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01.09.2015, 00:00 Uhr

Anforderungen der Gefahrstofflogistik managen

Technische Normen und Vorschriften beim Umgang mit Gefahrstoffen stellen besondere Anforderungen an das Management von Logistik-Dienstleistern. Das Shared Logistic Center (SLC) von DB Schenker Logistics in Schwieberdingen bei Stuttgart ist spezialisiert auf die Lagerlogistik für technisch anspruchsvolle Branchen wie z. B. die Chemische Industrie. Zum Leistungsspektrum gehört u. a. auch das Verpacken und Kennzeichnen von Gefahrstoffen, das nur besonders qualifiziertes Personal durchführen darf.

Quelle: DB Schenker logistics

Quelle: DB Schenker logistics

Nach Angaben der Bundesvereinigung Logistik e. V. hat die Chemische Industrie bereits 95 % des Transportvolumens an externe Transport- und Logistik-Dienstleister ausgelagert1) Zurückhaltender ist die Industrie hingegen, wenn es darum geht, ganze Prozesse von einem externen Dienstleister abwickeln zu lassen. Nur wenige Logistikunternehmen verfügen über die notwendigen Infrastrukturen und vor allem genügend qualifiziertes Personal, um die hohe Komplexität solcher Prozesse sicher und zuverlässig zu beherrschen. Außerdem müssen die Kontraktlogistik-Lösungen in die individuelle Wertschöpfungskette des Kunden integriert werden, bis hin zur Anbindung an die IT-Systeme.

Qualifizierte Logistikdienstleistungen

Das Beispiel des Shared Logistic Center von DB Schenker Logistics in Schwieberdingen zeigt, wie Kontraktlogistik-Lösungen dazu beitragen können, Supply-Chains in der Chemischen Industrie und Branchen mit ähnlichen Anforderungen effizienter zu gestalten. Einen Schwerpunkt am Standort bilden die Lagerung und das Handling von Gefahrstoffen.

Das SLC verfügt über eine Lagerfläche von 10 000 m2. Das Hochregallager bietet 12 500 Stellplätze für Europaletten. Im gesamten Lager können Stoffe bis zur Wassergefährdungsklasse 3 (WGK) gelagert werden. Die Anlage erfüllt bereits jetzt die hohen Standards der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) des Bundes, die im Frühjahr 2016 die entsprechenden Verordnungen der Bundesländer ablösen wird2). Von der AwSV sind auch bestehende Anlagen betroffen; erfüllen sie die neuen Anforderungen der AwSV nicht, müssen sie ggf. nachgerüstet werden. Dabei sind für einige Bundesländer, insbesondere Baden-Württemberg, die Anhebung der Standards verbunden. So müssen z. B. nach einer Übergangsfrist auch ganz kleine Läger über eine Löschwasserrückhaltung verfügen.

Darüber hinaus gibt es ein separates Gefahrstofflager (siehe Titelbild) mit einer Fläche von 100 m2, wo Substanzen entsprechend ihrer Gefahrstoffklasse gelagert werden.

Der Raum ist explosionsgeschützt ausgestattet; dies bedeutet, die Raumluft wird viermal pro Stunde ausgetauscht, die Elektroninstallationen wie Lampen, Rauchmelder und Antriebe sind ex-geschützt und es werden Ex-Schutz-Stapler eingesetzt. Zutritt hat nur speziell geschultes Personal.

Der Standort erfüllt höchste Sicherheitsanforderungen und ist zertifiziert nach TAPA (A) (Transport Asset Protection Association). Alle drei Jahre prüft eine unabhängige Zertifizierungsgesellschaft, ob alle Anforderungen für eine Erneuerung des Zertifikats erfüllt sind. Ziel der Zertifizierung ist es, Unternehmen zu unterstützen, Sicherheitsrisiken zu identifizieren und zu managen. Es ist eine wirksame Maßnahme, um Transportdiebstähle einzudämmen, die in Europa jedes Jahr schätzungsweise einen Schaden von mindestens 30 Mrd. € verursachen. Die zertifizierten Sicherheitsmaßnahmen umfassen u. a. Zutrittskontrollen, Sicherung von Lagerhäuser und Verladeanlagen, Security-Maßnahmen (Kameraüberwachung, Wachdienst), Lkw-Schutz und – besonders wichtig – die Sicherheitsvorgaben des Unternehmens.

Jeder Kunde des SLC braucht eine Lösung, die individuell auf seine Prozesse abgestimmt ist. Transparente Logistik-Prozesse und eine hohe Lieferbereitschaft haben hierbei höchste Priorität. Lieferbereitschaft ist die Fähigkeit, ab Lager liefern zu können und lässt sich als Lieferbereitschaftsgrad (LBG) bzw. Servicegrad quantifizieren, als das Verhältnis der Anzahl vollständig ausgeführter Bestellungen zur Anzahl der gesamten Bestellungen. Ein sehr hoher Servicegrad von 99,9 % bedingt allerdings auch höhere Lagerhaltungskosten.

