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KI-Rechenzentren erfordern günstige Stromalternativen 28.01.2025, 15:00 Uhr

Atomstrom für Künstliche Intelligenz zu teuer

Die globale Atomkraftindustrie befindet sich weiterhin in einer Phase der Stagnation, obwohl der weltweite Energiebedarf stetig wächst. Insbesondere durch den steigenden Stromverbrauch von KI-Rechenzentren rückt die Debatte um die effizienteste Energiequelle zunehmend in den Fokus. Während Atomstrom lange Zeit als zuverlässige Option galt, zeigen aktuelle Entwicklungen, dass die hohen Kosten und langen Bauzeiten nuklearer Anlagen deren Attraktivität mindern. Alternative Energiequellen gewinnen daher zunehmend an Bedeutung, sowohl auf globaler Ebene als auch speziell in Europa, wo unterschiedliche Strategien verfolgt werden.

Für KI-Anwendungen ist Atomstrom zu teuer. Foto: wlad074/Adobe Stock

Für KI-Anwendungen ist Atomstrom zu teuer.

Foto: wlad074/Adobe Stock

Weltweit bleibt der Zubau neuer Atomkraftwerke hinter den Erwartungen zurück. Trotz der ambitionierten Ziele einiger Länder ist die tatsächliche Entwicklung schleppend. Die Internationale Energieagentur (IEA) betont, dass Investitionen in Kernenergie bis 2030 auf rund 117 Mrd. € verdoppelt werden müssten, um eine tragende Rolle im Energiemix zu sichern. Die Realität sieht jedoch anders aus: Im Jahr 2024 gingen nach Angaben der IEA lediglich sechs neue Atomkraftwerke in Betrieb, während vier endgültig stillgelegt wurden. Dies bedeutet einen Nettozuwachs von nur zwei Anlagen. Die langfristige Entwicklung bleibt ungewiss, da sich zahlreiche Projekte aufgrund regulatorischer Hürden, steigender Baukosten und gesellschaftlicher Widerstände verzögern oder scheitern. Insbesondere in westlichen Industriestaaten gibt es eine kritische Haltung gegenüber der Atomkraft, während einige asiatische Länder wie China und Indien weiter auf den Ausbau setzen.

Weniger als ein Viertel aller Reaktoren weltweit sind in der EU

In Europa zeigt sich ein differenziertes Bild: Mit 100 aktiven Reaktoren ist weniger als ein Viertel aller weltweit betriebenen Atomkraftwerke in der Europäischen Union angesiedelt. Während Frankreich seine Energieversorgung weiterhin stark auf Kernkraft stützt und Polen neue Reaktoren plant, setzen andere Länder verstärkt auf erneuerbare Energien. Deutschland hat sich nach dem Atomausstieg im Jahr 2023 – nach heutigem Stand – endgültig von der Kernkraft verabschiedet und investiert massiv in Wind- und Solarenergie. Großbritannien hingegen verfolgt eine Mischstrategie, bei der sowohl neue Atomkraftwerke als auch erneuerbare Energien eine Rolle spielen. Finnland hat mit dem vor wenigen Jahren in Betrieb genommenen Reaktor Olkiluoto 3 ein Beispiel für moderne Reaktortechnologie geliefert, jedoch auch gezeigt, dass die Bauzeiten enorm lang sind: Der Reaktor wurde mit zwölf Jahren Verspätung fertiggestellt.

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KI-Rechenzentren: Werden die Karten neu gemischt?

Der zunehmende Energiebedarf durch KI-Rechenzentren stellt besondere Herausforderungen an die Stromversorgung. Unternehmen wie Google, Microsoft und Amazon investieren in eigene Energieinfrastrukturen, um eine zuverlässige Versorgung sicherzustellen. Microsoft kündigte an, 80 Mrd. US-$ in den Ausbau von KI-Rechenzentren zu investieren. Gleichzeitig prüft Google den Einsatz von Mini-Atomkraftwerken, sogenannten Small Modular Reactors (SMRs), um den hohen Energiebedarf zu decken. Dennoch bleiben wirtschaftliche und regulatorische Herausforderungen bestehen: Die Kosten für den Bau von Atomkraftwerken sind enorm hoch, und selbst SMRs haben derzeit noch keine Marktreife erreicht. Darüber hinaus sind nukleare Energieprojekte langfristige Investitionen, die sich erst über Jahrzehnte amortisieren, während Unternehmen der Tech-Branche kurzfristigere Lösungen benötigen.

