Lärmmanagement abgestellter Züge
Die Lärmbelastung durch abgestellte Züge nimmt zu. Ursächlich sind die Erschließung städtischer Gebiete in unmittelbarer Nähe zu bestehenden Abstellgleisen und die zunehmende Anzahl moderner Nahverkehrszüge (Triebzüge), die aus beförderungsvertraglichen oder betrieblichen Gründen oft in einem Zustand der Betriebsbereitschaft in dicht besiedelten Gebieten abgestellt werden. Dass moderne Triebzüge mit ihrer Vielzahl an technischen Aggregaten im abgestellten Zustand deutlich mehr Lärm verursachen können als ältere Zugtypen, hat bislang in Ausschreibungen und Beschaffungsspezifikationen zu wenig Beachtung gefunden. Im Rahmen einer für den internationalen Eisenbahnverband (UIC) erstellten Studie [1] zum Lärmmanagement abgestellter Züge wurden die Problemstellungen analysiert und die lärmrelevanten Prozesse bei der Fahrzeugabstellung identifiziert. Weiter wurden lärmmindernde Maßnahmen und Strategien ermittelt und zusammengefasst und eine Kosten-Nutzen Analyse erstellt.
Besonders in dicht besiedelten Gebieten besteht eine hohe Nachfrage und teils auch eine deutliche Abhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine sehr große Bedeutung kommt dabei dem Schienenpersonennahverkehr zu, der insbesondere für regelmäßige und zuverlässige Verbindungen zu den Hauptverkehrszeiten und Beförderung ab den frühen Morgenstunden bis spät in die Nacht geschätzt wird [2]. Der sich hieraus ergebende hohe Bedarf an Zügen sowie deren schnelle Verfügbarkeit spielen dabei eine wesentliche Rolle zur Einhaltung der Beförderungsverträge und der betriebswirtschaftlichen Nutzung. Die Nachtabstellung erfolgt somit häufig im oder nahe dem Streckennetz und damit auch in dicht besiedelten Gebieten. Über kürzere Zeiträume oder über Nacht werden viele Züge in einem Parkmodus abgestellt, in dem die Energieversorgung über Stromabnehmer aufrecht erhalten bleibt, um beispielsweise den Fahrgastinnenraum dauerhaft zu klimatisieren oder auch um Reinigungs- oder kleinere Wartungsarbeiten am Zug durchzuführen. Der Lärm dieser abgestellten Züge kann in angrenzenden Wohngebieten zu Lärmbelästigung oder auch Beeinträchtigung der Nachtruhe führen [3].
Die Lärmursachen im Abstellbetrieb sind vielfältig. Ein effektives Lärmmanagement findet in der Regel nicht statt, da unterschiedliche Parteien an der Fahrzeugausschreibung, der Fahrzeugbeschaffung sowie am Betrieb beteiligt sind. Auch sind die Infrastruktur-Manager in der Regel für die Zuweisung der Abstellorte verantwortlich; an sie richten sich daher auch üblicherweise alle Beschwerden bezüglich der Lärmbelästigung durch abgestellte Züge. Für einen Großteil der eigentlichen Lärmquellen, dem Betrieb der technischen Aggregate auf den Zügen, sind aber Betreiber bzw. Eigentümer der Züge zuständig.
Entscheidend für den verursachten Lärm während der Abstellung sind die Aggregate und deren Betriebszustand während der Fahrzeugabstellung. Zusätzlich sind auch die Ankunft und insbesondere die Abfahrt der Züge mit Lärm verbunden. Vor allem das lärmintensive Aufrüsten der Fahrzeuge vor der Abfahrt führt vielerorts zu Beschwerden, da dies für die früh verkehrenden Züge in die kritische Nachtzeit fällt.