Spezielle Anforderungen an Lagermitarbeiter

Gerade wenn es um Gefahrstoffe geht, ist gut ausgebildetes Personal entscheidend. Die Mitarbeiter von DB Schenker Logistics werden daher regelmäßig geschult und sind mit den entsprechenden Regularien für den Gefahrgutversand vertraut, vor allem die des ADR (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße), IMDG-Code (International Maritime Code for Dangerous Goods) und IATA-DGR (Dangerous Goods Regulations der International Air Transport Association).

Gut ausgebildete Mitarbeiter reduzieren zudem die sonst in der Logistik-Branche häufig zu verzeichnende Fluktuation in der Belegschaft und tragen damit zu einer konstant hohen Qualität der Logistikdienstleistungen bei. Um möglichst flexibel auf Auftragsspitzen reagieren zu können, sind die Mitarbeiter möglichst mit allen Aufgaben und den betreffenden Standards vertraut und wechseln zwischen diesen in einem rollierenden System. Damit können Kunden spezifische Mehrwertdienst (Value Added Services) angeboten werden, wie z. B. Verpackung, Qualitätskontrollen, Kommissionierung oder sogar produktionsnahe Bearbeitungen.

Beispiel: Farbenhersteller

Für einen internationalen Hersteller von Druckfarben wickelt DB Schenker Logistics vom Standort Schwieberdingen aus den weltweiten Versand der Produkte ab. Die Produktionswaren werden dazu per Shuttle-Lkw vom Werk bei Stuttgart abgeholt und gelagert. Für den Kunden wird eine Lagerkapazität von 3 900 t für wassergefährdende Stoffe bzw. 6 500 Paletten bereitgestellt. Insgesamt verfügt das Lager über 12 500 Palettenplätze in einem Hochregallager (Bild 2).

Bild 2 Im Hochregallager lagern die Druckfarben In Fässern, die als wassergefährdende Stoffe eingestuft sind. Das Lager bietet Stellplätze für bis zu 3 900 t. Quelle:DB Schenker Logistics

Bild 2 Im Hochregallager lagern die Druckfarben In Fässern, die als wassergefährdende Stoffe eingestuft sind. Das Lager bietet Stellplätze für bis zu 3 900 t.

Foto:DB Schenker Logistics

Für den Druckfarbenhersteller werden im Durchschnitt 120 bis 140 t im Wareneingang und -ausgang abgefertigt. An Spitzentagen verlassen bis zu 220 t das Lager. Der Lieferbereitschaftsgrad liegt zwischen 99,9 und 100 %.

Im Gefahrstofflager werden für diesen Kunden Gefahrstoffe der Lagerklassen (LGK) 2B, 3, 8, 10, 12 und 13 fachgerecht gelagert. Die Mitarbeiter sind befähigt, ein Container-Packzertifkat zu erstellen (nach IMDG-Code), das zur Beförderung gefährlicher Güter in Großcontainern per Seebeförderung benötigt wird. Ebenso sind sie speziell für die Stauung von Seecontainern ausgebildet. DB Schenker Logistics bietet auch die fachgerechte Durchführung von Umpack- und Umetikettierungsaufträgen (Bild 3) an.

Bild 3 Arbeitsplatz im Hochregallager: Hier werden u. a. Umverpackungs- und Etikettierungsaufträge ausgeführt. Die Lagerverwaltungssoftware ist mit der IT des Kunden verknüpft. Quelle: DB Schenker Logistics

Bild 3 Arbeitsplatz im Hochregallager: Hier werden u. a. Umverpackungs- und Etikettierungsaufträge ausgeführt. Die Lagerverwaltungssoftware ist mit der IT des Kunden verknüpft.

Foto: DB Schenker Logistics

Dabei ist es wichtig, dass die Produkte am Ende wieder mit der richtigen Artikelnummer ausgezeichnet sind, was über eine spezielle Materialbuchung in SAP gesteuert wird.

Die integrierte Logistik-Lösung ist mit dem IT-System des Kunden direkt verbunden. Der hohe informationstech­nische Integrationsgrad ist die Basis für einen hohen Servicegrad und Transparenz der Logistik-Prozesse. So kann DB Schenker Logistics seinen Kunden auch wichtige Key Performance Indikatoren (KPI) bereitstellen.

Zur Überwachung und Optimierung von Geschäftsprozessen stellt DB Schenker den Kunden u. a. folgende Intralogistik-Kennzahlen zur Verfügung: 1. Dock-to-Dock-Zeiten, d. h. wie lange es von der Anlieferung bis zur Einlagerung dauert, 2. Rundlaufzeiten für die Produk­tionsversorgung, 3. Zeiten für Umpack- und Etikettierungsaufträge, 4. Reklamationsquote und 5. die sog. Ontime-Performance, die die rechtzeitige Übergabe an den Frachtführer dokumentiert.

