Weltwassertag: Das ist die Wasserbilanz von Deutschland
Die verfügbare „erneuerbare“ Wassermenge in Deutschland hat abgenommen. Doch: Es wird auf Jahre hinaus bundesweit noch ausreichend Wasser verfügbar sein. Einige Regionen leiden aber heute bereits zeitweise unter Wassermangel.
Seit 2011 zeigt sich in Deutschland ein verringertes Niederschlags- und Wasserdargebot. Mit einer kurzen Unterbrechung durch das extreme Hochwasser im Mai und Juni 2013 hatte die Trockenheit 2018 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Sie dauert in 2019 abgeschwächt noch an. Insbesondere das Extremjahr 2018 hat die Bedeutung der Verfügbarkeit der Ressource Wasser für unser heutiges Leben verdeutlicht. Es kam vermehrt die Frage auf, ob dies ein Zeichen des „globalen Klimawandels“ ist. Ebenso herrscht darüber Besorgnis, was an Entwicklungen in naher und ferner Zukunft zu erwarten ist. Neben Aussagen zu Extremereignissen wie Hoch- und Niedrigwasser interessiert die generelle Verfügbarkeit von Wasser. Eine ausreichende Wasserverfügbarkeit ist für viele Nutzungen als Trink- und Brauchwasser, zur landwirtschaftlichen Bewässerung oder für die Energiewirtschaft weiter erforderlich.
Das als vieljährige Mittelwerte ausgewiesene „potenzielle Wasserdargebot“ ist eine wichtige Größe für den Wasservorrat wie auch die vergleichbare gemäß der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf Jahresbasis erhobene „erneuerbare Wasserressource“. Das Wasserdargebot einer Gebietseinheit – hier Deutschland – wird auf Basis der Wasserbilanz aus der Differenz der vieljährig gemittelten Jahressumme von Niederschlag und tatsächlicher Verdunstung (Evapotranspiration) vermehrt um das vieljährige Mittel des Zuflusses aus Nachbargebieten (Oberliegern) ermittelt. Die Zuflüsse über die Oberflächengewässer in das Bundesgebiet werden an Hand grenznaher Pegel ermittelt. Unterirdische Zu- und Abflüsse grenznaher Grundwasserkörper sind prinzipiell auch zu beachten. Auf der hier vorgestellten Ebene können diese jedoch vernachlässigt werden.
Periode 1991 bis 2017
Derzeit wird die von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) festgelegte Standardnormalperiode 1961 bis 1990 als Betrachtungsperiode in den nationalen und internationalen Statistiken geführt. Da dieser Zeitraum gerade in der Diskussion um den Klimawandel der jüngeren Vergangenheit nicht mehr aktuell erscheint, wird hier die vorläufige, etwas verkürzte 27-jährige Zeitreihe 1991 bis 2017 vergleichend hinzugezogen. In der Tabelle auf der Rückseite sind neben Wasserbilanzgrößen beispielhaft die Einzeljahre 2002, 2003 und 2018 aufgeführt. Diese repräsentieren seit 1991 hinsichtlich der erneuerbaren Wasserressource das nasseste, das trockenste und das zweittrockenste Jahr. Bei 2018 handelt es sich um vorläufige Angaben.
Zur Veranschaulichung der interannuellen Variabilität (IAV) der Wasserbilanzgrößen, also der Schwankungen von Jahr zu Jahr, wird in der Tabelle die Standardabweichung der Jahresmittel der vieljährigen Periode ausgewiesen. Für Deutschland ergibt sich ein potenzielles Wasserdargebot für die Jahresreihe 1961/90 in Höhe von 188 km³, was einer Wassersäule von 526 mm/m² entspricht. In der Zeitreihe 1991/2017 ist das mittlere Dargebot um knapp 5 Prozent auf 178 Mrd. m³ gesunken.
Es fällt auf, dass die IAV der einzelnen Wasserbilanzgrößen sich im jüngeren Zeitraum gegenüber dem älteren um etwa 5 Prozentpunkte verringert hat. Abnahmen in Form von linearen Trends weisen der Zufluss aus dem Ausland mit minus 3 % und der gebietsbürtige Abfluss verstärkt von minus 10 % auf. Für die erneuerbare Wasserressource ergibt sich damit eine Abnahme von gerundet 7 %. Obwohl das Niederschlagsdargebot, das die Einnahmeseite der Wasserbilanz repräsentiert, trotz der relativ trockenen Jahre im jüngeren Zeitraum, von 278 Milliarden m³ auf 285 Milliarden m³ um 2,5 % angewachsen ist, verursacht die Zunahme der Evapotranspiration von 161 Milliarden m³ auf 176 Milliarden m³ (plus 10 %) den Rückgang der Wasservorräte. Das vermehrte Niederschlagsdargebot wird also durch die erhöhte Verdunstung aufgebraucht.
Wird es wärmer, verdunstet mehr
Während die Zunahme des Niederschlages aktuell noch im Rahmen der in langen Reihen beobachteten natürlichen Variabilität eingeordnet werden kann, ist die erhöhte Verdunstung mit großer Wahrscheinlichkeit dem vergrößerten Energiedargebot aus der Atmosphäre und damit dem globalen Klimawandel zuzuschreiben. So weist die Lufttemperatur im Flächenmittel von Deutschland einen linearen Trend von +1.8°C (1961/2017) auf. Eine wärmere Atmosphäre kann zudem mehr Wasserdampf aufnehmen, was die Verdunstung zusätzlich erhöht.
Wie sich das Wasserdargebot im Zeichen des Klimawandels weiter entwickeln könnte, muss im Rahmen der vom IPCC (International Panel of Climate Change) vorgegebenen Emissionsszenarien der klimawirksamen Gase unter Verwendung von Erd-System-Modellen, regionalen Klimamodellen sowie Wasserhaushaltsmodellen in Projektionen der Wasserhaushaltskomponenten errechnet werden. Zur Einschätzung der möglichen zukünftigen Verhältnisse müssen die Ergebnisse mehrerer Modelle hinzugezogen werden, um bestehende Unsicherheiten abschätzen zu können. Diese Unsicherheiten äußern sich in einer Bandbreite von Ergebnissen unterschiedlicher Modellierungsketten.
Die Berechnungen für das Wasserdargebot unter Annahme des ungünstigsten Emissionspfades zeigen für die nahe Zukunft (2021/50) noch indifferente Änderungen. Es werden Abnahmen des Wasserdargebotes von 5 aber auch Zunahmen von 10 % für die nahe Zukunft ermittelt. Für die ferne Zukunft (2071/2100) deuten mehr Projektionen auf eine Verringerung der Wasservorräte um bis zu 15 Prozent hin. Aber Zunahmen um 10 % sind nicht auszuschließen. Diese Zunahmen könnten eintreten, nehmen auf Grund der Intensivierung des Wasserkreislaufes die Niederschläge in den Wintermonaten so stark zu, dass sie den sich erhöhenden Verdunstungsanspruch der Atmosphäre, anders als gegenwärtig beobachtet, ausgleichen oder gar überbieten.
Regionaler Wasserstress
Entsprechend dem Fortschritt im Wissensstand zum Globalen Klimawandel müssen die Erkenntnisse für den Wasserhaushalt in Mitteleuropa und Deutschland fortgeschrieben werden. Die Ergebnisse deuten in mehreren Regionen bereits jetzt auf eine Verschärfung des Jahresganges, das heißt einer möglichen Zunahme des Wasserdargebotes in Wintermonaten und einer deutlichen Abnahme in den Sommermonaten hin.
Die Wasserwirtschaft muss sich also gegebenenfalls auf die Bewältigung von vermehrten Jahren mit Wasserstress und geänderter jahreszeitlicher Verteilung einstellen. Bei der Deutung der bundesweit gültigen Angaben zum Wasserdargebot und seiner zukünftigen Entwicklung gilt es zu beachten, dass die Wasservorräte nicht flächendeckend, sondern vorrangig als Oberflächenwasser entlang großer Flüsse verfügbar sind. Als Grundwasser ist es regional an mächtige und ergiebige Grundwasserleiter gebunden. Die vergangenen ebenso wie die erwarteten Veränderungen sind regional unterschiedlich stark ausgeprägt. Schon heute gibt es Regionen mit Wassermangel in Deutschland.
Peter Krahe, Dr. Enno Nilson, Bundesanstalt für Gewässerkunde, Koblenz, krahe@bafg.de