Zum E-Paper
01.04.2017, 00:00 Uhr

Fluglärm nach CNOSSOS-EU

Zusammenfassung Die EU-Umgebungslärmrichtlinie von 2002 bestimmt maßgeblich die gemeinsame Lärmschutzpolitik in der Europäischen Union. Wesentlicher Bestandteil ist die Ermittlung der Belastung durch Umgebungslärm nach gemeinsamen Bewertungsmethoden (CNOSSOS-EU), die ab 31. Dezember 2018 für die Lärmkartierung verbindlich anzuwenden sind. Das Berechnungsverfahren für den Fluglärm (CNOSSOS-Fluglärm) basiert auf der dritten Ausgabe des Doc. 29 der Europäischen Zivilluftfahrt-Konferenz und weicht in vieler Hinsicht von der nationalen Methode zur Fluglärmberechnung, der „Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen“ (AzB), ab. Anders als die AzB zielt die Fluglärmberechnungsvorschrift von CNOSSOS-EU nicht auf Prognoseszenarien ab, sondern soll gemäß der Vorgabe der EU-Umgebungslärmrichtlinie die Fluglärmsituation in der Vergangenheit bestimmen. Damit ergeben sich auch andere Anforderungen an die Eingangsdaten. So gehen bei CNOSSOS-Fluglärm einzelne Luftfahrzeuge in die Berechnung ein, anstelle der in der AzB verwendeten Luftfahrzeugklassen. Datengrundlage von CNOSSOS-Fluglärm ist die ANP-Datenbank, die neben den luftfahrzeugspezifischen Aerodynamik- und Triebwerksdaten auch prozedurale Profile für die meisten Luftfahrzeuge enthält. Mithilfe der prozeduralen Profile lassen sich verschiedene Flugverfahren modellieren, die allerdings hinreichende Kenntnis der Flugparameter erfordern. Dies wiederum erschwert eine Anwendung in der Praxis und stellt auch die im Anhang II der Umgebungslärmrichtlinie geforderte Qualitätssicherung vor Herausforderungen. CNOSSOS-Fluglärm wurde daher konkretisiert und ergänzt. Die wesentlichen Aspekte der nationalen Umsetzung von CNOSSOS-Fluglärm werden vorgestellt und erläutert.

Quelle: Panther Media/ S. Kirchner

Quelle: Panther Media/ S. Kirchner

Im Grünbuch der Europäischen Kommission zur künftigen Lärmschutzpolitik von 1996 [1] wurde der Umgebungslärm als eines der größten Umweltprobleme in Europa bezeichnet. Damalige Schätzungen über die Anzahl der in der Europäischen Union lebenden Personen, die gesundheitsgefährdenden Schallpegeln ausgesetzt sind, gingen von 20 % der Bevölkerung aus. Gleichermaßen stellte man fest, dass für eine exakte Erfassung der Lärmexposition in Europa nur unzureichende Daten vorhanden und diese aufgrund der unterschiedlichen Berechnungs- und Bewertungsverfahren der einzelnen Mitgliedsstaaten nur schwer zu vergleichen seien.

Der Grundstein für eine gemeinsame Lärmschutzpolitik wurde 2002 mit Inkrafttreten der EU-Umgebungslärmrichtlinie [2] gelegt, die die Ausarbeitung eines gemeinsamen methodischen Rahmens für die Lärmbewertung vorsieht. Bis zur Einführung dieser gemeinsamen Bewertungsmethoden war die Verwendung von Interimsmethoden bzw. auch nationaler Lärmberechnungsverfahren vorgesehen, unter der Voraussetzung, dass diese vergleichbare Ergebnisse erzielen. Das Ergebnis der ersten Kartierungsrunde im Jahr 2007 machte deutlich, wie weit die einzelnen Mitgliedsstaaten von einer einheitlichen Lärmbewertung entfernt waren. Neben signifikanten Unterschieden in den Berechnungsmethoden und ihren Datenbasen waren auch die softwaretechnischen Umsetzungen und Anwendereinstellungen im Allgemeinen uneinheitlich. Auf Initiative der Europä­ischen Kommission wurde 2008 die Entwicklung der gemein­samen Bewertungsmethoden angestoßen. Dabei konzentrierte sich der Auswahlprozess hinsichtlich des Fluglärms auf zwei Kandidaten: die „Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen“ (AzB) [3] und das Doc 29, 3. Ausgabe [4] der Europä­ischen Zivilluftfahrt-Konferenz (ECAC).

