Selbstverteidigungstraining für Internet-Nutzer
Sie kennen das auch - einmal die falsche Mail bestätigt und schon funktioniert nichts mehr? Nun soll das neue E-Learning Nutzer davor bewahren. Entwickelt wurde die Trainings- und Sensibilisierungsplattform von der SoSafe GmbH aus Köln, die damit für den Deutschen Gründerpreis 2021 in der Kategorie StartUp nominiert wurde.
Selbstverteidigung gegen Hackerangriffe? Klingt erst mal komisch, hilft aber Firmen, Körperschaften und anderen Organisationen, ihre Belegschaft als „menschliche Firewall“ zu aktivieren, um Cyber-Kriminelle zu stoppen. Die von SoSafe GmbH entwickelte Trainings- und Sensibilisierungsplattform dient als Tool für den Nutzer. Für diese Innovation wurde das Kölner Unternehmen von der Auswahljury des Deutschen Gründerpreises in der Kategorie StartUp 2021 nominiert. Welcher der jeweils drei Finalisten in den Kategorien „Aufsteiger“ und „StartUp“ die begehrte Trophäe gewinnt, erfahren die Kandidaten bei der Preisverleihung am 14. September 2021 im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
Weltweit 3,4 Milliarden Phishing-Mails
Pro Tag werden weltweit 3,4 Milliarden Phishing-Mails versendet, also solche E-Mails, die die Gutgläubigkeit des Lesers ausnutzen wollen, um etwa persönliche Daten zu erspähen. Die EU-Agentur für Cybersicherheit spricht sogar von einem coronabedingten Phishing-Mail-Anstieg auf das Siebenfache. Über 600 Millionen dieser Mails rutschen durch Spam-Filter. Die Hälfte davon wird geöffnet – ein enormes Schadenspotenzial. Dagegen haben die SoSafe-Gründer, Diplom-Psychologe Dr. Niklas Hellemann (38), Wirtschaftswissenschaftler Lukas Schaefer (35) und Software-Entwickler Felix Schürholz (28), eine spezielle E-Learning-Plattform entwickelt. Kombiniert wurde diese mit Phishing-Simulationen und strategischem Monitoring. Die Sensibilisierung der Mitarbeitenden ist der Mittelpunkt der SoSafe-Lösung, denn neun von zehn Cyber-Angriffen starten mit dem Faktor Mensch.
Simulation von Angriffs-Mails und „gekidnappte“ Daten
„Ich bin mit Computern groß geworden“, schildert Dr. Hellemann. „Da gab es Hobby-Hacker die Spaß daran hatten, Schwachstellen zu finden. In den letzten Jahren hat sich jedoch eine riesige kriminelle Industrie entwickelt. Vor allem mit dem Start von Kryptowährungen sind plötzlich Lösegeldforderungen für ,gekidnappte‘ Daten möglich geworden, ohne dass eine Aufklärung des Verbrechens droht.“ Größtes Einfallstor für Attacken sind nach wie vor Phishing-Mails. Diese zu simulieren ist essenzieller Bestandteil des IT-Sicherheitstrainings von SoSafe. Versendet werden typisch aussehende Angriffs-Mails. „Kommt es zu einer Interaktion, erhält der Nutzer sofort einen Hinweis. IT-Admins können analysieren lassen, wie anfällig das Unternehmen ist.“ Eine kostenfreie Variante der Phishing-Simulation für Privatnutzer bietet SoSafe unter phish-test.de an.
Durch Zufall haben sich die Gründer kennengelernt, während sie bei zwei großen Unternehmensberatungen beschäftigt waren. „Die Idee zu gründen war zuerst da. Uns war aber von Anfang an klar, dass wir ein relevantes Problem lösen und im Idealfall sogar die Welt ein bisschen besser machen wollen“, erinnert sich Dr. Hellemann. Der Psychologe brachte den Präventionsgedanken ins Gespräch, Ökonom Schaefer das Thema Digital Training. Zudem rollte gerade eine große Phishing-Welle durch den Cyberspace und die damals neue Datenschutzgrundverordnung beherrschte die öffentliche Diskussion.
Tatsächlich wird der Nutzer angegriffen!
„Man denkt bei Hackern ja immer an Angriffe auf die Systeme“, schildert Lukas Schaefer: „Tatsächlich wird aber der Nutzer im Unternehmen angegriffen!“ Vor allem Krisen wie die Corona-Pandemie nutzen Cyberkriminelle gerne aus, um ihr Angriffsvolumen hochzufahren. Die EU-Agentur für Cybersicherheit spricht von einem coronabedingten Phishing-Mail-Anstieg auf das Siebenfache. „Der große Vorteil unserer Lösung ist, dass wir keine einmaligen Lern-Optionen wie etwa Workshops anbieten, sondern die Mitarbeitenden unsere Plattform fortlaufend nutzen. Die Lerninhalte sind stets auf die neuesten Angriffsszenarien zugeschnitten. Sie werden in interaktiven und an Videogames erinnernde Häppchen ausgespielt“, erläutert Lukas Schaefer. „Lernpsychologisch erreicht man so die besten Effekte“, versichert Dr. Hellemann.
Die Methode ist so erfolgreich, dass das erst 2018 gegründete Kölner Cyber-Security-Unternehmen heute bereits mehr als 500 Kunden hat, darunter Konzerne und Großunternehmen wie Vattenfall und Aldi Nord. Über eine Million Mitarbeitende nutzen die SoSafe-Plattform. „Wir hatten das Glück, dass wir dank geringer Anschaffungskosten schon ab Minute 1 Erträge erwirtschafteten“, sagt Gründer Lukas Schaefer. „Allerdings hatten wir auch früh zwei Investoren im Rücken, zum einen Global Founders Capital von Rocket Internet, zum anderen Acton Capital, das aus Burda Digital Ventures hervorging. Das hat uns den Start, vor allem aber das Wachstum, erleichtert!“
Insgesamt sechs Finalisten für den Gründer-Preis nominiert
Weitere Finalisten in der Kategorie StartUp, ein- bis maximal dreijährige Unternehmen, die ihre Geschäftsidee besonders erfolgreich am Markt etabliert haben, sind neben SoSafe GmbH aus Köln, die
- Sympatient GmbH, Hamburg: Zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden an Angststörungen. Die Invirto-App von Sympatient könnte mehr als der Hälfte von ihnen helfen. Sie bringt den „Goldstandard der Angsttherapie“, die sogenannte Exposition, aufs Smartphone. Die App kombiniert klassische Therapie mit Virtual Reality und transferiert sie ins Digitale. Das vielversprechende, digitale Medizinprodukt des jungen Unternehmens wird von allen gesetzlichen Krankenkassen erstattet.
- yuri GmbH, Meckenbeuren: Laborversuche in Schwerelosigkeit einfacher, schneller und kostengünstiger ermöglichen – auf Parabelflügen oder auf der Internationalen Raumstation ISS: Mit einem ausgeklügelten Baukastensystem aus Mini-Laboren hat yuri die „Demokratisierung der Schwerelosigkeit“ zum Geschäftsmodell erklärt. Versuche sind ab 10 000 Euro möglich, zur ISS gehts ab 95 000 Euro. Elf Mal schon absolvierte das Team erfolgreiche Missionen auf die Internationale Raumstation.
In der Kategorie Aufsteiger werden Unternehmen ausgezeichnet, die nicht älter als neun Jahre sind und bereits ein außerordentliches Wachstum erreicht haben. Nominiert sind in diesem Jahr:
- Hydrogenious LOHC Technologies GmbH, Erlangen: Grüner Wasserstoff ist in vielen Industrien für die Transformation zur Klimaneutralität essenziell, von der Stahlerzeugung bis zur Glasherstellung. Mit Hilfe der von Hydrogenious entwickelten LOHC-Technologie kann grüner Wasserstoff gefahrlos und effizient gelagert und transportiert werden: Das leicht entzündliche Gas wird an ein Öl gebunden, später wird es wieder freigesetzt. Das Öl selbst wird wiederum für die nächste Ladung benutzt.
- Nect GmbH, Hamburg: Über 3,5 Millionen Identitäten hat die Nect GmbH mit ihrer „Selfie-Ident“-App bereits verifiziert, täglich kommen bis zu 20 000 weitere dazu. Das innovative Verfahren kombiniert Selfie-Videos mit künstlicher Intelligenz, überprüft die Echtheit des Ausweisdokuments anhand der Sicherheitsmerkmale und die Lebendigkeit des Nutzers anhand der Muskelbewegungen im Gesicht. Der Gang zur Postfiliale oder lange Wartezeiten beim Videogespräch mit einem Agenten entfallen.
- Wildling Shoes GmbH, Engelskirchen: Ein Großteil der Menschen ist wegen einengender Schuhe fußkrank. Wildling hat seinen innovativen Ansatz, Füßen möglichst viel Freiheit zu lassen, kompromisslos und erfolgreich umgesetzt, dafür Fans in aller Welt gewonnen. Der Schuh wurde völlig neu konstruiert, zu den verwendeten Materialien zählt sogar Papier. Mit einer Dicke ab 1,5 Millimeter ermöglicht die Wildling Sohle, den Untergrund wieder aktiv wahrzunehmen und trainiert zudem die Muskulatur.
Die sechs Finalisten erhalten eine individuelle, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Beratung durch die Porsche Consulting. Zudem übernehmen Mitglieder des Kuratoriums des Deutschen Gründerpreises über einen Zeitraum von zwei Jahren Patenschaften für jeden Finalisten und stellen ihr Know-how und ihre Erfahrungen zur Verfügung. Die Unternehmen erhalten außerdem ein Medientraining beim ZDF sowie Zugang zum Netzwerk des Deutschen Gründerpreises. Vorgeschlagen wurden die Unternehmen durch die rund 300 Experten des Deutschen Gründerpreises. Sie stammen aus renommierten Unternehmen, Technologiezentren, Ministerien, Gründungsinitiativen und der Sparkassen-Finanzgruppe. Die Experten verfügen über jahrelange Erfahrungen mit Unternehmensgründungen und sehr gute Branchenkenntnisse. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützt den Deutschen Gründerpreis. Ausführliche Unternehmensporträts der Finalisten finden Sie auf der Webseite.