Modellierung von Akustikmöbeln
Zusammenfassung Die DIN EN ISO 354 „Messung der Schallabsorption in Hallräumen“ beschreibt die Schallabsorption von nicht flächigen Einzelobjekten wie Möbeln mithilfe der äquivalenten Schallabsorptionsfläche AObj. Zur Verwendung in akustischen Simulationsprogrammen wird meist der Schallabsorptionsgrad von Flächen benötigt, da sämtliche Objekte in der Regel durch ebene Flächen zusammengesetzt bzw. modelliert werden. Ein einheitliches Verfahren zur Umrechnung der äquivalenten Schallabsorptionsfläche AObj zu Schallabsorptionsgraden für die akustischen Modelle von Einzelobjekten existiert bislang nicht. In diesem Beitrag wird ein entsprechendes Verfahren vorgeschlagen und anhand von Beispielen demonstriert.
Eine Möglichkeit, die notwendige Schallabsorption in Räume – heutzutage insbesondere in Büros – zu bringen, kann darin bestehen, dass auch die Einrichtungsgegenstände wie Möbel, Raumteiler, Stellwände, Sitzmöbel oder Leuchten eine schallabsorbierende Wirkung erhalten. In diesem Beitrag wird ein Vorgehen vorgestellt, wie die Schallabsorption entsprechender nicht-flächiger Schallabsorber beschrieben werden kann, um sie in der raumakustischen 3D-Simulation zu verwenden.
Aus der im Hallraum gemessenen Schallabsorptionsfläche Aobj eines Einzelobjekts wird ein Schallabsorptionsgrad für die in der Simulation verwendeten Elemente abgeleitet. Mit diesem auf die Oberfläche eines Objekts bezogenen Schallabsorptionsgrad können Einzelobjekte auch in der raumakustischen Simulation in entsprechenden Softwareprogrammen berücksichtigt werden. Weiterhin ist anhand dieser Kenngröße durch den Flächenbezug ein direkter Vergleich verschiedener Einzelobjekte möglich, was bislang durch die Absorptionsfläche Aobj nur indirekt möglich war.
Hallraum-Messungen nach DIN EN ISO 354 an Objekten
Zur Bestimmung der Schallabsorption wird in einem Hallraum die Nachhallzeit des leeren Raums und des Raums mit eingebrachtem Prüfobjekt gemessen. Das Verfahren ist durch die Norm DIN EN ISO 354 [1] beschrieben. In der Norm werden Anforderungen an das Raumvolumen V, die „Diffusität“ des Schallfelds, das Prüfobjekt, die zu verwendenden Messgeräte und viele weitere Details gestellt.
Bei den Prüfobjekten wird zwischen flächenhaften Schallabsorbern und einzelnen Schallabsorbern bzw. Objekten unterschieden. Bei flächenhaften Absorbern ist eine überdeckte Fläche von 10 bis 12 m² erforderlich. Verschiedene Aufbauarten sind im normativen Anhang B der DIN EN ISO 354 [1] detailliert dargestellt (Tabelle).
Die äquivalente Absorptionsfläche AT des Prüfobjekts ergibt sich nach den Vorgaben aus DIN EN ISO 354 [1] aus der Differenz zwischen der äquivalenten Absorptionsfläche im Hallraum mit Prüfobjekt A2 und jener des leeren Hallraums A1:
AT = A2 – A1
Für flächenhafte Schallabsorber kann anschließend mit der vom Prüfobjekt überdeckten Fläche S der Schallabsorptionsgrad S berechnet werden:
Der Index S wird verwendet, um auf das beschriebene Verfahren im Hallraum hinzuweisen.
Für einzelne Schallabsorber ist die äquivalente Schallabsorptionsfläche je Objekt Aobj anzugeben. Hierzu ist die äquivalente Absorptionsfläche AT durch die Anzahl der Objekte n, in der Regel n = 3, zu teilen. Entsprechend gilt:
Die Ergebnisse von Messungen nach DIN EN ISO 354 [1] werden als Absorptionsgrad S für flächige Absorber oder als Absorptionsfläche eines Objekts Aobj angegeben.
Unklarheiten in DIN EN ISO 354 bei Objekten
In der aktuellen Fassung der DIN EN ISO 354 [1] besteht die Unklarheit, wie mit Objekten wie Stellwänden, Tischaufsätzen, Schränken und anderen Einrichtungselementen zu verfahren ist, die durchaus die Definition einer Oberfläche bzw. Bezugsfläche S zulassen. Bei Absorbern mit zwei beschallten Seiten, wie Stellwänden oder auch sog. „Akustik-Segeln“, „Wolken“ oder anderen Freiformen, enthält die DIN EN ISO 354 [1] keine konkreten Vorgaben, wie die Bezugsfläche S zu ermitteln ist. Es gibt lediglich die Anmerkung, dass bei beidseitig beschallten Absorbern der Schallabsorptionsgrad das Verhältnis aus äquivalenter Schallabsorptionsfläche des Prüfobjekts und der Fläche der beiden Seiten des Prüfobjekts ist ([1], Anmerkung 1 unter Ziffer 3.9).