Die AzB ist das in Deutschland nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm anzuwendende Berechnungsverfahren. Es dient der Festsetzung von Lärmschutzbereichen und muss somit hohen Präzisionsanforderungen genügen. Aufgrund der gesetzten Anforderungen, Auswirkungen von Flottenänderungen und lärmmindernden Flugverfahren möglichst genau beurteilen zu können, fiel die Wahl auf Doc 29 und die dazugehörige ANP-Datenbank (Aircraft Noise and Performance) für zivile Luftfahrzeuge. 2012 stellte die EU-Kommission die später in der Richtlinie 2015/996 [5] festgelegten „Common Noise Assessment Methods in the EU“ (CNOSSOS-EU) unter der verheißungsvollen Schlagzeile „Speaking the same language on noise exposure“ vor [6]. Am Beispiel der Berechnungsvorschrift für Fluglärm (CNOSSOS-Fluglärm) und seiner nationalen Umsetzung (CNOSSOS-DE) soll der Frage nachgegangen werden, ob der Weg zu einer einheit­lichen Sprache der Lärmbewertung erfolgreich bestritten wurde.

Konzeption von CNOSSOS-Fluglärm

 

Doc 29 wurde konzipiert, um die Fluglärmbelastung in der Nähe ziviler Flugplätze auf der Basis einer detaillierten Modellierung des Flugbetriebs zu berechnen. Das schließt insbesondere die Ermittlung der Flugverfahren der jeweiligen Luftfahrzeuge als auch lokale Randbedingungen wie Meteorologie mit ein. Damit unterscheidet es sich in vieler Hinsicht von der AzB und stellt hinsichtlich einer sachgerechten Anwendung höhere Anforderungen an den Anwender. Im Gegensatz zur AzB wird die Fluglärmbelastung nicht auf der Basis einer prognostizierten Flugbetriebssituation ermittelt; die nach EU-Umgebungslärmrichtlinie zu ermittelnden Beurteilungsgrößen Lden und Lnight beziehen sich auf ein in der Vergangenheit liegendes, vorgegebenes Kartierungsjahr. Da hierzu genauere Informationen vorliegen als für ein zukünftiges Szenarium, kann der Flugbetrieb entsprechend detaillierter modelliert werden, d. h. statt Luftfahrzeuggruppen wird mit Luftfahrzeugversionen gerechnet, die nach Triebwerkstypen differenziert werden (z. B. Airbus A320-232, A320-211). Zudem ist anstelle gruppenspezifischer standardisierter Flugprofile die Verwendung luftfahrzeugspezi­fischer prozeduraler Profile vorgesehen, die von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise der Masse des Luftfahrzeugs abhängig sind. Damit ist der Berechnungsaufwand wesentlich größer und hinsichtlich der Bestimmung der Parameter, die das Flugprofil beeinflussen, für den Zweck der Lärmkartierung nicht angemessen.