Lärmrelevante Prozesse und Quellen
Die nachfolgend beschriebenen Abstellzustände, lärmrelevanten Prozesse und Lärmquellen wurden aus einer Literaturstudie, der Auswertung von Fragebögen, die an Fachexperten verschickt wurden, und dem Durchführen von Telefoninterviews mit Experten für Bahnlärm und Bahninfrastruktur gewonnen [4 bis 7]. Ein Fokus wurde nach Vorauswertung der Daten auf Personenzüge gelegt.
Folgende technischen Aggregate sind die am häufigsten benannten lärmrelevanten Quellen von abgestellten Personenzügen:
Klimaanlage: Sie dient der Temperierung des Zuginnenraums, oft auch während der Abstellung. In diesem Fall reduziert sich die Zeit für die Aufrüstung des Fahrzeugs bis zur vollständigen Fahrbereitschaft. Die Klimaanlage trägt vor allem durch den Lüfter und den Klimakompressor zum Abstelllärm bei. Mehrere gleichzeitig laufende Klimakompressoren mit leicht unterschiedlichen Drehzahlen können auch Schwebungseffekte verursachen, die zusätzlich als besonders störend empfunden werden. Das impulshafte Ausblasen des Kondensats am Lufttrockner des Klimakompressors am Ende jedes Verdichtungsprozesses kann zu hohen impulsartigen Schalldruckpegeln führen.
Lüfter und Pumpen: Sie werden zur Kühlung von Fahrzeugaggregaten wie Generatoren, Antriebe, Fahrmotoren, Transformatoren, Umrichtern usw. eingesetzt.
Hauptkompressoren: Sie dienen der Aufrechterhaltung des Betriebsdrucks und liefern u. a. den Druck zum Öffnen der Türen und den Kontakt des Pantografen zum Fahrdraht. Kompressorbetrieb wird in der TSI [8] als Hauptquelle für intermittierenden Schall stehender Schienenfahrzeuge identifiziert.
Auslassventile des Lufttrockners: Sie erlauben das Ausblasen des Kondenswassers aus der getrockneten komprimierten Luft und sind Bestandteil von Klima- und Hauptkompressoren. Letztere sind in der TSI [8] als Hauptquelle für impulsförmige Geräusche benannt.
Energieversorgung: Diese umschließt alle im Abstellprozess eingesetzten Quellen (Dieselmotoren, Generatoren, Batterien, Stromabnehmer usw.) zur Bereitstellung von Energie auf dem Fahrzeug. Die zugehörigen Schallquellen hängen von der Art der Energieversorgung ab und umfassen neben den Quellen selbst auch Transformatoren, Stromwandler, Lüfter, Pumpen und wie im Fall einer Energieversorgung über den Stromabnehmer, auch Kompressoren.
Wie störend die einzelnen Schallquellen subjektiv wahrgenommen werden, hängt auch davon ab, ob tonale oder impulshaltige Komponenten im Geräusch enthalten sind [3; 9].
Neben den verbauten Schallquellen und angewandten schallmindernden Maßnahmen ist vor allem der Abstellzustand des Fahrzeugs relevant. Die am häufigsten verwendeten Abstellzustände für Personenzüge sind :
Der Stillstand bezeichnet den Zustand in dem sich z. B. ein haltendes Fahrzeug befindet. Es besteht eine prinzipielle Betriebsbereitschaft und die Motoren laufen im Leerlauf. Der Betrieb einzelner Aggregate kann gedrosselt sein. Der Stillstand ist für den Halt und die kurzzeitige Abstellung der Fahrzeuge z. B. an Endhaltestellen gedacht, wird teils aber auch für kürzere Abstellungen an anderen Orten verwendet. Die Lärmemission in diesem Zustand entspricht am ehesten dem nach der TSI-Lärm [8] definierten Standgeräusch.
