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Klärschlamm 20.05.2022, 15:16 Uhr

Phosphatdünger aus Klärschlamm

Landwirte brauchen Phosphate, um zu Düngen. Ein Großteil davon soll bald aus kommunalen Klärschlämmen stammen. Das legte die Bundesregierung 2017 fest. Unternehmen und Abwasserverwerter testen zurzeit mehrere Verfahren, diesen Rohstoff aus Klärschlamm oder der Asche nach der Verbrennung getrockneter Schlämme herauszuholen. Zwei Fachleute aus dem Umweltbundesamt geben eine Übersicht.

Eine der weltweit ersten großtechnischen Anlagen zum Phosphor‧recycling entsteht in Hamburg und wird als öffentlich private Partnerschaft zwischen Hamburg Wasser und Remondis aus Lünen betrieben. Auf dem Bild sind mehrere Verfahrensstufen des TetraPhos-Verfahrens von Remondis zur Phosphorsäure-Produktion aus Klärschlammverbrennungsasche zu sehen. Foto: Hamburger Phosphorrecyclinggesellschaft (HPHOR)

Eine der weltweit ersten großtechnischen Anlagen zum Phosphor‧recycling entsteht in Hamburg und wird als öffentlich private Partnerschaft zwischen Hamburg Wasser und Remondis aus Lünen betrieben. Auf dem Bild sind mehrere Verfahrensstufen des TetraPhos-Verfahrens von Remondis zur Phosphorsäure-Produktion aus Klärschlammverbrennungsasche zu sehen.

Foto: Hamburger Phosphorrecyclinggesellschaft (HPHOR)

Das chemische Element Phosphor ist einerseits lebenswichtig für Pflanzen und Tiere. Ein Beispiel: Verbindungen des Phosphors sind Teil der Trägersubstanz der Erbinformationen aller Lebewesen, genauer: der DNA- und RNA-Moleküle.

Phosphor ist andererseits knapp: Allein in Deutschland werden derzeit jährlich rund 190 ?000 t Phosphatdünger eingesetzt, hergestellt aus Rohphosphaten. Doch die EU ist fast vollständig von Phosphateinfuhren unter anderem aus Russland und Marokko abhängig. Dort wird Phosphatgestein abgebaut. Diese Rohphosphate sind teils stark mit Schadstoffen wie Cadmium und Uran belastet. Die Importabhängigkeit der EU zeigte sich 2008, als der Preis für Rohphosphat sprunghaft anstieg: von etwa 35 €/t in 2004 auf mehr als 350 €/t. Im Januar 2022 kostete 1 t Rohphosphat etwa 150 €.

Ein Weizenfeld wird mit „npk“-Dünger gedüngt, also mit Stickstoff („P“), Phosphor („P“) und Kalium („K“).

Foto: PantherMedia/stevanovicigor

In Deutschland wie auch in der gesamten EU wird daher nach alternativen Phosphorquellen gesucht. Eine dieser Quellen sind kommunale Klärschlämme.

Rohstoffquelle Klärschlamm

In Deutschland fallen jährlich rund 1,74 Mio. t Klärschlamm als Trockenmasse an. Diesen direkt als Dünger zu nutzen, hat lange Tradition: Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff können so direkt in den landwirtschaftlichen Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden.

Aber Klärschlamm enthält auch Schadstoffe wie Arzneimittelrückstände oder Haushaltschemikalien. Viele dieser Stoffe gelangen bei der Abwasserbehandlung zusammen mit überschüssigen Nährstoffen dort hinein. Die bodenbezogene Nutzung der Klärschlamme wurde daher umstrittener und hat, um die Umwelt zu schützen, an Bedeutung verloren: 2020 wurden 22 % des anfallenden Klärschlamms stofflich genutzt, 15 % davon direkt in der Landwirtschaft. 2010 waren es noch 30 %. 2020 wurden bereits 77 % des Klärschlamms thermisch verwertet, also verbrannt. Hierbei werden alle organischen Schadstoffe restlos zerstört.

Die bei der thermischen Verwertung entstehenden Klärschlammverbrennungsaschen gehen meist auf Deponien oder in den Bergversatz. Nur wenige Aschen werden stofflich etwa für Bauzwecke oder, da der wertgebende Phosphor erhalten bleibt, als Düngemittel genutzt. Aktuell wird der überwiegende Teil der in der Asche enthaltenen Wertstoffe dem Wirtschaftskreislauf dauerhaft entzogen.

Klärschlamm entsteht nach der abgeschlossenen Behandlung von Abwasser in Kläranlagen.Er enthält Wasser sowie organische und mineralische Bestandteile.

Foto: PantherMedia/Gudella

Weniger Phosphorimporte

Der Gedanke, Phosphor aus Klärschlämmen zurückzugewinnen und phosphorhaltige Rezyklate anstelle von importiertem Phosphatgestein als Düngemittel zu nutzen, ist nicht neu. Bereits Ende der 1990er-Jahre wurden die ersten Verfahren zur Phosphorrückgewinnung entwickelt und umgesetzt. Diese konnten sich aber großtechnisch nicht etablieren.

Auftrieb bekam die Idee, als das Bundesumweltministerium und das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2004 die Förderinitiative „Kreislaufwirtschaft für Pflanzennährstoffe – insbesondere Phosphor“ ins Leben gerufen haben.

Nach 2008 rückte die Rückgewinnung der Ressource Phosphor politisch immer mehr in den Fokus und fand 2012 im Deutschen Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) und 2014 im damaligen Koalitionsvertrag Beachtung. Im gleichen Jahr stufte die Europäische Kommission Rohphosphat als „kritischen Rohstoff“ ein.

Gesetzliche Vorgaben

Die Bundesregierung hat 2017 die Klärschlammverordnung novelliert und damit die Weichen für eine nachhaltige Klärschlammentsorgung im Sinne einer zukunftsfähigen Kreislaufwirtschaft gestellt.

Die Verordnung sieht vor, dass von 2029 an Phosphor aus kommunalen Klärschlämmen grundsätzlich zurückzugewinnen ist oder stofflich genutzt werden muss – immer dann, wenn der Phosphorgehalt in der Trockenmasse der Klärschlämme 2 % übersteigt. Das gilt von 2029 an für alle Kläranlagen mit mehr als 100 ?000 Einwohnerwerten (EW) und von 2032 für alle ab 50 ?000 EW. Die kleineren Anlagen dürfen beim Einhalten aller Schadstoffgrenzwerte aus Dünge- und Abfallrecht Klärschlämme weiterhin bodenbezogen verwerten. Alle Kläranlagen mit mehr als 50 ?000 EW müssen den Schlamm thermisch behandeln und Phosphor technisch zurückgewinnen.

Mit der novellierten nationalen ?Klärschlammverordnung hat die Bundesregierung 2017 einen maßgeblichen Baustein zur Kreislaufführung der Ressource Phosphor gelegt. Nun gilt es, diese in die Tat umzusetzen, damit 2029 die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm möglichst lückenlos vollzogen werden kann.

Phosphor aus Kläranlage oder Asche

Einige Verfahren setzten auf der Kläranlage an. Hier agieren sie im Wasserrecht und versuchen mittels Fällungs- oder Kristallisationsverfahren leicht rückgewinnbares Phosphat, genauer „Ortho-Phosphat“, aus Faulschlamm oder Schlammwasser abzuscheiden. Erzeugt wird ein gut pflanzenverfügbares Mineral, das Struvit. Ziel dieser Verfahren wird es künftig sein, auf diese Weise so viel Phosphor abzuscheiden, dass der Phosphorgehalt im Klärschlamm unter 2 % gedrückt wird.

Wesentlich höhere Mengen lassen sich zurückgewinnen, wird Phosphor im Regelungsbereich der Klärschlammverordnung nach der thermischen Vorbehandlung aus der Asche recycelt. Phosphor kann dabei in Form von Phosphorsäure oder Phosphaten herausgelöst oder die phosphathaltige Asche insgesamt als Düngemittel aufbereitet werden. Aktuell werden einige Vorhaben zur Phosphorrückgewinnung großtechnisch umgesetzt oder sind in Planung.

Ein Düngemittel aus Klärschlammasche, hergestellt in der Seraplant-Anlage in Haldensleben, Sachsen-Anhalt.

Foto: Andrea Roskosch

Ansätze, Phosphor zu recyceln

Das Umweltbundesamt mit Hauptsitz in Dessau-Roßlau begleitet mehrere Verfahren: Im Rahmen des Umweltinnovationsprogramms des Bundesumweltministeriums wird abwasserseitige Phosphorrückgewinnung auf Kläranlagen in Pirmasens, Lingen und Braunschweig gefördert.

Gefördert werden aktuell zwei Verfahren, die Phosphor aus Klärschlammverbrennungsasche wieder nutzbar machen. Eines in Hamburg – Stichwort: Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlammasche in Form von Phosphorsäure –, ein zweites in Haldensleben in Sachsen-Anhalt – Stichwort: Aufbereitung von Klärschlammaschen zu Düngemitteln.

Auch Pyrolyse-Verfahren wurden großtechnisch getestet. Doch die Erzeugung kohlenstoffhaltiger Rückstände (Karbonisate) aus Klärschlamm mit dem Ziel der direkten stofflichen Phosphornutzung ist rechtlich nach aktuellem Sachstand eine Sackgasse, da gemäß Rechtslage keine düngerechtlich zugelassenen Produkte generiert werden können.

Der Betreiber der Braunschweiger Kläranlage gewinnt das Mineral Struvit, das sich als Dünger eignet, in dieser Anlage aus Abwasser.

Foto: Andrea Roskosch

Klärschlamm verbrennen: wirbeln oder drehen

Um Phosphor aus Klärschlammasche gewinnen zu können, wird zurzeit im Bundesgebiet an mehr als 35 Standorten geplant, Mono-Verbrennungsanlagen zu errichten. Vorrangig wird dabei das bisher dominierende Verbrennungsverfahren – die stationäre Wirbelschicht – fokussiert. Es werden aber auch eine Reihe von Drehrohröfen installiert.