Gemäß der Vorgabe des EU-Richtlinientextes sollen Softwareprodukte, die nach CNOSSOS-EU rechnen, nachweislich konform zur Berechnungsvorschrift sein, d. h. innerhalb eines zu definierenden Toleranzbereichs reproduzierbare Ergebnisse liefern. Dies erfordert neben einem Datenerfassungssystem (DES), das alle notwendigen Eingangsdaten bereitstellt, vor allem eine eindeutige Berechnungsvorschrift. Da aber viele Schritte im Berechnungsverfahren nicht hinreichend spezifiziert sind und überdies schon bei der Beschreibung des Flugprofils große Un­sicherheiten entstehen, ist CNOSSOS-Fluglärm nicht ohne Weiteres qualitätssicherbar. Um eine praktikable und standardisierte Berechnung entsprechend dem Anhang II der EU-Um­gebungslärmrichtlinie zu ermöglichen, wurde CNOSSOS-Fluglärm unter Berücksichtigung der in Deutschland üblichen Flugbetriebssituationen konkretisiert und ergänzt, wie nachfolgend erläutert wird.

Doc 29 beruht auf einem Segmentierungsverfahren. Hierbei wird die Flugbahn in gerade Segmente zerlegt, die sich im Wesentlichen aus dem Kurs über Grund und dem Flughöhenprofil ergeben. In einem zweiten Schritt ist eine weitere Unterteilung von Segmenten in Bereichen mit erheblichen Geschwindigkeitsänderungen und in Kurvenbereichen vorgesehen. Jedes Segment einer Flugbahn liefert einen Beitrag zur Gesamtimmission an einem Immissionsort O (Bild 1).

Bild 1 Unterschiedliche Ausführungen von Topps für Lärmschutzwände. Bild nach [2].

Bild 1 Unterschiedliche Ausführungen von Topps für Lärmschutzwände. Bild nach [2].

Um diesen Segmentexpositionsbeitrag zu ermitteln, wird der Wert der Schallexposition

 

 

 

eines unendlich langen, horizontalen und gleichförmigen Flugs mit dem Bruchteil (Energy Fraction) multipliziert, der von der Zeit  = t2t1, die zum Überfliegen des Segments benötigt wird, bestimmt ist:

 

E = FE

 

Ein analytischer Ausdruck für die Energy Fraction F lässt sich wiederum aus dem Verhältnis der Segmentschallexposition E zur Schallexposition E der unendlich langen Flugbahn ab­leiten. Dazu wird der Schalldruck p basierend auf dem Dipol­modell ausgedrückt als Funktion des kürzesten Vorbeiflugabstands und dem Winkel  zwischen Flugrichtung und dem Vektor zum Immissionsort O:

 

 

 

Die Schallexposition wird dabei in Abhängigkeit des kürzesten Abstands dp zwischen Flugbahn und Immissionsort sowie der Schubeinstellung aus den NPD-Tabellen („Noise-Power-Distance“) der ANP-Datenbank ermittelt. Durch Modellierung der Schallquelle als Dipol ist eine Richtwirkung in der Energy Frac­tion bereits berücksichtigt. Darüber hinaus werden die Werte der Schallexposition auch hinsichtlich der Triebwerksanbringung korrigiert. So wird bei Jets eine zusätzliche Änderung der Schallabstrahlung senkrecht zur Flugzeugachse in Abhängigkeit vom Depressionswinkel einkalkuliert (Installationseffekt). Das Verfahren zur Berechnung von Fluglärm ist damit prinzipiell vorgegeben. Dennoch lässt CNOSSOS-Fluglärm dem Anwender Spielraum bei konkreten Berechnungsschritten, wie beispielsweise der Kurvensegmentierung und der Korridormodellierung.

Schließen von Interpretationsspielräumen

Kurven werden bei CNOSSOS-Fluglärm durch Segmentierungswinkel sub unterteilt (Bild 2).

Bild 2 Segmentierung von Kurven [2].

Ihre Anzahl ergibt sich aus der Forderung, dass diese nicht größer als 30° sein dürfen. Diese Einteilung hat sich in der Praxis speziell bei Maximalpegeln als zu grob erwiesen. Bei der AzB werden daher Kurven deutlich genauer modelliert. Dabei beträgt der Segmentierungswinkel 15° und wird weiter reduziert, falls die resultierende Segmentbogenlänge größer als 100 m ist. Dementsprechend wurde der Segmentierungswinkel für die nationale Umsetzung (CNOSSOS-DE) auf 10° festgelegt.