Abgeschaltet bezieht sich auf den Zustand, in dem das Fahrzeug und alle auf ihm zur Verfügung stehenden Aggregate ausgeschaltet sind. Während der Abschaltung treten keine Geräuschemissionen auf. Zur Wiederinbetriebnahme muss ein Aufrüstungsprozess durchlaufen werden, in dem der Systemdruck aufgebaut und eventuell notwendige Sicherheitstest, wie Bremstests, durchgeführt werden müssen. Dieser Prozess ist aufgrund eines längeren Kompressor-Einsatzes und der impulshaften Kondensat/Luft-Ausblasung als besonders lärmintensiv zu bewerten. Für Elektrofahrzeuge bedarf es zudem einer Energieversorgung (Batterie, Generator, externe Stromversorgung), um den für den Stromabnehmer notwendigen Druck aufzubauen.
Schlummern bezeichnet einen auf Energieverbrauch optimierten Parkzustand des Fahrzeugs. Dieser umfasst den gesamten Abstellvorgang von der Ankunft bis zur Abfahrt des Zuges. Definiert ist dieser Zustand bislang nur für einige elektrisch angetriebenen Züge. Im Schlummerzustand bleibt der Stromabnehmer am Fahrdraht und versorgt das Fahrzeug mit Energie. Alle notwendigen Aggregate werden in einem Minimalmodus betrieben, der beispielsweise eine Absenkung der Versorgungsdruck-Hysterese von 8 bis 10 bar auf 6 bis 8 bar vorsieht, um damit geringere Druckverluste und weniger Kompressor-Zyklen zu erwirken. Weitere Optimierungsmöglichkeiten ergeben sich aus dem Abschalten des Klimakompressors und der Kühlung des Innenraums ausschließlich über Frischluft. Der Aufrüstungsprozess zur Wiederinbetriebnahme des Fahrzeugs läuft automatisiert ab und ist ebenfalls auf Energieverbrauch und Lärmemissionen optimiert.
Parken ist ein nicht klar definierter Zustand zwischen Schlummern und Stillstand. Die Aktivität der Aggregate während der Abstellung und damit auch die Lärmemissionen variieren stark, abhängig von den jeweiligen Software-Einstellungen. Genauso ist der Aufrüstungsprozess zur Wiederinbetriebnahme der Fahrzeuge stark abhängig vom Zustand der vorhergehenden Abstellung.
Zusätzlich zu den oben erwähnten Abstellzuständen und Geräuschquellen verursacht auch die Ankunft und Abfahrt eines Zuges Lärm, der sich primär aus Roll-, Brems- und Anfahrgeräuschen sowie möglicherweise Kurvenquietschen, Spurkranzanlaufen sowie An- und Abkopplungsgeräuschen [6; 10] ergibt. Rangiergeräusche wurden in dieser Studie nicht behandelt.
Gesetzgebung
Regulierungen der fahrzeugseitigen Lärmemissionen im Schienenverkehr erfolgen in Europa im Allgemeinen über die von der Europäischen Kommission veröffentlichte technische Spezifikation für Interoperabilität TSI-Lärm [8]. Die TSI-Lärm findet Anwendung bei der Zulassung von Neufahrzeugen oder wesentlicher Änderungen der Fahrzeuge. Hierin werden akustische Grenzwerte für Vorbeifahrt-, Anfahrt- und Standgeräusche der verschiedenen Zugkategorien definiert. Das Abstellgeräusch und auch der Aufrüstungsprozess sind nicht Bestandteil der TSI-Lärm, womit die Lärmemissionen abgestellter Züge nicht über die TSI-Lärm abgedeckt sind. Neu hinzugekommene akustische Grenzwerte für den Hauptkompressor und das Ausblasen des Kondensats in der TSI-Lärm begrenzen zwar die maximale Schallemission im Stillstand, lassen aber keine Aussagen über einen längeren Zeitabschnitt zu, da weder die Länge noch die Frequenz der Kompressorzyklen ermittelt werden. Bestandsfahrzeuge werden in der TSI-Lärm nicht behandelt.
