Mikroroboter zerstören Mikroplastik – was Ingenieure von Bakterien lernen
In unserer Umwelt verbreitet sich Mikroplastik immer stärker. Maßnahmen, um den Eintrag zu verringern, reichen nicht aus. Doch Mikroorganismen haben Ingenieure auf eine clevere Idee gebracht.
Mikroplastik ist überall. Kürzlich fanden Wissenschaftler der Universität Reykjavik, der Universität Göteborg und des isländischen Wetteramts die Partikel sogar in Proben des abgelegenen, vermeintlich unberührten Vatnajökull-Gletschers. Per Mikroskopie und per Raman-Spektroskopie konnten Teilchen aus unterschiedlichen Kunststoffarten nachgewiesen werden. Mikroplastikpartikel kommt auch in den italienischen Alpen, in den ecuadorianischen Anden und in Eisbergen auf Spitzbergen vor. Solche Ergebnisse zeigen: Verunreinigungen verbreiten sich weltweit – und nicht nur in Gewässern. Einträge seien auch über die Atmosphäre möglich, schreiben Forscher. Schmelzen Gletscher ab, gelangen die Partikel in aquatische Ökosysteme und reichern sich über die Nahrungskette weiter an.
Aufgrund der hohen chemischen Stabilität und der großen bereits vorhandenen Menge an Mikroplastik wird es nicht ausreichen, den Eintrag zu minimieren. Doch mehrere Arbeitsgruppen weltweit haben sich des Themas angenommen. Sie beobachteten das Verhalten spezieller Bakterien – und simulierten es durch mikroskopisch kleine, katalytisch aktive Roboter.
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Mikroplastik mit bakteriellen Biofilmen binden
Zum Hintergrund: Schon länger ist bekannt, dass Pseudomonas aeruginosa Mikroplastik in der Umwelt besiedelt. Das Bakterium ist weit verbreitet. Es kommt vor allem in Gewässern und in feuchten Böden vor. P. aeruginosa bildet in seiner natürlichen Umgebung Biofilme. Das sind schleimige Schichten aus Bakterien und aus Biopolymeren mit langkettigen Zuckern, sogenannten Polysacchariden.
Forscher der Hongkong Polytechnic University untersuchten Biofilme dieses Bakteriums näher und fanden eine interessante Eigenschaft. Die Biopolymere führen dazu, dass sich im Wasser schwebende Mikroplastik-Partikel ansammeln und schließlich zu Boden sinken. Kleinstes Mikroplastik ließ sich relativ leicht binden und sammeln. Anschließend setzten die Wissenschaftler alle Partikel wieder biochemisch frei – und der Biofilm konnte erneut zum Einsatz kommen.
Das clevere Prinzip wurde bislang nur im Labormaßstab untersucht. Experimente in größeren Stil sollen demnächst folgen. Die Wissenschaftler sehen mittelfristig Potenzial für ihre Technologie in Kläranlagen, um zu verhindern, dass Mikroplastik in die Ozeane gelangt. Sie müssen aber noch natürliche, harmlose Verbindungen finden, um die Biofilm-Bildung der Bakterienisolate zu stimulieren und um später Kunststoffteilchen freizusetzen.
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Mikroplastik katalytisch abbauen
Bakterien brachten auch Wissenschaftler der University of Chemistry and Technology, Prag, auf eine Idee. Schon lange hatten sie die Arbeitshypothese, dass sich Mikroplastik über Katalysatoren aus der Umwelt entfernen lässt. Zusammen mit dem hochreaktiven Material führt Sonnenlicht zur Oxidation von Kunststoffen. Dabei entstehen vor allem Wasser, Kohlendioxid und Stickstoff. So viel zur Theorie. In der Praxis erwies es sich jedoch als Herausforderung, Katalysatoren und winzigen Kunststoffpartikel miteinander in Kontakt zu bringen. Das gelang allenfalls unter Laborbedingungen mit starken Rührwerken. Genau hier kamen Bakterien als Modellorganismen in das Spiel.
Um ein katalytisches Material in lichtbetriebene Mikroroboter zu verwandeln, stellten die Forscher sternförmige Partikel aus Bismutvanadat in Bakteriengröße her. Anschließend beschichteten sie die vier bis acht Mikrometer großen Strukturen gleichmäßig mit magnetischem Eisenoxid. Die Mikroroboter könnten wie Mikroben durch ein Labyrinth von Kanälen schwimmen und über ihre gesamte Länge mit Mikroplastikstücken interagieren.
Photochemischer Abbau im Laborexperiment
Die Forscher fanden im ersten Teil ihres Experiments heraus, dass Mikroroboter unter sichtbarem Licht vier gängige Kunststoffarten stark mit photochemischer Energie versorgten. Anschließend beleuchtete das Team Mikroplastik-Partikel, die mit Mikroroboter-Katalysatoren bedeckt waren, sieben Tage lang gezielt in einer verdünnten Wasserstoffperoxid-Lösung. Sie beobachteten, dass der Kunststoff 3% seines Gewichtes verlor. Außerdem veränderte sich die Oberflächenstruktur von glatt zu narbig. In der verbliebenen Lösung wurden Abbauprodukte gefunden.
Die Autoren sehen darin eine Machbarkeitsstudie. Im nächsten Schritt werden sie versuchen, die Abbauraten zu vergrößern. Als weitere Frage bleibt, wie sich Mikroroboter abtrennen und aufarbeiten lassen. Auch hier ist das Ziel, das Verfahren für Kläranlagen zu optimieren.
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