Während eines Kurvenflugs neigen sich Luftfahrzeuge um ihre Querachse, d. h. der Querneigungswinkel ist von Null verschieden (Bild 3).

Bild 3 Winkel zwischen Flugzeug und Beobachter in der Ebene senkrecht zur Flugbahn [2].

Bild 3 Winkel zwischen Flugzeug und Beobachter in der Ebene senkrecht zur Flugbahn [2].

Realistisch betrachtet ändert sich dieser nicht sprunghaft. Daher wird die Einführung kleiner Transitionssegmente trans, bei denen sich der Querneigungswinkel linear ändert, zur Vermeidung von Unstetigkeiten empfohlen. Der Querneigungswinkel hat einerseits Auswirkungen auf die laterale Schallabstrahlung, andererseits auch auf die Flugbahn.

CNOSSOS-Fluglärm berücksichtigt standardmäßig beide Effekte. So ist der Depressionswinkel, der sich um den Betrag des Querneigungswinkels ändert, maßgeblich für den Installationseffekt. Da die nationale Umsetzung hauptsächlich die Verwendung standardisierter Flugprofile vorsieht, die unabhängig von Kurvenflügen sind, ist der Querneigungswinkel nur für den Installationseffekt von Relevanz. Zudem ergaben Berechnungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit dem Simulationsverfahren SIMUL [7], bei dem typische Segmentlängen von ca. 100 m auftreten, keine unstetigen Konturenverläufe. Eine detaillierte Modellierung des Querneigungswinkels unter Verwendung von Transitionssegmenten bringt daher keine relevante Pegeländerung, sodass in CNOSSOS-DE darauf verzichtet wurde.

Die Modellierung des Flugkorridors, der die seitliche Streuung der Luftfahrzeuge vom vorgegebenen Flugweg widerspiegelt, wurde in CNOSSOS-Fluglärm nicht eindeutig festgelegt. Die Streuung ist, wenn möglich, anhand von Radardaten auszuwerten und beispielsweise durch eine Gauß-Verteilung mit einer geeigneten Anzahl von Unterstrecken, typischerweise sieben, zu beschreiben. Die Korridorbreite ist vorzugsweise so zu wählen, dass sie mindestens dem Fünffachen der Standardabweichung entspricht. Für die nationale Umsetzung erfolgt die Korridor­modellierung praxisgerecht mithilfe der AzB-Verteilungsfunk­tion (in Annäherung zur Gauß-Verteilung) und durch Verwendung von 15 Unterstrecken, inklusive Kernstrecke. Die Eigenschaften der Kernstrecke werden dabei wie in CNOSSOS empfohlen auf die Unterstrecken übertragen.

Für weitere Schallquellen, die sich aus dem Flugbetrieb ergeben, wie Rollverkehr, Triebwerksprobeläufe und der Einsatz von Hilfstriebwerken, existiert in CNOSSOS-Fluglärm keine standardisierte Berechnungsmethode. Diese müssten gemäß dem Kapitel zu Industrielärm berücksichtigt werden. Grundsätzlich können diese Lärmquellen aber gemäß CNOSSOS-Fluglärm vernachlässigt werden, da sie nicht in relevantem Ausmaß zur Gesamtexposition der Bevölkerung gegenüber Fluglärm beitragen. Auch Hubschrauberflüge hätten unter dieser Maßgabe nach CNOSSOS-Fluglärm vernachlässigt werden können. Da für Hubschrauber aber eine Datenbasis vorliegt und diese ohnehin im DES nach AzB erfasst werden müssen, werden Hubschrauber­flüge auch in CNOSSOS-DE berücksichtigt.