Immissionsgrenzwerte entlang der Verkehrswege werden durch nationale Vorschriften festgelegt, in Deutschland durch die sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (16. BImSchV). Sie kommen bei neu erbauten oder wesentlich veränderten Verkehrswegen zur Anwendung. An Eisenbahnstrecken, die bereits vor dem Erlass des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestanden, besteht laut Eisenbahnbundesamt (EBA) kein rechtlicher Anspruch auf Einhaltung dieser Grenzwerte. Lärm, der durch Aggregate und Anfahrten von Schienenfahrzeugen in Abstellanlagen verursacht wird, unterliegt nach einer Revision der 16. BImSchV nun der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm). Grenzwerte sind Mittelwerte für den Nacht- und Tagzeitraum sowie den Charakter des Gebiets (Gewerbegebiet, reines Wohngebiet, Mischgebiet usw.). Eine Beurteilung bestehender Anlagen erfolgt bei Genehmigungsbedürftigkeit, z. B. durch wesentliche Umbauten.
Lärmminderungsmaßnahmen und Strategien
Die im Folgenden benannten Maßnahmen und Strategien zur Minderung des Lärms abgestellter Züge wurden aus der durchgeführten Literaturstudie, insbesondere [4 bis 7], und den Antworten in den Fragebögen und Telefoninterviews abgeleitet. Es wird in drei Kategorien unterschieden: Technische Maßnahmen, betriebliche Maßnahmen und infrastrukturelle Maßnahmen.
Technische Maßnahmen
Technische Maßnahmen mindern den Lärm der Quellen (Aggregate) des Zuges. Sie umfassen die folgenden Maßnahmen und finden auf Neufahrzeugen Anwendung, können teils aber auch für existierende Züge nachgerüstet werden.
Der optimierte Abstellzustand bezeichnet eine Softwareseitige Optimierung der Lärmerzeuger (Aggregate) für den gesamten Abstellvorgang. Dieser Prozess wird auch als Retrofit der Steuersoftware bezeichnet. In der Praxis kann eine verringerte Lüfterdrehzahl, eine Absenkung der Betriebsdruckhysterese des Hauptkompressors oder auch ein Verzicht auf den Klimakompressor und somit eine Innenraumkühlung ausschließlich über Außenluft die gewünschten Minderungen bewirken. Die Lärmoptimierung geht häufig einher mit einer Reduzierung des Energieverbrauchs. Der Nutzen der Maßnahme ist gering bis mittel, da eine starke Abhängigkeit zur Qualität der verbauten Aggregate und deren Geräuschemission besteht. Die Kosten für die Maßnahme sind moderat bis hoch, abhängig davon, ob eine Softwareänderung zur Lärmoptimierung einen zulassungsrelevanten Eingriff bedeutet und damit eine erneute Zulassung erforderlich macht.
Kapselungen beispielsweise des Klima- oder Hauptkompressors oder der Motoren können den Lärm erheblich reduzieren. Eine Kapselung in der Planungsphase des Zuges hat generell ein größeres Lärmminderungspotenzial und ist ebenfalls günstiger als eine Nachrüstung auf bestehenden Fahrzeugen. Der Nutzen kann mit Blick auf den gesamten Abstellvorgang als mittel bezeichnet werden. Die Kosten sind mittel bis hoch.
Schalldämpfer kommen vor allem auf den Auslassventilen der Kompressoren, an Bremsventilen (Dämpfung des lauten impulshaften Geräuschs beim Ablassen des Drucks) und bei Lüftern zum Einsatz. Die Kosten sind moderat und der Nutzen insgesamt mittel.
Retrofit bezeichnet das Nachrüsten und Austauschen einzelner Komponenten mit leiseren Komponenten. Die Kosten hierfür sind meist hoch, der Nutzen ist mittel bis hoch, abhängig von der Möglichkeit der Nachrüstungen.
Die Wartung aller Aggregate in regelmäßigen Abständen kann helfen, dass diese wie vorgesehen funktionieren und keine zusätzlichen Geräusche durch Fehlfunktionen hinzukommen. Der Nutzen ist gering, da aus Sicherheitsgründen bestimmte Wartungsintervalle ohnehin einzuhalten sind und die Wartung nur bei Defekten, die die Geräuschemission erhöhen, zur Reduktion der Schallemissionen beiträgt. Die Kosten sind mittel.
Generell ist es von höherem Nutzen und kostentechnisch vorteilhafter, wenn die quellseitigen Lärmminderungsmaßnahmen bereits während der Konstruktionsphase des Zuges mit berücksichtigt wurden. Das bedingt, dass ein entsprechendes Lärmmanagement bereits in den Ausschreibungsprozess mit einbezogen wird. Eine Forderung nach Einhaltung der TSI-Lärm in der Ausschreibung ist im Hinblick auf das Abstellgeräusch nicht ausreichend.
Betriebliche Maßnahmen
Betriebliche Maßnahmen beziehen sich in der Regel auf bestimmte Immissionsorte für die die Lärmbelastung gesenkt werden soll. Sie umfassen damit vor allem eine Lärmoptimierung der betrieblichen Prozesse am Abstellort und Umpositionierung der Geräuschquellen.
Lärmoptimierte Fahrzeugabstellung bezeichnet die Platzierung einer gegebenen Anzahl an Schienenfahrzeugen derart, dass sich ein Minimum an Lärm an den Immissionsorten ergibt. Die Quellen müssen hierzu bekannt sein. Da sich die gesamte Schallemission nicht ändert, ist der Nutzen eher gering. Ebenso sind auch die Kosten eher gering. Zu beachten ist, dass die Lärmoptimierung auch die Ankunft und Abfahrt der Züge mit berücksichtigen muss. Rangierbewegungen sollten dabei möglichst vermieden werden.
Abschirmung mit leiseren Fahrzeugen ist eine vereinfachte Version der oben genannten lärmoptimierten Fahrzeugabstellung, in der besonders laute Züge mit leisen oder akustisch neutralen Zügen abgeschirmt werden sollen. Der Nutzen ist gering, da sich der Schall durch andere Züge nicht effizient abschirmen lässt und der Schall durch nahestehende Züge reflektiert wird. Geräuschquellen auf dem Dach des Zuges (typisch für moderne Elektrotriebzüge) werden aufgrund ihrer exponierten Position so gut wie gar nicht abgeschirmt.
Die Optimierung der Betriebsprozeduren betrifft vor allem das Zugpersonal. Dieses kann unterwiesen werden, an besonders geräuschsensitiven Orten entsprechende betriebliche Maßnahmen zu ergreifen, wie beispielsweise das Abschalten oder Herunterregeln von geräuschrelevanten Aggregaten vor der Ankunft und Wiederinbetriebnahme erst nach Verlassen des Abstellorts. Für Fahrzeuge mit einem bereits automatisierten geräuschoptimierten Abstellzustand wird sich hierdurch keine weitere Verbesserung ergeben. Der Nutzen ist oft eher gering. Die Kosten für eine entsprechende Unterweisung des Personals sind moderat.
Die Abstellung in anderen Abstellbereichen ist eine Maßnahme, die helfen kann, die Lärmbelastung in besonders sensitiver Umgebung zu verringern. Das größte Potenzial gibt es dabei, wenn einzelne laute Züge die dominanten Lärmquellen bilden und diese an wenig sensitiven Orten abgestellt werden können. Der Nutzen ist damit stark von adäquaten Abstellalternativen in der Umgebung abhängig. Sollten diese nicht vorhanden sein, ergeben sich längere Dienstzeiten des Personals durch das Abstellen an entfernteren Orten und damit deutlich gesteigerte Kosten.
Mittels Rückmelde-/Beschwerdesysteme können Anwohner oder auch das Zugpersonal fehlerhaft laufende Aggregate und falsch abgestellte Züge melden. Solche Systeme können auch automatisiert werden, die Einbindung der Anwohner kann die Akzeptanz für Geräusche aus Abstellanlagen steigern. Der allgemeine Nutzen für die Lärmminderung ist gering, ebenso sind die Kosten eher gering.
Alle Maßnahmen, die zusätzliche Arbeitszeiten erfordern steigern die Betriebskosten und sind somit teuer. Betriebliche Maßnahmen können in erster Linie Schallquellen nur umpositionieren. Manuell vorgenommene Einstellungen auf dem Zug, die effektiv den Geräuschpegel mindern, können auch über die Softwaresteuerung automatisiert werden. Insbesondere in stark bevölkerten Gebieten werden betriebliche Maßnahmen damit nur von geringem Nutzen sein.
Infrastrukturelle Maßnahmen
Geräuschmindernde Maßnahmen auf der Seite der Infrastruktur umfassen vor allem Maßnahmen, die darauf abzielen, bestimmte Immissionsorte vor dem Lärm abzuschirmen.
Lärmschutzwände reflektieren und absorbieren den Schall und erzielen somit vor allem im Bereich direkt hinter der Lärmschutzwand eine lärmmindernde Wirkung. Aufgrund der Beugung und der hoch liegenden Schallquellen der Dachaggregate ist der Nutzen für entferntere Immissionspunkte oft gering. Das Errichten von Schallschutzwänden stößt immer wieder auf Widerstand, weil sie das Stadtbild und die Sicht nachhaltig verändern können.
Eine Zentrale Luft- und Stromversorgung bietet die Möglichkeit, entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge über externe Luftdruck- und Stromquellen am Abstellort zu speisen. Diese Maßnahme findet derzeit vor allem Anwendung bei Nah- und Regionalzügen mit Dieselantrieben, da diese aufgrund der tieffrequenten Lärmanteile oft als besonders störend wahrgenommen werden und durch ihr lokales Einsatzgebiet die Versorgung vieler Fahrzeuge durch wenige Versorgungsanlagen abgedeckt werden können. Die Kosten für eine solche externe Versorgung sind hoch, da neben den entsprechenden Anlagen geschultes Personal verfügbar sein muss. Der Nutzen ist mittel; zur Vermeidung von besonders lauten Störquellen wie Dieselmotoren kann der Nutzen höher sein.
Abstellhallen sind geschlossene Einhausungen, die die Schallausbreitung effektiv in alle Richtungen mindern. Die Kosten für eine Abstellhalle sind sehr hoch, vor allem wenn sie nur als Schallminderungsmaßnahme dient. Der Nutzen ist höher als bei allen anderen Maßnahmen.
Welche Maßnahmen tatsächlich sinnvoll sind und welche darüber hinaus ein gutes Kosten/Nutzen-Verhältnis aufweisen, hängt zusätzlich von spezifischen Randbedingungen ab.
Bewertung der Lärmminderungsmaßnahmen
Um eine Bewertung der oben angegebenen Lärmminderungsmaßnahmen geben zu können, wurde eine Umfrage bei Bahnakustikexperten durchgeführt. Hierbei wurde nach ihrer Einschätzung bezüglich Kosten und Nutzen der einzelnen Minderungsmaßnahmen gefragt.
Das Ergebnis ist im Bild grafisch dargestellt. Nach Einschätzung der meisten befragten Experten ist es demnach das bei weitem Sinnvollste, den von abgestellten Zügen verursachten Lärm bereits in der Ausschreibungsphase zu berücksichtigen und für Neufahrzeuge zu spezifizieren. Im Rahmen der Fahrzeugkonstruktion kann damit für Minderungsmaßnahmen wie Schalldämpfer und Kapseln der notwendige Raum vorgesehen werden. Beim Nachrüsten hingegen kann nur noch in geringem Umfang in die Konstruktion eingegriffen werden. Weiter werden bei der Berücksichtigung in der Ausschreibungsphase gegenüber dem Retrofit auch Kosten gespart, da zusätzliche Komponenten gekauft und verbaut werden müssen und entsprechend über die Software angesteuert werden, was evtl. zusätzliche Zulassungskosten nach sich ziehen kann.