Das stationäre Wirbelschichtverbrennungsverfahren bietet technologische Vorzüge gegenüber anderen Verbrennungsverfahren. Denn in Wirbelschichten kann ein fast vollständiger Ausbrand gasförmiger und fester Verbrennungsrückstände erreicht werden. Auch ist dieses Verfahren durch eine hohe Wärmepufferwirkung gekennzeichnet. Das heißt, es lassen sich auch teilgetrocknete Klärschlamme mit niedrigem Energiegehalt von 4,5 MJ/kg energieautark einsetzen.

In Wirbelschichtanlagen kann auch dem hohen Stickstoffanteil im Schlamm Rechnung getragen werden. Mit geschickt gesteuerter Verbrennung kann die Bildung von Stickstoffoxiden im Verbrennungsraum selbst gesenkt werden.

Wird die Drehrohrofentechnologie verwendet, steht ein hoher Brennstoffdurchsatz im Vordergrund. Hier ist es für eine autotherme Verbrennung in alleinstehenden Anlagen notwendig, eine Volltrocknung des Schlammes auf 80 % zu erreichen. Allerdings wird mit diesem Verfahren hier der hohe Ausbrandgrad der Verbrennungsaschen in Wirbelschichten nicht erreicht, sodass mitunter die Asche weiter zu behandeln ist.

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Klärschlamm verbrennen: bei Abfallverbrennungsanlagen

Monobehandlungslinien können auch an bestehenden Abfallverbrennungsstandorten errichtet werden. Dies bietet Synergieeffekte wie die vorhandene Infrastruktur und das ausgebildete Personal eines genehmigten Standorts nach der 17. Bundesimmissionsschutzverordnung sowie der Möglichkeit einer gemeinsamen Abgasbehandlung in der bereits installierten Anlagentechnik.

So lassen sich Drehrohröfen an Abfallverbrennungsanlagen installieren, die – anders als im eigenständigen Betrieb – bereits mit geringeren Gehalten an Trockensubstanz (bis zu 30 % Trockensubstanz) gefahren werden können. Möglich wird dies durch das Ansaugen heißer Abgase aus dem Kessel der Abfallverbrennungsanlage, die im Gegenstrom durch das Drehrohr geführt werden und helfen, die Klärschlämme zu trocknen.

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Aktuelle Herausforderungen

Herausforderungen, die insbesondere in der Verzahnung zu anderen Rechtsbereichen zu finden sind, sind anzugehen. Wasser- und Düngerecht wirken sich zum Teil hindernd auf eine Phosphorrückgewinnung und den Einsatz zurückgewonnener phosphathaltiger Rezyklate aus.

Die Düngemittelverordnung muss an die neuartigen Düngemittel aus phosphathaltigen Rezyklaten angepasst werden. Asche und Schlamm dürfen nach aktuellem Recht beispielsweise nicht als Ausgangsstoff für Düngemittel eingesetzt werden, wenn sie nicht bereits die Grenzwerte der Verordnung einhalten. Aus Sicht des Bodenschutzes ist eine möglichst weitreichende Abreicherung von Schadstoffen aus den Klärschlämmen und Aschen notwendig.

Wasserrechtlich fehlen derzeit Regelungen zur Rückgewinnung von Nährstoffen. Verpflichtende Regelungen würden helfen, die Phosphorrückgewinnung und Kreislaufführung der Rezyklate bereits auf der Kläranlage zu stärken und die abfallrechtlichen Maßnahmen zu unterstützen.

Fazit

Im Klärschlamm sammelt sich ein großer Teil des Phosphors aus der menschlichen Nahrungsaufnahme und industriellen Anwendungen. Künftig soll die wertvolle Ressource Phosphor so vollständig und so schadstoffarm wie möglich daraus zurückgewonnen werden. Einerseits wird so ein wichtiger Beitrag nicht nur zu ?einer nachhaltigen, umweltfreundlichen Kreislaufwirtschaft geleistet, andererseits die rohstoffpolitische Abhängigkeit Deutschlands verringert.

Im Koalitionsvertrag 2021 „Mehr Fortschritt wagen“ heißt es auf Seite 32: „Stoffe im Abwasser können auch Rohstoffe sein, die im Sinne der Kreislaufwirtschaft genutzt werden sollten.“ In diesem Sinne sollte die Umsetzung der Phosphorrückgewinnung in den nächsten Jahren vorangebracht und zum Stand der Technik werden.

www.umweltbundesamt.de

Von Andrea Roskosch & Patric Heidecke

Andrea Roskosch
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachgebiet Abwassertechnikforschung, Abwasserentsorgung Umweltbundesamt
andrea.roskosch@umweltbundesamt.de
Foto: privatPatric Heidecke
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachgebiet Abfalltechnik, Abfalltechniktransfer Umweltbundesamt
patric.heidecke@umweltbundesamt.de
Foto: UBA