Modellierung der Flugverfahren

Die Beschreibung des Flugprofils erfolgt bei CNOSSOS-Fluglärm standardmäßig anhand prozeduraler Profile. Dement­sprechend kann bei Kenntnis des Flugverfahrens (Schubein­stellung, Klappenstellung und Position des Fahrwerks) die Flugbahn mithilfe der Flugleistungsrechnung unter Berücksichtigung der Masse des Luftfahrzeugs, der Meteorologie, des Kurveneffekts und eventuell des Gradienten einer geneigten Start-/Landebahn bestimmt werden. Da einerseits die konkreten Flugverfahren der verschiedenen in Deutschland fliegenden Luftverkehrsgesellschaften an den jeweiligen Flugplätzen nicht im Einzelnen bekannt sind und andererseits auch die tatsächliche Luftfahrzeugmasse nicht generell verfügbar ist, ist die Verwendung prozeduraler Profile für den Zweck der Lärmkartierung in Deutschland nicht praxisgerecht. Auch die Meteorologie müsste kontinuierlich dokumentiert werden (Tabelle 1).

Tabelle 1 Auszug eines prozeduralen Profils für einen Abflug.

Tabelle 1 Auszug eines prozeduralen Profils für einen Abflug.

 

Eine Alternative bieten Fixpunktprofile (Tabelle 2).

Tabelle 2 Auszug eines Fixpunktprofils für einen Anflug.

Tabelle 2 Auszug eines Fixpunktprofils für einen Anflug.

Diese lassen sich aus den prozeduralen Profilen generieren und sind auf die oben genannten Randbedingungen (Meteorologie etc.) zugeschnitten. Demnach ergibt sich ein Profil, bei dem der Verlauf der Höhe, der Geschwindigkeit sowie des Schubs in Abhängigkeit von der Entfernung vordefiniert (fix) sind. Der Nutzer muss also keine weiteren Angaben einholen, als bei einer Berechnung nach AzB gefordert wird.

In der ANP-Datenbank sind für wenige, überwiegend ältere Luftfahrzeuge Fixpunktprofile enthalten. Um den Großteil der in Deutschland verkehrenden Luftfahrzeuge abbilden zu können, wurden für die in der ANP-Datenbank enthaltenen, häufig verkehrenden Luftfahrzeuge Fixpunktprofile mit dem Integrated Noise Model (INM) berechnet und in die nationale Daten­basis integriert. Somit stehen nahezu 200 zusätzliche Fixpunktprofile zur Verfügung. Dabei mussten sowohl für den Abflug als auch für den Anflug verallgemeinernde Annahmen getroffen werden. So wird grundsätzlich von einer maximalen Auslastung der Luftfahrzeuge sowie meteorologischen Standardbedingungen, die auch bei anderen Lärmquellen verwendet werden, ausgegangen. Die ANP-Datenbank stellt für die meisten Luftfahrzeuge drei prozedurale Abflugprofile für mehrere Auslastungsstufen zur Auswahl: ein Standardverfahren sowie die lärmmindernden ICAO-A- und ICAO-B-Verfahren. Fixpunktprofile für Abflüge wurden basierend auf dem ICAO-B-Verfahren, das den üblicherweise in Deutschland geflogenen lärmmindernden Abflugverfahren am meisten ähnelt, berechnet (Bild 4).

Bild 4 Abflug nach ICAO B.

Bild 4 Abflug nach ICAO B.

 

Bei der Modellierung von Anflügen ergibt sich die Besonderheit, dass der Zwischenanflug je nach Flugplatz und Flugverfahren unterschiedlich sein kann. So variiert neben der Länge auch die Höhe des Zwischenanflugsegments. Um eine Unterschätzung des Schallexpositionspegels eines Flugs zu vermeiden, wurde die Höhe des Zwischenanflugsegments generell auf 4000 ft festgelegt. Der Gleitwinkel des Endanflugs beträgt bei allen Fixpunktprofilen 3° und ist somit charakteristisch für die meisten Instrumentenlandesysteme (ILS) in Deutschland (Bild 5).