Für die bestehenden Fahrzeuge ist ein Nachrüsten (Retrofit) mit Aggregaten, die aus akustischer Sicht dem Stand der Technik entsprechen, am sinnvollsten. Solche Nachrüstvorgänge umfassen dann leise Lüfter, Schalldämpfer, Kapseln sowie die Berücksichtigung lärmmindernder Betriebszustände in der Softwaresteuerung. Daneben sind vor allem teure Maßnahmen, wie der Bau von Schallschutzwänden, die Einrichtung zentraler Druck- und Stromversorgungen und das Verlegen lauter Züge in andere Abstellanlagen sinnvoll. Sind die betrieblichen Vorgänge am Abstellort noch nicht optimiert, so kann hier ebenfalls angesetzt werden, meist ohne erhebliche Kosten zu verursachen. Alle weiteren Maßnahmen, bis auf die Abstellhallen, zeigen kaum lärmmindernde Wirkung. Letztere ist aber als lärmmindernde Maßnahme extrem teuer und allenfalls bei weiteren Nutzungsmöglichkeiten wie der Nutzung als Wartungshalle sinnvoll.
Schlussfolgerungen und Leitfaden
Ein Leitfaden zum Lärmmanagement abgestellter Züge kann aus der Kosten-/Nutzen-Betrachtung abgeleitet und durch weitere Untersuchungen aus der Literatur ergänzt werden [6; 7; 11; 12]. Die folgende Liste ist eine gekürzte Zusammenfassung der im Forschungsbericht [1] aufgeführten Empfehlungen.
Der wichtigste Punkt ist die Berücksichtigung des von abgestellten Zügen verursachten Lärms bei der Neubeschaffung. Die derzeitig gültigen Gesetze sind nicht geeignet, Abstelllärm emissionsseitig sinnvoll zu begrenzen. Immissionsseitig greift die Gesetzgebung nur im Fall eines Neubaus oder einer erforderlichen Neubewertung bestehender Anlagen und beinhaltet für bestehende Abstellanlagen keine ausreichende Reglementierung des Abstelllärms. Hierbei ist wichtig, dass Grenzwerte für Abstellgeräusche (z. B. als zeitlich gewichtete Mittelwerte für den gesamten Zug und/oder für alle lärmrelevanten Aggregate) formuliert werden. Es sollten realistische Werte angegeben werden, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Schalldämpfer für das Auslassventil des Lufttrockners im Kompressor oder auch Kapselungen von Kompressoren oder Motoren können direkt gefordert werden. Nur so kann effektiv zukünftigen Konflikten vorgebeugt werden.
- Das Nachrüsten lauter Bestandszüge mit leisen Aggregaten, Schalldämpfern, Kapseln und/oder einer verbesserten Software- Steuerung für einen lärmoptimierten Abstellzustand sind die effektivsten Maßnahmen, um den Lärm an Abstellanlagen mit bestehenden Fahrzeugen zu reduzieren.
- Unnötige Zugbewegungen sollten im Abstellbereich vermieden werden.
- Abgestellte Züge sollten sich – wenn möglich – immer in einem geräuschmindernden Abstellzustand befinden. Dieser kann herstellerseitig vorgegeben werden. Es sollte auch darauf geachtet werden, dass sich die erhöhte Lärmbelastung bei der Vorbereitung der Betriebsbereitschaft in Grenzen hält.
- Zugführer und auch das weitere am Abstellort tätige Personal sollten in Bezug auf Lärm sensibilisiert werden. Zugführer können angehalten werden, moderat zu beschleunigen und zu bremsen, langsam ein- und auszufahren und falls nötig besonders laute Störquellen vor dem Erreichen des Abstellorten bereits zu drosseln und auch erst nach Verlassen des Abstellorts wieder voll in Betrieb zu nehmen. Die Abstellposition lauter Züge sollte so gewählt werden, dass möglichst viel Abstand zu den kritischen Immissionspunkten (in der Regel die nächst gelegenen Wohnungen) besteht. Zusätzlich kann versucht werden, die lauten Züge mit leisen Zügen abzuschirmen (es sollte keine Sichtlinie zu den Schallquellen bestehen, wobei Hecken und ähnliches nicht als akustische Abschirmung wirken).