Know-how und Vernetzung

Die Lagerung gefährlicher Stoffe – z. B. von Spraydosen, brennbaren Flüssigkeiten, wassergefährdenden Stoffen – erfordert immer Sonderlösungen; die „Zulagerung“ in normalen Lägern ist ohne aufwendige technische und organisato­rische Maßnahmen nicht möglich. DB Schenker Logistics bietet an 25 Standorten in Europa die Lagerung gefährlicher Stoffe an. Schwieberdingen ist der jüngste und modernste Standort.

Am Standort Wuppertal beispielsweise konzentriert sich DB Schenker schon seit einigen Jahrzehnten auf Chemielogistik und hat ein umfassendes Know-how in diesem Bereich aufgebaut (Bild 4).

Bild 4 Auch am Standort Wuppertal bietet DB Schenker anspruchsvolle Dienstleistungen im Bereich Chemielogistik. Quelle: DB Schenker Logistics

Bild 4 Auch am Standort Wuppertal bietet DB Schenker anspruchsvolle Dienstleistungen im Bereich Chemielogistik.

Foto: DB Schenker Logistics

Für einen britischen Hersteller von Flammschutz- und Korrosionsanstrichen werden dort nicht nur Farben – brennbare Flüssigkeiten Klasse 3 – gelagert und die deutschlandweite Distribution getätigt, sondern auch eine Anlage zur Farbmischung betrieben. Ein gut sortiertes Farbenlager gibt dabei den nötigen Puffer, um unabhängig vom britischen Farbenwerk die Zustellung von speziellen Mischungen spätestens am Folgetag erbringen zu können, eine Leistung, die von Großbritannien aus nicht möglich ist . Der Standort Wuppertal unterhält ein beheiztes Gefahrstofflager mit einer Grundfläche von 2 500 m² und bietet im Hochregal Platz für 6 400 Europaletten.

Das Hochregallager ist in zwei Hallenschiffe geteilt, die beide mit einem flüssigkeitsdichten Boden und einer Rauchmelde- und -abzugsanlage ausgestattet sind. Die erste Halle besitzt zudem eine Löschanlage mit Löschwasserrückhaltung. Hierbei handelt es sich um eine Sprinkleranlage in den Regal­reihen mit Sonderlöschmittel A3F. Ein Löschwasservorratsbehälter mit ca. 500 m³ Fassungsvermögen, mehrere Löschwasserentnahmestellen sowie Brandschutztore komplettieren die Lagersicherheit. Das Hochregallager ist zugelassen für Flüssigkeiten der WGK 1 bis 3, die Lagerklassen 3, 4.1, 5, 8, und 10 bis 13 sowie die Gefahrgutklassen 3, 4, 5, 8 und 9.

Sind die aufbau-, ablauf- und kontrollorganisatorischen Maßnahmen erfüllt, lassen sich Gefahrgüter im europäischen Stückgutverkehr überwiegend transportieren. Die Annahmebedingungen für Gefahrgüter bei DB Schenker Logistics sind europaweit harmonisiert. 99 % aller angebotenen Gefahrgüter werden akzeptiert; ausgeschlossen sind nur jene „Exoten“, die wohl unbestritten im Sammelgutverkehr nichts verloren haben, z. B. explosive oder radioaktive Stoffe; sie bleiben Sonderverkehren vorbehalten. Individuelles Customizing ist notwendig bei Spezialverkehren (Beispiel: selbstzersetzliche Stoffe oder organische Per­oxide, die gekühlt befördert werden müssen) und bei der Lagerung.

Während beim Transport die Vorschriften im Wesentlichen international und intermodal harmonisiert sind, ist das bei der Lagerung bisher nicht der Fall. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist die Lagerung gefährlicher Stoffe immer noch eine nationalstaatliche Angelegenheit; die Vorstellungen von einer „sicheren“ Lagerung liegen hier immer noch sehr weit auseinander, was zu Wettbewerbsverzerrungen bei der Standortwahl führt.   TS 2275

1) siehe www.bvl.de/presse/meldungen/archiv-2014/ outsourcing-in-der-chemielogistik-unterstuetzt-das-wachstum

2) Hierzu erscheint voraussichtlich im November 2015 das Buch Müller, N:: Die neue AwSV – Das ändert sich für Sie! Leitfaden für Betreiber von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Landsberg am Lech: ecomed.

 

Von Helmut Scherer

Helmut Scherer, Leiter Logistik Schenker Deutschland AG, Geschäftsstelle Region Stuttgart, Landtransport.