Bild 5 Anflug für CNOSSOS-DE.

Bild 5 Anflug für CNOSSOS-DE.

Weicht der Gleitwinkel des ILS eines Flugplatzes deutlich davon ab, muss ein neues, den örtlichen Gegebenheiten angepasstes Fixpunktprofil berechnet werden.

Nationale Datengrundlage

Da die Datenbasis von CNOSSOS-Fluglärm einzelne Luftfahrzeugversionen umfasst und diese anders als bei der AzB nicht gruppiert werden, war zu prüfen, ob die lärmsignifikanten Luftfahrzeuge in Deutschland auch durch die ANP-Datenbank abgedeckt sind. Basierend auf Luftverkehrsanalysen des Forschungsprojekts MODAL (Modelle und Daten zur Entwicklung von aktiven Schallschutzmaßnahmen im Luftverkehr) [8] des DLR aus den Jahren 2013 und 2014, ergaben sich 42 Flugzeuge, die einen Verkehrsanteil von jeweils mehr als 1 % an mindestens einem der sieben untersuchten Verkehrsflughäfen aufwiesen. Ungefähr ein Viertel dieser Flugzeuge sowie der überwiegende Teil der Flugzeuge, deren Verkehrsanteil maximal 1 % beträgt (ca. 130), sind nicht in der ANP-Datenbank enthalten. Auch neue Luftfahrzeugmuster, die in den kommenden Jahren zunehmend verkehren werden, wie der A350, die NEO-Familie von Airbus sowie die MAX-Versionen der Boeing 737 als auch die Bombardier C-Series waren zum Zeitpunkt der nationalen Umsetzung noch nicht in die ANP-Datenbank integriert. Gemäß CNOSSOS-Fluglärm sind Luftfahrzeuge, für die keine Daten hinterlegt sind, durch ähnliche Luftfahrzeuge zu ersetzen. Da der Begriff „ähnlich“ nicht näher erläutert wird, sind verschiedene Kriterien denkbar. Sinnvoll ist in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung der Triebwerksart, des Verhältnisses von Maximalschub zur Höchstabflugmasse, der Anzahl der Triebwerke, des Nebenstromverhältnisses sowie der ICAO-Lärmzertifizierung [9]. Fehlenden geräuschsignifikanten Luftfahrzeugen wurden für die nationale Umsetzung entsprechend diesen Kriterien Substitu­tionsluftfahrzeuge zugeordnet, die anstelle des nicht verzeichneten Luftfahrzeugs in die Berechnung eingehen.

Darüber hinaus existieren einige Luftfahrzeuge, die nur selten eingesetzt oder auch erst zukünftig verkehren werden. Um auch diese adäquat zu berücksichtigen, werden sie durch ihre an CNOSSOS-Fluglärm angepasste AzB-Luftfahrzeugklasse ersetzt. Diese wurden zuvor vom DLR in das ANP-Datenformat konvertiert. Neben einer kompletten Abdeckung aller zivilen Luftfahrzeuge ermöglicht diese Vorgehensweise auch die Berücksichtigung militärischer Luftfahrzeuge. Im DES für CNOSSOS-DE werden folglich Luftfahrzeuge nach ihrer ICAO-ATD (sofern in der Datenbasis vorhanden) bzw. der entsprechenden AzB-Luftfahrzeugklasse aufgeführt. Da in der ANP-Datenbank aber oft mehrere Luftfahrzeugversionen zu einer ATD (Aircraft Type Designator) zusammengefasst sind, werden in CNOSSOS-DE für diese ATD Substitutionsluftfahrzeuge angegeben.

