stoff bespannte Raumtrennelemente, die in der Praxis bestenfalls als Sichtschutz dienen können.

Auswertung und Klassifizierung

Eine Klassifizierung der untersuchten Büros erfolgte nach der Entwurfsfassung der VDI 2569 [15]. Jeder Messpfad erfährt eine Einstufung in eine sogenannte Stufe der Schallausbreitung (1 bis 3) auf Basis der Parameter Lp,A,S,4 m (A-bewerteter Schalldruckpegel der Sprache in einem Abstand von 4 m) und D2,S (räumliche Abklingrate der Sprache). Die Vergabe der Raumakustik-Klasse (A, B oder C) erfolgt nach den erreichten Stufen der Schallausbreitung und einer über den gesamten Raum gemittelten Nachhallzeit sowie dem Störschalldruckpegel bauseitiger Geräusche LNA,Bau [15].

Von den 13 gemessenen Mehrpersonenbüros erreichte kein einziges eine Raumakustik-Klasse nach VDI 2569 [15]. Wenn außer Acht gelassen wird, dass die vorgegebene Mindestnachhallzeit von 0,4 s in einigen Oktavbändern unterschritten wird [16], erreichen zumindest 4 Büros eine Raumakustik-Klasse. Wie bereits erwähnt, konnte die empfohlene Anzahl von Messpfaden nur in einem von 13 Büros mit 17 Arbeitsplätzen aufgrund einer großzügigen Flächenverteilung von fast 15 m² pro Beschäftigten erreicht werden. Generell lässt die Auswertung der Messergebnisse einen zu großen Spielraum. Da DIN EN ISO 3382-3 [14] Messpfade mit 4 bis 10 Messpositionen erlaubt, konnte in einem Beispiel gezeigt werden, dass bei einer Messung von sechs Messpositionen Werte für D2,S = 6,7 dB und Lp,A,S,4 m = 47,4 dB erreicht werden. Werden die beiden letzten Messpositionen aus der Auswertung entfernt, ändern sich die Werte auf D2,S = 8,1 dB und Lp,A,S,4 m = 47,5 dB. Dadurch erhält dieser Pfad eine höhere Stufe der Schallausbreitung. Dies kann dazu führen, dass eine bessere Raumakustik-Klasse nach VDI 2569 [15] erreicht wird. So beeinflusst die Messpfadauswahl die Klassifizierung deutlich. Einen weiteren Einfluss auf die Klassifizierung nach VDI 2569 kann die analytisch ermittelte Messunsicherheit darstellen. Diese ist nach dem GUM-Verfahren (Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement) berechnet und lässt sich mit Werten von bis zu 1 dB für beide Parameter D2,S und Lp,A,S,4 m beziffern (Veröffentlichung in Vorbereitung). Die zur Klassifizierung verwendeten „Stufen der Schallausbreitung“ in VDI 2569 [15] sind in Schritten von 2 dB unterteilt. Unter Berücksichtigung der Messunsicherheit kann daher eine eindeutige Klassifizierung nicht immer gewährleistet werden. Im hier vorgestellten Projekt wurde die Unsicherheit allerdings ausschließlich analytisch ermittelt. Die praktische Ermittlung der Unsicherheit könnte ähnliche Ergebnisse liefern [24]. Hierzu wäre ein systematischer Abgleich im Rahmen eines Ringversuchs wünschenswert.

Zur Erleichterung der Messauswertung bei der Messung mit Rausch- und STI-Signalen mit Schallpegelmessern wurde im IFA eine Web-App entwickelt. Mit Hilfe dieser ist es möglich die Ergebnisse der Parameter nach DIN EN ISO 3382-3 [14] an den Messpositionen entlang eines Pfades zu berechnen. Die dazu erforderlichen Eingabeparameter sind die Oktav-Schallleistungspegel der verwendeten omnidirektionalen Schallquelle, die gemessenen Schalldruck- und Fremdgeräuschpegel sowie die Werte des Sprachübertragungsindex (STI). Weiterhin erfolgt in der Software die Ausgabe einer Messunsicherheit nach GUM sowie die Möglichkeit das Projekt zu exportieren und bereits berechnete Projekte wieder zu importieren. Eine Klassifizierung nach VDI 2569 [15] kann mittels der ebenfalls dafür bereitgestellten, separaten Web-App erfolgen. Darin sind die Ergebnisse der Nachhallzeitmessungen, die Anzahl der Arbeitsplätze, LNA,Bau sowie D2,S und Lp,A,S,4 m pro Pfad anzugeben, um schließlich die resultierende Raumakustikklasse zu erhalten.1)

Diskussion

Zur akustischen Beschreibung und Klassifizierung von Büros wurden im Rahmen dieses Projekts die Raumakustik-Klassen nach VDI 2569 verwendet. Die Einstufung basiert auf Nachhallzeitgrenzen und bauseitigem Störschalldruckpegel LNA,Bau für den gesamten Raum und Grenzwerten für Lp,A,S,4 m und D2,S pro Messpfad [15]. Der in Büros ausschlaggebenden Störgröße Sprachverständlichkeit wird im Rahmen der Klassifizierung keine Beachtung geschenkt [15].

Dass der STI als Prädiktor für die Leistungsminderung geeignet ist, wurde jedoch bereits mittels eines Modells gezeigt [25], welches auch Einzug in Anhang B der DIN EN ISO 3382-3 erhielt [14]. Der im Rahmen der Messung in Großraumbüros [14] ermittelte Parameter Ablenkungsabstand rD eignet sich ebenfalls als Prädiktor für die empfundene Störwirkung durch Sprache. Dies wurde in [24] gezeigt, bei dem eine signifikante Korrelation zwischen empfundener hoher Störwirkung und Ablenkungsabstand nachgewiesen wurde. Eine Harmonisierung des Ablenkungsabstands auf einen vergleichbaren Fremdgeräuschpegel, z. B. auf Lp,A,B = 40 dB, wie es in [23] vorgeschlagen wird, wäre in diesem Zusammenhang empfehlenswert. Des Weiteren gilt es den STI-Bezugswert von 0,5 für den Ablenkungsabstand rD zu überdenken. In mehreren Studien wurde bereits gezeigt, dass die Fehlerrate in Serial Recall Tests bei einem STI von 0,5 und darüber bereits sehr hoch gegenüber einer Ruhebedingung ist [26, 27]. In [26] wird daher als neuer STI-Bezugswert für rD 0,4 vorgeschlagen.

Pfadmessungen entlang eines engmaschig geflochtenen Empfehlungs- und Beschränkungsnetzes über verschiedene Büros hinweg sind nur bedingt vergleichbar. Die Ergebnisse mehrerer Pfadmessungen sind streng genommen keine Raumeigenschaft und können innerhalb eines Raumes auf Grundlage „intelligenter“ Pfadauswahl stark unterschiedlich ausfallen. Vielmehr sind die Ergebnisse als akustische Pfadeigenschaft zu betrachten.

Neben der Klassifizierung und Beurteilung von Mehrpersonen- und Großraumbüros nach VDI 2569 [15] ist mit den Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.7 „Lärm“ im Mai 2018 ein staatliches Regelwerk mit akustischen Mindestanforderungen an Arbeitsstätten veröffentlicht worden [13]. Hier werden obere Grenzwerte für Nachhallzeiten abhängig von verschiedenen Nutzungsarten sowie Beurteilungspegel Lr je nach Tätigkeitskategorie vorgegeben: für Büroräume gibt es Nachhallzeitgrenzen von 0,5 s (Callcenter) bzw. 0,6 s (Mehrpersonen- und Großraumbüros), die nicht überschritten werden sollen [13]. In den meisten Büros werden überwiegend Tätigkeiten durchgeführt, die eine hohe Konzentration oder eine hohe Sprachverständlichkeit erfordern und somit der „Tätigkeitskategorie I“ zuzuordnen sind. Dies führt zu einem maximal zulässigen Beurteilungspegel von 55 dB. Im Zusammenhang mit der Ermittlung des Beurteilungspegels wird für die Ton- und Informationshaltigkeit ein Zuschlag von bis zu 6 dB gewährt. Inwiefern dieser Zuschlag mit der tatsächlichen menschlichen Lästigkeits-Wahrnehmung oder mit der kognitiven Leistungsminderung korreliert, ist den Autoren jedoch aus keiner Studie bekannt.

Eine Klassifizierung der Räume auf Basis der Nachhallzeit, wie es sowohl die ASR A3.7 [13] als auch VDI 2569 [15] fordern, ist generell diskussionswürdig, da diese in meist flachen Büroräumen ermittelt werden muss, in denen aber üblicherweise kein ausreichend diffuses Schallfeld vorliegt. Dagegen könnte eine Klassifizierung auf Basis des sich eignenden Prädiktors für die Störwirkung durch Sprache rD [24], harmonisiert auf einen einheitlichen Fremdgeräuschpegel Lp,A,B [23], als Beurteilungsgröße in Betracht gezogen werden.

Aus den aufgezeigten Gründen ist es notwendig Mehrpersonenbüros bereits in der Planungsphase akustisch erfolgreich auf die entsprechenden Tätigkeiten anzupassen. Als mögliche Methode für eine akustische Planung könnte sich die Verwendung der STI-Matrix anbieten [28]. Damit kann in der Planungsphase mittels Simulation eine Auskunft über die Sprachverständlichkeit zwischen jedem Arbeitsplatz und somit eine Prognose der akustischen Qualität des Raums gegeben werden. Eine Beurteilung und Grenzwerte sowie ein Verfahren zur messtechnischen Validierung der Planung nach der Methode der STI-Matrix müsste dazu jedoch erarbeitet werden.

Fazit und Ausblick

Im Jahr 2017 wurden im Rahmen eines vom IFA durchgeführten Projekts 13 Mehrpersonenbüros nach DIN EN ISO 3382-3 [14] akustisch vermessen [16]. Lediglich vier Büros erreichten (unter Einschränkungen) eine Raumakustik-Klasse nach E VDI 2569 [15]. Dies liegt einerseits an den verschiedenen Messeinschränkungen beider Normen [14, 15]. Andererseits wurde die Unterstützung des IFA meist in Fällen aufgesucht, in denen Probleme in Büros auftraten oder Beschäftigte sich vermehrt beschwerten. Verschiedene häufig auftretende Fehler aus akustischer Sicht konnten dokumentiert und grundlegende Empfehlungen ausgesprochen werden. So gibt es kein akustisches „Kochrezept“ für die Gestaltung eines Mehrpersonenbüros. Eine grundlegende akustische Gestaltung ist jedoch zwingend notwendig, um die Büros anschließend entsprechend ihrer Nutzungsart einrichten zu können. Eine organisatorische Aufteilung sowie Zonierung kann je nach Branche zu einem akzeptablen und arbeitnehmerfreundlichen (und dadurch auch arbeitgeberfreundlichen) Mehrpersonenbüro führen. Dazu sollten im Einzelfall Akustikberater und Fachplaner konsultiert und im Sinne einer hohen Akzeptanz auch die Beschäftigten in die Planung mit einbezogen werden.

Während raumakustische Messungen die physikalischen Gegebenheiten untersuchen, sind weitere Messungen und Befragungen zur subjektiven Empfindung der Beschäftigten in solchen Arbeitsumgebungen notwendig. Dazu müssen Messungen während der Arbeitszeit durchgeführt werden und Zusammenhänge zwischen perzeptiver und instrumenteller Erfassung hergestellt werden. Inwiefern das tatsächliche Lästigkeitsempfinden und die Minderung der Kurzzeitgedächtnisleistung mit dem Beurteilungspegel nach ASR A3.7 [13] übereinstimmen, gilt es zu überprüfen.

Die Durchführung von Messungen in Übereinstimmung mit DIN EN ISO 3382-3 [14] und E VDI 2569 [15] sind in den meisten Büros sehr zeitaufwendig und komplex. Daher wäre ein vereinfachtes Verfahren zur Ermittlung der raumakustischen Eigenschaften von Mehrpersonen- und Großraumbüros aus Sicht des Arbeitsschutzes wünschenswert. Vergleiche der Messergebnisse und der Klassifizierung zwischen unterschiedlichen Büros scheinen aufgrund der festgestellten Unsicherheiten wenig aussagekräftig. Eine auf den STI konzentrierte Messung mit Betrachtung weiterer Einflussgrößen, wie beispielsweise dem Fremdgeräuschpegel Lp,A,B, und einer darauf basierten Klassifizierung, könnte eine größere Übereinstimmung mit der tatsächlichen Wahrnehmung der Beschäftigten aufzeigen [24].

Mit den bestehenden Regelwerken kann heutzutage eine gezieltere Planung und Einrichtung von Mehrpersonen- und Großraumbüros durchgeführt werden, als anhand der Nachhallzeit allein. Nun sollten die Verfahren weiterentwickelt und zusätzlich neue Ansätze verfolgt werden, um eine gute Planbarkeit und Beurteilung der Akustik von modernen Büroraumkonzepten zu ermöglichen. Denn die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten muss und kann auch im Zeitalter effektiver Flächennutzung und ästhetischen Ansprüchen an erster Stelle stehen.

Literatur

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  15. E VDI 2569:2016-02, Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro (Entwurf).
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1) Die Softwarehilfen sind auf der Homepage des IFA (http://www.dguv.de/ifa/) für die nicht-kommerzielle Nutzung unter „Praxishilfen: Lärm“ frei verfügbar.

Danksagung

Die Autoren danken Ingo Albrecht für die Unterstützung bei den praktischen Messungen und Moritz Schneider für die Entwicklung der beiden Softwarehilfen zur Klassifizierung nach

E VDI 2569 und Messauswertung nach DIN EN ISO 3382-3. Weiterhin gilt Andreas Stephan von der gesetzlichen Unfallversicherung VBG ein Dank für die Akquise der zu messenden Mehrpersonenbüros.

2 : 3 Hochformat

Jan Selzer, M.Sc., wiss. Mitarbeiter, Raumakustik, Referat „Lärm“,

Dr. rer. med. Florian Schelle, Leiter des Referats „Lärm“. Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA).

Von Jan Selzer, Florian Schelle, Sankt Augustin

Jan Selzer, M.Sc., wiss. Mitarbeiter, Raumakustik, Referat „Lärm“, Dr. rer. med. Florian Schelle, Leiter des Referats „Lärm“. Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA).