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01.11.2018, 00:00 Uhr

Irritationsschutzwände – Berechnung nach dem neuen Merkblatt M EBGS-Lsw

Tierschutz hat mit Lärmschutz wenig gemein, sollte man meinen. Doch bei der genaueren Betrachtung können beide Aspekte vereint werden. Dies zeigt der folgende Beitrag zum Thema Irritationsschutzwände. Diese können gleichzeitig dezenter Lärmschutz sein, wenn sie richtig geplant und umgesetzt werden. Zur Berechnung von Irritationsschutzwänden hat der FGSV nun im September 2018 ein neues Merkblatt „M EBGS-Lsw“ veröffentlicht.

Bild 1 Irritationswand auf einer Querung der A7 bei Brokenlande.Quelle: Firma Fahlenkamp, Bruchhausen

Bild 1 Irritationswand auf einer Querung der A7 bei Brokenlande.

Foto: Firma Fahlenkamp, Bruchhausen

In den letzten Jahren taucht im Verkehrswegebau zunehmend der Begriff „Irritationsschutzwände“ auf. Er leitet sich vom lateinischen „irritare“ irren ab und bedeutet soviel wie stören, verwirren oder ablenken. Irritationsschutzwände dienen dazu, Tiere vor den vom Menschen verursachten Verkehrsbewegungen zu schützen und Ihnen sichere Querungen von Verkehrswegen zu ermöglichen.

Tiere wandern durch ihre „Reviere“ und nutzen dazu immer wieder dieselben Routen, diese werden Wildwechsel genannt. Wenn Wildwechsel durch Straßen, Bahnlinien oder Kanälen getrennt werden, versuchen die Tiere dennoch der Route zu folgen. Sie werden von Fahrzeugen erfasst oder ertrinken im Wasser. Selbst tote Fledermäuse findet man an Straßen und Schienen. Durch die Kollisionen werden auch Schäden an den Fahrzeugen verursacht die erhebliche Kosten nach sich ziehen.

Darum wurde bereits im Jahr 1972 ein Tierschutzgesetz eingeführt. Es gibt vielerlei Möglichkeiten den Tieren eine Querung von Verkehrswegen zu ermöglichen. Angefangen mit einfachen Durchlässen, Röhren für Amphibien sowie anderen Kleintieren oder Wildschutzzäunen und endet mit so genannten Grünbrücken (Bild 1).

Damit die Tiere diese Querungshilfen auch finden werden Irritationsschutzeinrichtungen daneben und darauf errichtet. Diese finden jedoch nicht immer Akzeptanz in der Bevölkerung, sodass sich Bauverwaltungen oft Kritik gefallen lassen müssen.

Arten von Querungshilfen

Wie und wo Querungshilfen angelegt werden regelt das Merkblatt „M AQ – Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswege das im Vernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aufgestellt wurde. Darin werden folgende Definitionen gewählt [1]:

„..… Irritationsschutzwände, Überflughilfen, Leit- und Sperr-einrichtungen“.

Irritationsschutzwände

So werden Wände genannt, die sich auf Überführungen quer zur Straße bzw. oberhalb von Unterführungen längs zur Straße befinden. Diese dienen zum Schutz der querenden Tiere vor störenden Einflüssen wie insbesondere Lärm und Licht. Irritationsschutzwände auf Talbrücken oder Gewässerunterführungen können durch winddurchlässige Wandelemente zum Schutz vor Kollisionen erhöht werden.

Überflughilfen

Wände, die im Mittelstreifen zweibahniger Straßen bzw. längs von Straßen zum höheren Überflug von Fledermäusen oder Vögeln dienen, werden Überflughilfen genannt. Die Tiere werden vor Kollisionen im Straßenverkehr geschützt, wenn keine geeignete Über- oder Unterführung vorhanden ist und keine Pflanzungen mit gleichem Zweck möglich sind.

Leit- und Sperreinrichtungen

Leit- und Sperreinrichtungen sind Zäune oder Wände, z. T. mit winddurchlässigen Wandelementen (z.B. Wände mit aufgesetztem Drahtgeflecht) längs von Straßen zur Vermeidung des Überflugs an ungeeigneten Stellen und Lenkung zu einer günstigen Querungsmöglichkeit, wenn keine Pflanzungen mit gleichem Zweck möglich sind.

Irritationsschutz gleich Lärmschutz

Irritationswände dienen den Tieren gleichzeitig auch dem Schutz vor Verkehrslärm. Darum werden oftmals Lärmschutzwände als Irritationsschutz errichtet. Damit ist zu erklären, warum in dem im August 2018 erschienen „M EBGS-Lsw – Merkblatt über Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen für Gründungen und Stahlpfosten von Lärmschutzwänden und Überflughilfen an Straßen“ Überflughilfen bei den Lärmschutzwänden mit erscheinen [2]. Auch dieses Merkblatt wurde von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswege im Vernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erstellt. Es verweist auch auf die Richtzeichnungen LS1 bis LS26 des Ministeriums und hat unter anderem die Definitionen aus dem Merkblatt „MAQ“ übernommen.

In dem Merkblatt „M EBGS-Lsw“ werden neben den Lärmschutzwänden im Anhang E zwei offene Systeme beschrieben .

Unter Punkt E2.1-E2.3 wird der Gitterzaun beschrieben(Bild 2), welcher dem Grunde genommen einer Lärmschutzwand ähnelt jedoch licht- und winddurchlässig ist.

Bild 2 Der Gitterzaun fungiert als Lärmschutzwand, ist jedoch licht- und luftdurchlässig. Quelle: Schäfer

Bild 2 Der Gitterzaun fungiert als Lärmschutzwand, ist jedoch licht- und luftdurchlässig.

Foto: Schäfer

Als Beispiel ist hier eine „Kollisionsschutzwand“ an der B6 bei Kobbensen mit 30 cm * 30 cm Welldrahtgitter im Stahlrahmen dargestellt(Bild 3).

Quelle: Schäfer

Bild 3 Kollisionsschutzwand an der B6 bei Kobbensen mit 30*30 Welldrahtgitter im Stahlrahmen

Foto: Eiffage Lärmschutz (früher BOS), Bad Oeynhausen

Unter Punkt E2.3-E2.4 wird der Maschendraht beschrieben (Bild 4), welcher dem Grunde nach einem Wildschutzzaun entspricht, jedoch wesentlich engere Maschen hat.

Bild 4 Wildschutzzaun mit wesentlich engerer Maschenweite vereint Lärmschutz und Wildschutz. Quelle: Schäfer

Bild 4 Wildschutzzaun mit wesentlich engerer Maschenweite vereint Lärmschutz und Wildschutz.

Foto: Schäfer

Ein Anwendungsbeispiel zeigt eine „Fledermausüberflughilfe“ an der A44 bei Witten mit 25 cm* 25 cm Maschendrahtgeflecht (Bild 5).

Beispiel einer Fledermausüberflughilfe an der A44 bei Witten mit 25*25 Maschendrahtgeflecht.

Bild 5 Beispiel einer Fledermausüberflughilfe an der A44 bei Witten mit 25*25 Maschendrahtgeflecht.

Foto: Eiffage Lärmschutz (früher BOS), Bad Oeynhausen

Des Weiteren wird im Merkblatt „M EBGS-Lsw“ in Anhang F unter Punkt F2 die Ermittlung der Einwirkungen (Windlasten) behandelt, welche sich auf die DIN EN 1991-1-4/NA „Windlasten“ bezieht. Folgender Auszug aus dem Merkblatt [2]:

„…… F.2 Windlasten für zaunartige Querungs- und Überflughilfen

Dieser Abschnitt behandelt durchlässige Anlagen mit Völligkeitsgraden φ< 0,8 (siehe Beispiel Anhang H 3).

Die Windlasten sind nach DIN EN 1991-1-4:2010/NA Abschnitt 3 bis 6 und 7.11 bzw. DIN EN 1991-1-4:2010/NA unter Berücksichtigung der Windzonen nach dem Anhang NA-A, Bild NA-A, Al zu ermitteln. Für die Ermittlung der Geschwindigkeitsdrücke qref ist die Differenzhöhe ze zwischen Oberkante der Anlage und der jeweiligen Bezugsunterkante anzusetzen. Für die Bezugsunterkante gelten die gleichen Regeln wie für Lärmschutzwände (siehe F.1.2)[3].

Die Beiwerte für den Winddruck auf Einzelbauteile wie Pfosten sind mit cf = 2,0 anzunehmen. Wegen der im Allgemeinen geringen Versperrung der hier behandelten Anlagen ist der Abminderungsfaktor ψ λ grundsätzlich mit 1,0 anzusetzen.

Dynamische Windbeanspruchungen müssen für die Verankerung in geeigneter Form (Berücksichtigung des Böenreaktionsfaktors gemäß DIN EN 1991-1-4:2010 bzw. DIN EN 1991-1-4/NA Anhang NA-C) berücksichtigt werden. Bei üblichen Abmessungen der Überflughilfen (h ≤ „Höhe des Lichtraumprofils“) und Eigenfrequenzen der Wand größer als 2,0 Hz darf ein dynamischer Faktor von 1,0 angesetzt werden.

Wenn ein Bewuchs der Anlage nicht ausgeschlossen werden kann, ist die Anlage wie eine geschlossene Wand zu behandeln. ……..“

Wie im vorangegangenen Auszug beschrieben wurde, gibt es ein ausführliches Rechenbeispiel, das im Anhang H3 des Merkblattes „M EBGS-Lsw“ nachgelesen werden kann (siehe [2]).

Fazit

Um vergleichbare Angebote im Wettbewerb zu erhalten und Kosten bereits im Planfeststellungsverfahren klar definieren zu können, wünscht sich die Lärmschutzbauindustrie (Deutscher Verband für Lärmschutz an Verkehrswegen e.V. – DVLV) noch weitere Spezifikationen ähnlich wie die Richtzeichnungen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auch für Überflughilfen.

Literatur

  1. Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen MAQ; Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Straßenentwurf FGSV (2008).
  2. FGSV 552: M EBGS-Lsw – Merkblatt über Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen für Gründungen und Stahlpfosten von Lärmschutzwänden und Überflughilfen an Straßen, (2018).
  3. DIN EN 1991-1-4/NA:2010-12: Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 1-4: Allgemeine Einwirkungen – Windlasten. Berlin: Beuth-Verlag 2010.
Von Dipl.-Ing. Dirk Schäfer

Dipl.-Ing. Dirk Schäfer, Baubüro Schäfer, Mitglied im DVLV