- Besonders laute Fahrzeuge können in andere Abstellanlagen verlegt werden, wenn diese eine deutlich weniger sensitive Umgebung aufweisen.
- Die Abstellung mehrerer Züge in einer Abstellanlage sollte so erfolgen, dass Rangierfahrten vermieden werden können. Der lärmintensivste Zeitbereich ist in der Regel der Zeitraum der Betriebsvorbereitung. Vor allem die frühen Morgenstunden sind kritisch. Dies sollte daher bei der Positionierung der Fahrzeuge berücksichtigt werden.
- Es kann helfen, Anwohnern einzubeziehen, um Rückmeldungen über Fehler im Ablauf zu erhalten und über notwendige Geräuscherzeuger aufzuklären.
- Bei einer Neubebauung in der unmittelbaren Umgebung zu Abstellanlagen sollte der Dialog mit den verantwortlichen Stadtplanern gesucht werden, um Konflikten vorzubeugen. Anschauliche Beispiele für Stadtplaner und Architekten zur Auslegung und Nutzung von Gebäuden nahe lauter Verkehrswege findet sich in [6].
Danksagung
Dieses Projekt wurde initiiert, gefördert und finanziert vom internationalen Eisenbahnverband UIC. Wir danken allen Teilnehmern der Studie.
Literatur
- Managing noise from parked trains. UIC research project. Durchgeführt von Müller-BBM. Planegg 2014.
- Rail Route 2050: the sustainable backbone of the Single European Transport Area. ERRAC Roadmaps, FP7 project, 2013.
- Night noise guidelines for Europe. Hrsg.: World Health Organization regional office for Europe. Bonn 2009.
- Beurteilung und Begrenzung des Lärms von abgestellten Zügen. Untersuchungsbericht Empa-Nr. 460’395-2, im Auftrag des Bundesamts für Umwelt BAFU. Dübendorf 2012.
- Lärmschutzgutachten zur Fahrzeugabstellung von Stadtbahnfahrzeugen. TÜV Süd ID 82781 G (Revision 6.0). München 2010.
- SILENCE: Practitioner Handbook for Local Noise Action Plans. SILENCE Forschungsprojekt der Europäischen Kom- mission. Brüssel 2014.
- Standlärm optimierte Fahrzeugabstellung der Reisezüge – Grobkataster z. Hd. BAV”. Hrsg.: SBB AG, Infrastruktur, Anlagen und Technologie, Lärm. Bern 2014.
- Verordnung (EU) Nr. 1304/2014 der Kommission vom 26. November 2014 über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems „Fahrzeuge – Lärm“ sowie zur Änderung der Entscheidung 2008/232/EG und Aufhebung des Beschlusses 2011/229/EU. ABl. EU (2014) Nr. L 356, S. 421-437.
- Landström, U.; Åkerlund, E.; Kjellberg, A.; Tesarz, M.: Exposure levels, tonal components, and noise annoyance in working environments. Environm. Int. 21 (1995) Nr. 3, S. 265-275.
- [10] Ögren, M.: Noise emission from railway traffic. VTI rapport 559A. Linköping 2006.
- [11] Hoogzaad, S. N.; Roovers, M. S.: Optimizing capacity of railroad yards within noise limits using a dynamic noise model. Proceedings of the 11th International Workshop on Railway Noise. Uddevalla 2013.
- [12] Research network – silent traffic: Status report – Noise effects – Research in Germany. 2013.
Nathan Isert und Stefan Lutzenberger, Planegg, Nick Craven, Peter Hübner, Jakob Oertli, Paris