Um Softwareprodukte für eine Anwendung nach CNOSSOS-DE qualitätssichern zu können, hat das Umweltbundesamt einen Testflugplatz entwickeln lassen. Dieser besteht im Wesentlichen aus einem Ab- und Anflug sowie einer Platzrunde, die von drei repräsentativen Luftfahrzeugen geflogen werden. Die Berechnung von Profilen gemäß der Flugleistungsrechnung ist nicht Gegenstand der Qualitätssicherung, sodass sich ihr Anwendungsgebiet auf Fixpunktprofile beschränkt.

Fazit

Durch die vorgenommenen Konkretisierungen konnte CNOSSOS-DE weitgehend präzisiert werden. Da CNOSSOS Teil eines EU-Richtlinientextes ist, waren jedoch ausschließlich notwendige Änderungen möglich. Allerdings wäre ohne Anpassungen der Anwender gezwungen gewesen, selbst die Regelungs­lücken zu interpretieren, was zu unterschiedlichen Berechnungsergebnissen geführt hätte. Insgesamt betrachtet erreicht CNOSSOS-DE somit zwar nicht die Präzision der AzB, genügt aber dem Anliegen der Europäischen Kommission gemeinsame Lärmbewertungsmethoden in allen EU-Mitgliedstaaten zu etablieren. Die geringere Präzi­sion schließt letztendlich auch eine Verwendung von CNOSSOS-DE für das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm aus, das wegen seiner rechtlichen und finanziellen Folgen höhere Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit des Berechnungsverfahrens stellt. Es wird also in Deutschland weiterhin sowohl ein Lärmberechnungsverfahren für die Lärmkartierung als auch eines für die Festsetzung von Lärmschutzbereichen geben.

Die EU war 2002 mit der Umgebungslärmrichtlinie angetreten, das Ensemble der nationalen Lärmberechnungsmethoden in Einklang zu bringen. Mit CNOSSOS spricht die EU nun zwar eine gemeinsame Sprache, hinsichtlich der Fluglärmberechnung aber mit Dialekten.

Danksagung

Besonderer Dank gilt den Herren Thomas Myck und Jörn Lindmaier (Umweltbundesamt) sowie Herrn Berthold Vogelsang (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz) für ihre freundliche Unterstützung.

 

 

Literatur

[1] Grünbuch der Europäischen Kommission vom 4. November 1996 über die künftige Lärmschutzpolitik.

[2] Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm. ABl. EG (2002) Nr. L 189, S. 12-25.

[3] Bekanntmachung der Anleitung zur Datenerfassung über den Flugbetrieb (AzD) und der Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen (AzB) vom 19. November 2008. BAnz. Nr. 195a vom 23. Dezember 2008.

[4] European Civil Aviation Conference (ECAC): Methodology for Computing Noise Contours around Civil Airports, ECAC.CEAC Doc 29, 3rd Edition, 2005.

[5] Richtlinie 2015/996 der Kommission vom 19. Mai 2015 zur Festlegung gemeinsamer Lärmbewertungsmethoden gemäß der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlament und des Rates. ABl. EU (2015) Nr. L 168, S. 1-823.

[6] Environment: Speaking the same language on noise ex­posure. Pressemitteilung der EU-Kommission vom 14. September 2012, Brüssel.

[7] Isermann, U.; Schmid, R.; Tontsch, I.: Umsetzung des ECAC Doc 29 in Hinblick auf deutsche Anforderungen. Braunschweig: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. 2008.

[8] MODAL (Modelle und Daten zur Entwicklung von aktiven Schallschutzmaßnahmen im Luftverkehr); vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des 4. Luftfahrtforschungsprogramms gefördertes Vorhaben.

[9] ICAO Annex 16. Environmental Protection, Volume I: Aircraft Noise, 7th Edition, International Civil Aviation Organization (ICAO), Montreal 2014.

 

 

Von Dipl.-Phys. Juliane Bopst

Dipl.-Phys. Juliane Bopst, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau