Besseres Design von Lärmschutzwänden
Straßenlärm ist eine wesentliche Quelle von gesundheitsschädlichem Lärm im urbanen Umfeld. Die übliche Gegenmaßnahme besteht in der Installation von Lärmschutzwänden, deren zulässige Höhe und damit verbundene Effektivität allerdings begrenzt ist. In dieser Studie wurde untersucht, welche Änderungen bestehender Lärmschutzwände sich für eine zusätzliche Schalldämpfung eignen. Dabei wurden, mit Hilfe numerischer Simulation, verschiedene Lärmschutz-Topps, welche auf bestehende Wände aufgesetzt werden können, überprüft. Ziel dieser Untersuchung war in erster Linie der Vergleich zwischen verschiedenen Ausführungen der Topps (L-, T-(in 2 Größen), Watts) und ein Abgleich der Simulation mit gemessenen Daten. Die Studie offenbart das große Potenzial numerischer Simulation für die Optimierung von Lärmschutzelementen, da ein Berechnungsmodell die Anzahl an zu testenden Prototypen und durchzuführenden Messungen signifikant reduzieren kann.
Straßenlärm gehört zu den dominierenden Lärmquellen in Deutschland. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Belastung auf den Straßen stetig gewachsen, vor allem durch die Zunahme des Fahrzeugbestands und aufgrund höherer Fahrleistungen, insbesondere auf den Autobahnen. Dabei setzt sich der emittierte Lärmpegel aus verschiedenen Quellen zusammen, darunter Antriebs- und Rollgeräusche sowie Aerodynamikgeräusche. Auch bei den möglichen Schutzmaßnahmen gibt es unterschiedlichste Möglichkeiten. Diese reichen von Schallschutzwällen oder -wänden bis hin zu Straßentunneln [1]. Sollen bestehende Lärmschutzmaßnahmen verbessert werden, so sind die Möglichkeiten aufgrund der Einhaltung restriktiver Vorgaben, insbesondere der Maximalhöhe der Lärmschutzwände, meist sehr eingeschränkt. Daher ist es umso wichtiger zu wissen, welche Maßnahmen im Rahmen der gegebenen Optionen die beste Lösung bieten.
Eine Möglichkeit, bestehende Schallschutzwände zu verbessern ist das Aufsetzen zusätzlicher sogenannter Topps. Diese gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen (Bild 1),
z. B. als T- oder L-Formen und Variationen davon. Da Schallschutzmaßnahmen in der Regel aufwendig und sehr teuer sind, ist es wichtig schon vor der Umsetzung zu wissen, welche Maßnahme die besten Ergebnisse liefert.
Zur Beurteilung der einzelnen Verbesserungsmaßnahmen wurden verschiedene Topps für Lärmschutzwände virtuell überprüft und ihre jeweilige Effizienz miteinander verglichen. Darüber hinaus wurden die Simulationsergebnisse mit experimentellen Messdaten verglichen, um eine Aussage über die Ergebnisgüte zu erhalten. In der durchgeführten Studie wurde die Schalldämpfung von vier unterschiedlichen Lärmschutz-Topps (L-, T-(in 2 Größen), Watts [3]) an Wänden gleicher Höhe numerisch berechnet und mit in-situ Messungen derselben Typen verglichen.
Das Berechnungsmodell/ FEM vs. BEM
Beim Aufbau des Simulationsmodells wurde ein hybrides FEM-BEM Modell verwendet und die Ergebnisse mit einem bereits vorhandenen, rein auf FEM basierenden Modell verglichen. Die Boundary Elemente Methode (BEM) bietet im Vergleich zur Finiten Elemente Methode (FEM), insbesondere hinsichtlich Modellgröße und Rechengeschwindigkeit, verschiedene Vorteile. Durch die Berechnung der Anwendung mit beiden Varianten des Modells sollten außerdem zusätzliche Erkenntnisse über die Ergebnisgüte und Handhabung der beiden Modellierungsmethoden gewonnen werden. Die Möglichkeit, BEM mit FEM zu koppeln, bietet eine äußerst vielseitige Simulationsumgebung für die unterschiedlichsten Anwendungen. Akustikingenieuren stehen damit umfassende Modellierungsmöglichkeiten zur Verfügung, mit denen sie die komplette Bandbreite akustischer Frequenzen – vom tiefsten Bass bis hin zu Ultraschall in kurzer Zeit analysieren können.
Der Modellaufbau des hybriden FEM-BEM Modells gestaltete sich sehr intuitiv (Bild 2).
Es wurden ein 2D Schnitt der Straße, der Lärmschutzwand sowie die Punktquellen für den Schall in beiden Richtungen der Fahrbahn verwendet. Der Empfänger wurde 20 m hinter der Lärmschutzwand positioniert. Darüber hinaus wurden verschiedene Impedanzen für Asphalt, Gras und die Lärmschutzwand selbst berücksichtig. Mit diesem Modell-aufbau wurden die vier Topp-Varianten (Bild 3)
jeweils mit dem FEM und dem hybriden FEM-BEM Modell berechnet und die Ergebnisse in Form des Schalldruckpegels im Empfängerbereich verglichen.
Simulationsergebnisse und Abgleich mit Messdaten
Der direkte Vergleich der Simulationsergebnisse für beide Modellierungsmethoden zeigte eine sehr gute Übereinstimmung des reinen FEM Modells mit den Ergebnissen des hybriden FEM-BEM Modells (Bild 4),
so dass an dieser Stelle bereits festgestellt werden konnte, dass grundsätzlich beide Methoden anwendbar sind. Der größte Unterschied war bei der eigentlichen Modellgröße erkennbar. Das hybride BEM Modell war um den Faktor 50 kleiner als das FEM Modell.
Hinsichtlich der berechneten Varianten erzielte die Watts-Ausführung die größte Verbesserung der Lärmschutzmaßnahmen für den betrachteten Frequenzbereich [160 2000] Hz. In Bild 4 beschreibt die y-Achse den Unterschied zur Referenz (flaches Panel) in dB, d. h. 0 dB bedeutet kein Unterschied zur Referenz, 4 dB bedeutet die Top-Ausführung bietet 4 dB mehr Schalldämmung. Minus 2 dB bedeutet entsprechend, dass die neue Ausführung weniger gut ist.
Im Anschluss an die Simulationen wurden die Ergebnisse mit realen Messdaten verglichen. Dazu wurden Messdaten der dänischen Straßenverkehrsbehörde herangezogen, die in einem Feldversuch genau die beschriebenen Topp-Varianten als Prototypen erstellt und experimentell vermessen hatte (Bild 5[4]).
Der größte Insertion Loss von ca. 3 dB gegenüber einer flachen Wand erzielte die Watts-Ausführung, die anderen Varianten fielen im Vergleich dazu deutlich ab (Bild 6).
Bei 2kHz schien es einen kleinen Unterschied zwischen Messungen und Simulation zu geben. Hier lag die Vermutung nahe, dass dies an der eingestellten Impedanz lag.
Fazit und Ausblick
Die Studie offenbart das große Potenzial, das die numerische Simulation für die Optimierung von Lärmschutzelementen bietet. Ein signifikanter Vorteil ergibt sich allein schon daraus, dass ein Modell die Anzahl an zu testenden Prototypen und durchzuführenden Messungen deutlich reduzieren kann. Die Ergebnisse zeigen, dass die Simulation eine enorme Hilfestellung leisten kann, wenn es darum geht verschiedene Verbesserungsmaßnahmen für Lärmschutzwände sowohl qualitativ als auch quantitativ zu beurteilen. Daher ist es sinnvoll, im Vorfeld eines Lärmschutzprojektes ein Simulationsmodell zu erstellen und dieses virtuell zu testen bevor ein kostspieliger realer Prototyp gebaut, montiert und anschließen messtechnisch überprüft wird.
Bezüglich der angewandten Methoden (FEM vs. FEM-BEM) lässt sich feststellen, dass die Ergebnisse nah beieinander liegen. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Methoden lag im vorgestellten Beispiel in der Modellgröße (Faktor 50) und weniger bei der Berechnungszeit. Dies ist jedoch vor allem dem relativ kleinen 2D Modell geschuldet. Bei einem vollständigen 3D-Modell, bei dem die Lärmschutzwand dem Straßenverlauf folgt, würde der Unterschied in der Berechnungszeit sehr viel größer ausfallen. Aufgrund der sich daraus ergebenden Modellgröße und dem entstehenden Berechnungsaufwand wäre ein reines FEM Modell deutlich aufwendiger.
Die in COMSOL verfügbare Boundary Elemente Methode und insbesondere die Kopplung mit FEM in einem Hybrid-Modell bietet die Möglichkeit, sich der Vorteile beider Ansätze zu bedienen. So können auch sehr große Modelle, die im reinen FE-Umfeld für aktuelle Workstations zu berechnungsintensiv wären, sehr schnell berechnet werden. Eine weitere Stärke der Software ist die Multiphysik und die Kopplung unterschiedlicher physikalischer Phänomene, dadurch kann beispielsweise die Akustik mit der Strukturmechanik, der Strömungsmechanik oder dem Wärmetransport gekoppelt werden. Bei diesem Projekt kam jedoch seitens der Software lediglich das Akustikmodul zum Einsatz.
Neben den Simulationsmodellen wurde außerdem eine App erstellt, mit der das Modell auch von Nicht-Experten bedient und Simulationen durchgeführt werden können. Dafür nutzten die Ingenieure den COMSOL Application Builder. Die Nutzer der App haben Zugriff auf verschiedene Modellparameter, wie die Schallquellen (Anzahl, Art und Entfernung), können diese ändern und die neue Konfiguration berechnen. Die eigentliche Berechnung läuft auf einem Server, die Ergebnisse werden wiederum in der App dargestellt. Derzeit stehen über die App die vier hier vorgestellten Topps als Varianten zur Verfügung, bei Bedarf könnte man die Bibliothek erweitern oder auch die gesamte App entsprechend kundenspezifischer Wünsche anpassen (Bild 7).
Bei einer Weiterentwicklung des Simulationsmodells für einen konkreten Anwendungsfall könnten darüber hinaus schallabsorbierende Oberflächen berücksichtigt werden, was die Lärmreduzierung sicherlich weiter verbessern würde. Auch die bisher aus der Literatur gewählten Impedanzen, z. B. für den Asphalt der Straße, könnten weiter spezifiziert und variiert werden, um auch hier genauere Ergebnisse abzuleiten und den Einfluss der Impedanzen besser zu beurteilen. Der nächste große Schritt einer möglichen Modellerweiterung wäre eine automatisierte Formoptimierung, bei der lediglich der Bauraum angegeben wird und das Optimierungsmodul die ideale Form, bei der an einem Messpunkt der geringste Schalldruck entsteht, berechnet.
Die virtuelle Auslegung und Beurteilung von Schallschutzmaßnahmen, sei es Verbesserungsmaßnahmen von bestehenden oder neu zu errichtenden Schallschutzwänden, bietet verschiedensten Branchen enorme Zeit- und Kosteneinsparpotenziale, allen voran die für den Verkehr zuständigen Behörden aber auch in anderen Bereichen, wie z. B. beim Arbeitsschutz ergeben sich unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten.
Literatur
- Pigasse, G.; Kragh, J.:Optimised noise barriers – a state-of-the-art report. Copenhagen: Danish Road Directorate, (2011)Report 194
- Ekici, I.; Bougdah, H.: A review of research on environmental noise barriers. Building Acoustics (2003), 10(4): S. 289-323
- Watts G.: “Acoustic performance of traffic noise barriers. A state-of-the art review”,. Proceedings Eurosymposium on the Mitigation of Traffic Noise in Urban Areas, (1992) S. 219 – 246, Nantes, France.
- Kragh, J.; S.H. Skov R.: Modified Barrier Tops: In-situ measurements of traffic noise attenuation by barriers with special tops. Copenhagen: Danish Road Directorate, (2013) Report 539.
Gilles Pigasse, Technical Sales Engineer Comsol Multiphysics GmbH, Göttingen