Absorptionsgrad für Einzelobjekte
In der Regel ist eine direkte Eingabe der Schallabsorptionsfläche Aobj von Einzelobjekten in den einschlägigen Programmen zur 3D-Raumakustiksimulation nicht vorgesehen. Sämtliche Raumbegrenzungsflächen, aber auch die Einrichtungsgegenstände, werden in der dreidimensionalen Computersimulation durch Elemente aus ebenen Flächen oder auch Quadern angenähert (siehe Raumbeispiel in Bild 1).
Um auch die akustische Wirkung von Einzelobjekten im Sinne der Norm DIN EN ISO 354, wie schallabsorbierende Stellwände, Schränke oder „Akustiksegel“, in der 3D-Simulation berücksichtigen zu können, ist es notwendig, den Flächen dieser Objekte im Computermodell einen Wert des Schallabsorptionsgrads zuzuordnen. Hierbei kann entweder ein über alle Flächen des Objekts gemittelter Schallabsorptionsgrad Obj oder aber der Schallabsorptionsgrad für die einzelnen Flächenanteile bzw. Komponenten des Objekts KA angegeben werden. Für beide Vorgehensweisen ist es notwendig, eine gegenüber der realen Geometrie vereinfachte Geometrie für das akustische Modell, im Folgenden Akustik-Repräsentation genannt, zu definieren.
In Bild 2 ist beispielhaft ein Arbeitsplatz bestehend aus Schreibtisch, Stuhl, Tischblende und Rollcontainer und die zugehörige Akustik-Repräsentation dargestellt.
Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die Betrachtung der Absorption in Oktavbandbreite erfolgt. Wie in ISO 11654 [2; 3] beschrieben, werden Oktavbandwerte durch den arithmetischen Mittelwert aus jeweils den drei Terzwerten in der Oktave ermittelt. Im Rahmen des vorgeschlagenen Verfahrens wird dieses Vorgehen auch für die Absorptionsflächen angewendet.
Geometrie in raumakustischen Simulationsprogrammen
Alle akustisch relevanten Möbel und weitere Einrichtungselemente sind als Quader oder Kombinationen aus mehreren Quadern anzulegen. Alternativ kann jede Seite eines Quaders auch als Einzelfläche angeordnet werden. Die Abmessungen der Quader sollten sich an den tatsächlichen Abmessungen der repräsentierten Objekte (Möbel, Einrichtungsgegenstände) orientieren. Die geometrische Ausdehnung sollte jedoch auch bei flachen bzw. dünnen Elementen, wie z. B. Tischen, Tischaufsätzen oder Stellwänden, immer der realen Abmessung entsprechen.
Oftmals werden Teile eines Möbels mit akustisch wirksamen bzw. schallabsorbierenden Materialien ausgestattet, während andere Flächen eher schallhart sind. Beispiele dafür sind Stellwände, die mit unterschiedlichen Paneltypen bestückt werden können oder Schränke mit nur teilweise akustisch wirksamen Fronten und/oder Rückwänden. Es ist daher in der Regel sinnvoll, das vereinfachte Modell der Akustik-Repräsentation so aufzubauen, dass akustisch wirksame Bereiche von schallharten Bereichen getrennt sind und jeweils eigenständige Flächen angelegt werden. Diesen Flächen können dann verschiedene Materialien mit unterschiedlichen Werten des Schallabsorptionsgrads zugewiesen werden. Alternativ kann ein Quader modelliert werden und die akustisch wirksame Fläche als zusätzlicher Quader an der entsprechenden Stelle vorgesetzt werden.
Schallabsorptionsgrad aObj
Das nachfolgend beschriebene Vorgehen wird angewendet, wenn das Einzelobjekt aus Materialen mit ähnlichen Absorptionseigenschaften besteht (z. B. „schallharter“ Schrank aus Holz oder Metall) oder wenn deutliche Unterschiede in den Absorptionseigenschaften messtechnisch nicht erfasst werden können. Beispielsweise sind bei einem Stuhl mit gepolsterter Sitzfläche und Lehne sowie Sitzunterseite und Lehnenrückseite aus Kunststoff die unterschiedlichen Schallabsorptionsgrade von Polster und Kunststoff in der Regel nicht separat ermittelbar.
