Rückhaltung von Löschwasser unter der AwSV
Im anlagenbezogenen Gewässerschutz spielt die Rückhaltung von Löschwasser eine wichtige Rolle. Bisher wurden die Einzelheiten im Bauordnungsrecht in Form der Löschwasser-Rückhalte-Richtlinie (LöRüRL) geregelt. Nun findet sich diese Anforderung direkt im Wasserrecht in Form der neuen Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV); doch noch fehlt es an der technischen Spezifizierung. Der folgende Beitrag beschreibt, wie die Phase des Übergangs sinnvoll bewältigt werden kann.
Eine der Grundsatzanforderungen der AwSV ist es, dass Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen so geplant, errichtet und betrieben werden müssen, dass bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs der Anlage anfallende Gemische, die ausgetretene wassergefährdende Stoffe enthalten können, z. B. Löschwasser, zurückgehalten und ordnungsgemäß als Abfall entsorgt (Schlüssel: 161001, gefährlich) oder als Abwasser beseitigt werden. Diese Anforderung enthielten bereits die VAwS der Bundesländer, ohne sie zu spezifizieren.
Brandereignissen anfallendes Löschwasser mit wassergefährdenden Eigenschaften nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT) zurückgehalten werden; diese Anforderung ist wasserrechtlich neu. Sie gilt nur nicht für
- Anlagen, bei denen eine Brandentstehung gar nicht zu erwarten ist; das ist der Fall, wenn
- die wassergefährdenden Stoffe, mit denen in der Anlage umgegangen wird, nicht brennbar sind; das ist wiederum der Fall bei
- Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt > 370 °C,
- Feststoffen mit einer Brennzahl 1 gemäß VDI 2263,
- die Umschließung des wassergefährdenden Stoffs nicht brennbar ist, – Hilfsmittel wie Paletten nicht brennbar sind.
- Heizölverbraucheranlagen.
Die Anforderung gilt natürlich auch dann nicht, wenn ein Brand gar nicht mit Wasser gelöscht wird (z. B. bei Inertgas- oder Pulverlöschanlagen).
Die LöRüRL schreibt seit dem Jahr 1992 vor, dass in Anlagen zur Lagerung von wassergefährdenden Stoffen der Wassergefährdungsklasse (WGK)
- 1 mehr als 100 t,
- 2 mehr als 10 t,
- 3 mehr als 1 t
je Lagerabschnitt das Löschwasser anlagentechnisch zurückgehalten werden können muss. Die Schadenversicherer konnten plausibel machen, dass auch in Lageranlagen mit weniger als 100 t WGK 1 bzw. 10 t WGK 2 bzw. 1 t WGK 3 und anderen Anlagen als Lageranlagen, also Anlagen zum
- Abfüllen,
- Umschlagen,
- Herstellen,
- Behandeln,
- Verwenden und
- innerbetrieblichen Befördern wassergefährdender Stoffe in Rohrleitungen
nicht zurückgehaltenes, mit wassergefährdenden Stoffen belastetes und in Grund- oder Oberflächengewässer gelangtes Löschwasser enorme Schäden verursacht hat, die von den Schadenversicherern zu regulieren waren. Der Verordnungsgeber hat dem Anliegen der Schadenversicherer insofern Rechnung getragen, als alle gemäß AwSV relevanten oberirdischen Anlagen
- außerhalb von Schutz- und Überschwemmungsgebieten mit mehr als 220 l bzw. 200 kg je Anlage,
- innerhalb von Schutz- und Überschwemmungsgebieten unabhängig vom Volumen bzw. von der Masse
- unabhängig von der WGK über eine Einrichtung zur Rückhaltung von Löschwasser verfügen müssen.
Ein Beispiel: Es werden zwei Fässer je 200 l Ethanol (WGK 1) oder Diesel/Heizöl (WGK 2) oder Benzin (WGK 3) gelagert: Es muss eine Anlage zur Rückhaltung ggf. anfallenden Löschwassers vorhanden sein, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Brandentstehung zu erwarten ist, der Brand mit Wasser gelöscht wird.
Weitere Richtlinien
Neben der LöRüRL von 1992 gibt es zwei weitere Konzepte zur Bemessung von Löschwasser-Rückhalteanlagen: seit dem Jahr 2013 eine Leitlinie des VdS (VdS 2557), 2014 einen Leitfaden des VCI.
Die AwSV verweist wie beschrieben zurzeit nur auf „aaRdT“, ohne diese zu spezifizieren. Das soll geändert werden: Mit der 1. AwSV-Änderungsverordnung soll der AwSV eine neue Anlage 8 angefügt werden, die Vorgaben zur Bemessung von Löschwasser-Rückhalteanlagen enthält. Bis zum Inkrafttreten ca. im Jahr 2019 dient die LöRüRL Planern und Brandschutzbehörden als Orientierung. Wie viel m³ Löschwasser bei der Lagerung in ortsbeweglichen Behältern mit maximal 3 m³ je Behälter in Gebäuden bzw. im Freien bei Lagerguthöhen bis zu 12 m und von mehr als 12 m gemäß LöRüRL zurückgehalten werden können müssen, ergibt sich aus der Tabelle.
Wie ersichtlich, sind maßgebend für die Bemessung des zurückzuhaltenden Volumens an Löschwasser die Fläche des Lagerabschnitts in m², WGK (1, 2 oder 3), die Ab- oder Anwesenheit einer automatischen Feuerlöschanlage.
Da in einer (Lager-)Anlage mit automatischer Feuerlöschanlage weniger Löschwasser zu erwarten ist als in einer Anlage ohne automatische Feuerlöschanlage, sind die Löschwasser-Rückhalteanlagen von (Lager-)Anlagen ohne automatische Feuerlöschanlagen größer zu dimensionieren. Für die Erteilung einer Ausnahme betreffend die Dimensionierung der Löschwasserrückhalteeinrichtung auf Antrag des Errichters enthalten die Landesbauordnungen eine Rechtsgrundlage (z.B. NRW: § 54 (2) Nr. 16 BauO i. V. m. Nr. 1.3 Satz 3 LöRüRL).
Die LöRüRL hat sich in 25 Jahren bewährt: Es ist kein Fall bekannt, in dem eine Löschwasser-Rückhalteanlage, die gemäß LöRüRL dimensioniert wurde, im Fall ihrer Beanspruchung „übergelaufen“ wäre.
Beispiel
Für die Lagerung von deutlich wassergefährdenden (WGK 2) Flüssigkeiten in Behältern (Kanister, Fässer, IBC) sollen vier Regalcontainer beschafft und im Freien, aber mit Bedachung, außerhalb eines Schutz- oder Überschwemmungsgebiets aufgestellt werden. Die Container haben eine Grundfläche von 8,5 m x 1,55 m = 10 m² und sollen L-förmig angeordnet werden (drei horizontal, einer vertikal). Die Container verfügen über eine eigene Auffangwanne zur Aufnahme von 1 000 l Flüssigkeit = Volumen des größten Behälters = IBC bzw. 10 % des Gesamtlagervolumens von max. 10 000 l je Container.
Die vier Container bilden eine (Lager-)Anlage: Da mehr als 220 l bzw. 200 kg gelagert werden sollen, muss in dieser Anlage gemäß AwSV ggf. anfallendes Löschwasser zurückgehalten werden können. Die Volumina der Auffangwannen reichen dazu nicht aus und können auch nicht beliebig vergrößert werden.
Gemäß AwSV ist eine Fläche, von der aus Behälter oder Verpackungen mit wassergefährdenden Stoffen in eine Anlage hineingestellt oder aus einer Anlage herausgenommen werden, Teil dieser Anlage: Sie muss „dicht“ sein. Soll die Fläche zur Rückhaltung ggf. anfallenden Löschwassers genutzt werden, muss sie gemäß LöRüRL aus wasserundurchlässigem und mindestens 20 cm dickem Beton bestehen.
Durch die Aufstellung der Container ergibt sich eine relevante Fläche von insgesamt 217 m². Gemäß Tabelle sind bei WGK 2 bei Abwesenheit einer automatischen Feuerlöschanlage insgesamt rund 115 m³ Löschwasser zurückzuhalten. Da die Container auf Füßen stehen, die im Brand- = Löschfall das Löschwasser unter den Containern wegfließen lassen würden, muss ein Teil der Anlage eingemauert werden. Bei einer Grundfläche von 217 m² muss zur Verwirklichung des notwendigen Löschwasserrückhaltevolumens von 115 m³ die Mauer 0,53 cm hoch sein. Die Anlage muss aber für Lkw zugänglich sein; die Zufahrt muss durch 53 cm hohe Löschwasserbarrieren absperrbar sein. Barrieren können sein:
- stationär (VdS Richtlinie 2564-1 vom Oktober 2004),
- mobil (VdS Richtlinie 2564-2, liegt noch nicht vor).
Stationäre Barrieren können sein:
- automatisch auslösend (über eine Brandmeldeanlage oder hydraulisch, d. h. bei Kontakt mit Löschwasser klappen die Barrieren automatisch hoch)
- manuell auszulösend (mittels Taste),
- manuell einzusetzend.
Aus Arbeitsschutzgründen werden manuell einzusetzende Barrieren seitens der Brandschutzbehörden bei Neuanlagen i. d. R. nicht mehr akzeptiert: Wer soll denn allen Ernstes im Brand- = Löschfall eine schwere Barriere mittels Stapler noch in die Halterungen setzen? Also muss im vorliegenden Fall eine automatisch auslösende Barriere die Zufahrt für Lkw zu der Anlage löschwasserrückhaltetechnisch absichern. Diese Barriere muss für 40-Tonner befahrbar sein. Das wird teuer. Hier wird der ersatzweise Einsatz nichtwässriger Löschmittel interessant.
Fristen
Die Anforderung der AwSV, dass Löschwasser zurückgehalten werden können muss, gilt grundsätzlich nur für Anlagen, die nach dem 1. Ausgust 2017 erstmals in Betrieb genommen wurden bzw. werden. Die Errichtung und der Betrieb einer Anlage ohne Löschwasserrückhaltung stellt eine Ordnungswidrigkeit gemäß AwSV dar, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann; ein Nichtvorhandensein würde den Versicherungsgeber im Schadenfall leistungsfrei stellen. Bei Anlagen, die vor dem 1. August 2017 errichtet und betrieben wurden, und die über keine Löschwasserrückhalteeinrichtung verfügen, weil bisher gemäß VAwS/LöRüRL keine vorgeschrieben war, muss eine Löschwasserrückhalteeinrichtung nur dann nachgerüstet werden, wenn die zuständige Behörde dies anordnet. Die Anordnung der Nachrüstung der Anlage ist also eine Bringschuld der zuständigen Behörde und nicht des Anlagenbetreibers. Das ist eine haftungsrechtlich außerordentlich wichtige Regelung: Kommt es in einer Anlage, die keine Löschwasserrückhalteeinrichtung hat, weil das bislang gemäß VAwS/LöRüRL gar nicht vorgeschrieben war, zu einem Schaden durch nicht zurückgehaltenes kontaminiertes Löschwasser, muss der Schadenversicherer den Schaden ersetzen, wenn die Behörde die Nachrüstung der Anlage nicht angeordnet hat. Außerdem steht die Anordnung der Anpassung unter dem Vorbehalt, dass der damit verbundene Aufwand nicht unverhältnismäßig ist: Anpassungsmaßnahmen, die einer Neuerrichtung der Anlage gleichkommen würden, können nämlich behördenseitig nicht verlangt werden. TS 628
Norbert Müller, ö.b.u.v. Sachverständiger für Gefahrguttransport und -lagerung, Duisburg