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Ein weiteres Problem sind die enormen Betriebskosten: Neben den hohen Anfangsinvestitionen für den Bau kommen laufende Kosten für Wartung, Sicherheit und Entsorgung hinzu. Diese Faktoren machen Atomstrom für KI-Rechenzentren wenig attraktiv. Stattdessen setzen viele Unternehmen auf erneuerbare Energien, die nicht nur kosteneffizienter, sondern auch schneller umsetzbar sind. Große Rechenzentren werden zunehmend mit Solar- und Windenergie betrieben, da diese Technologien sowohl in der Skalierung als auch in der Kostenstruktur Vorteile bieten.

Erneuerbare Energien holen in Wirtschaftlichkeit und Verfügbarkeit auf

Die Windenergiebranche erlebt weltweit ein dynamisches Wachstum. Insbesondere in Deutschland, aber auch in anderen Teilen Europas, werden große Windparks errichtet, die erhebliche Mengen an Energie bereitstellen. Offshore-Windparks spielen zunehmend eine Rolle, da sie konstante Windverhältnisse nutzen können und eine hohe und vor allem gleichmäßige Energieausbeute ermöglichen. Länder wie Dänemark und Großbritannien setzen verstärkt auf Offshore-Windkraft, um ihren Energiemix zu diversifizieren. Die technologische Weiterentwicklung im Bereich der Speichersysteme trägt dazu bei, die Volatilität erneuerbarer Energien besser auszugleichen. Moderne Batteriespeicher sowie innovative Wasserstofftechnologien ermöglichen eine kontinuierliche Energieversorgung, die für Rechenzentren essenziell ist.

Auch die Solarenergie hat erhebliche Fortschritte gemacht. Sinkende Produktionskosten und technologische Entwicklungen haben die Photovoltaik zu einer der preislich interessanten Energiequellen gemacht. Große Tech-Unternehmen investieren massiv in Solarparks, um ihren Strombedarf zu decken. Tesla beispielsweise baut eigene Solarfarmen, um seine Gigafactories mit nachhaltigem Strom zu versorgen. In vielen europäischen Ländern entstehen große Solarparks, die zur Stabilisierung der Energieversorgung beitragen. Zudem gibt es hybride Konzepte, bei denen Solar- und Windenergie kombiniert werden, um eine möglichst gleichmäßige Stromproduktion zu gewährleisten.

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Energie für KI-Rechenzentren: Planungssicherheit eher bei den Erneuerbaren

Wesentliche Faktoren für die Zukunft der Energieversorgung von KI-Rechenzentren sind die Speicherung und Netzstabilität. Da erneuerbare Energien naturgemäß Schwankungen unterliegen, sind leistungsfähige Speichersysteme notwendig, um eine unterbrechungsfreie Versorgung sicherzustellen. Batterietechnologien entwickeln sich stetig weiter, und innovative Lösungen wie Wasserstoffspeicher und intelligente Netze tragen dazu bei, erneuerbare Energien noch effizienter nutzbar zu machen. Unternehmen setzen zunehmend auf dezentrale Energieversorgungskonzepte, bei denen lokale Erzeugung und Verbrauch optimiert werden. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass Atomstrom trotz seiner Vorteile in puncto Grundlastfähigkeit und CO2-Freiheit für KI-Rechenzentren keine wirtschaftlich sinnvolle Lösung darstellt. Die hohen Baukosten, langen Realisierungszeiten und regulatorischen Unsicherheiten machen nukleare Energieprojekte unattraktiv für die schnell wachsenden Anforderungen der Tech-Industrie. Erneuerbare Energien bieten hingegen eine skalierbare, flexible und kosteneffiziente Alternative, die sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt.

Von Elke von Rekowski