Eine Messung im Hallraum liefert die Schallabsorptionsfläche Aobj bezogen auf das Objekt. Der mittlere Schallabsorptionsgrad Obj aller dem Schallfeld ausgesetzten Flächen der Akustik- Repräsentation berechnet sich wie folgt:
mit SE der dem Schallfeld ausgesetzten Oberfläche des Objekts in der Akustik-Repräsentation.
Beispiel Stuhl
Der in Bild 3 dargestellte Stuhl wird durch zwei flache Quader in der Akustik-Repräsentation nachgebildet. Die Gesamtoberfläche beträgt SE = 0,81 m².
In Bild 4 ist die gemessene Absorptionsfläche AObj und der daraus ermittelte Schallabsorptionsgrad Obj dargestellt.
Schallabsorptionsgrad aKa verschiedener Komponenten eines Objekts
Voraussetzung für die Bestimmung des Schallabsorptionsgrades einer einzelnen (schallabsorbierenden) Komponente K des Einzelobjekts ist die Austauschbarkeit dieser Komponente. Die Ermittlung des Schallabsorptionsgrads der Komponente K erfolgt anhand eines Vergleichs der Schallabsorptionsfläche des Objekts AObj,K0 ohne die oder mit abgedeckter schallabsorbierender Komponente und der Schallabsorptionsfläche AObj,K mit der schallabsorbierenden Komponente. Der Schallabsorptionsgrad, der der Komponente K zugewiesen wird, lässt sich dann wie folgt bestimmen:
mit der Fläche SE,K der getauschten Komponente des Einzelobjekts. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Flächengröße der ausgetauschten Komponente (nicht absorbierend bzw. absorbierend) gleich bleibt. Der Schallabsorptionsgrad Obj,K0 wird aus der äquivalenten Schallabsorptionsfläche AObj des Objekts ohne die schallabsorbierende Komponente ermittelt.
Beispiel Schrank mit Akustikfront
Eine prinzipielle Darstellung eines Schranks mit Akustikfront ist in Bild 5 dargestellt. Die Abmessungen des Schranks sind: – Breite: 0,8 m,
- Tiefe: 0,46 m,
- Höhe: 1,09 m.
Hieraus ergibt sich eine Gesamtoberfläche von SE = 3,11 m², die Größe der Akustik-Front beträgt entsprechend SE,K = 0,87 m².
In Bild 6 sind die im Hallraum gemessenen Schallabsorptionsflächen des Schranks ohne und mit Akustikfront dargestellt. In der rechten Grafik ist der zugehörige Absorptionsgrad für die Komponenten des Objekts dargestellt. Die absorbierende Front zeigt einen deutlich höhere Absorptionsgrad (aObj,K) als der Rest des Schrankkorpus (aObj,K0).
Fazit und Ausblick
Bei dem in diesem Beitrag vorgeschlagenen Absorptionsgrad obj bzw. Obj,K handelt es sich um eine (derzeit noch) nicht normativ gefasste Größe, die allerdings vielfach in der Praxis verwendet wird. Immer wenn für nicht-flächige Schallabsorber 3D-Computermodelle zur Simulation verwendet werden, ist eine derartige Festlegung von vereinfachter Geometrie und zugehörigen Werten für den objektbezogenen Schallabsorptionsgrad notwendig.
Hersteller und Händler von Büroausstattungen haben inzwischen begonnen, akustisch wirksame Produkte mithilfe von obj bzw. KA zu beschreiben, um so eine effiziente Übernahme aus entsprechenden Computerprogrammen zur Raumplanung [4; 5] in Raumakustiksimulationsprogramme [6] zu ermöglichen.
Danksagung
Der Autor dankt dem Industrieverband Büro und Arbeitswelten IBA e.V., sowie der Firma Easterngraphics für die fortwährende Unterstützung und exzellente Zusammenarbeit bei dieser Entwicklung.
Literatur
[1] DIN EN ISO 354: Akustik – Messung der Schallabsorption in Hallräumen. Berlin: Beuth-Verlag 2003 (in Überarbeitung).
[2] DIN EN ISO 11654: Schallabsorber für die Anwendung in Gebäuden – Bewertung der Schallabsorption Berlin: Beuth- Verlag 1997.
[3] E DIN EN ISO 11654: Akustik – Schallabsorber – Bewertung von Schallabsorptionsgraden Berlin: Beuth-Verlag 2017.
[4] EasternGraphics Application Notes, AN-2013–002, Datenanlage für akustische Auswertungen, „akustik plugin“. Erstellt in Kooperation mit Akustikbüro Oldenburg.
[5] Easterngraphics – pcon planner. http://pcon-planner.com/
[6] Nocke, C.: Raumakustik im Alltag – Hören, Planen, Verstehen. Stuttgart: IRB Fraunhofer 2014 (vergriffen; 2. Aufl. erscheint in Kürze).
Dr. Christian Nocke, Akustikbüro Oldenburg/Schall & Raum Consulting GmbH.