Boom mit Folgen: Künstliche Intelligenz ist ein Energiefresser
Generative KI-Modelle wie ChatGPT und DALL-E begeistern die Welt, doch ihr rasantes Wachstum hat auch eine Kehrseite: einen enormen Verbrauch an Strom und Wasser. Experten warnen vor den Umweltauswirkungen und suchen nach Lösungen.
Der Hype um generative künstliche Intelligenz (KI) ist groß: Mächtige Sprachmodelle wie GPT-4 von OpenAI versprechen revolutionäre Fortschritte in vielen Bereichen, von der Arbeitswelt bis zur Wissenschaft. Doch während die Technologie in Rekordtempo voranschreitet, geraten ihre Umweltfolgen zunehmend in den Fokus. Denn das Training und der Einsatz der KI-Systeme verschlingen gewaltige Mengen an Ressourcen – allen voran Strom und Wasser.
„Wenn wir über die Umweltauswirkungen generativer KI nachdenken, geht es nicht nur um den Stromverbrauch, wenn man den Computer an die Steckdose anschließt. Es gibt viel umfassendere Konsequenzen, die bis auf Systemebene reichen“, erklärt Elsa A. Olivetti, Professorin am MIT. Sie ist Hauptautorin einer Studie, die das Potenzial von KI sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht beleuchtet.
Ursache des Problems sind die Rechenzentren, in denen die leistungshungrigen KI-Modelle trainiert und betrieben werden. Allein in Nordamerika ist ihr Strombedarf laut Schätzungen zwischen Ende 2022 und Ende 2023 von 2.688 auf 5.341 Megawatt gestiegen – nicht zuletzt aufgrund der generativen KI. Weltweit haben die Zentren 2022 bereits 460 Terawatt verbraucht, bis 2026 könnten es über 1.000 Terawatt sein. Das würde die KI-Rechenzentren in der Liste des globalen Energieverbrauchs auf den fünften Platz bringen – zwischen Japan und Russland.
KI verschlingt mehr Strom als ganze Länder
Das Training eines einzelnen Sprachmodells wie GPT-3 kann laut einer Studie 1.287 Megawattstunden Strom kosten – genug für 120 US-Haushalte ein Jahr lang. Doch der Energiehunger generativer KI endet nicht mit dem Training. Jede Nutzung, etwa eine Anfrage an ChatGPT, verbraucht ebenfalls Strom – Schätzungen zufolge fünfmal mehr als eine normale Websuche. Durch die massenhafte Verbreitung könnte dieser „Inference“-Bedarf den Löwenanteil ausmachen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Branche immer größere und komplexere Modelle in immer kürzeren Abständen auf den Markt wirft. Die Energie für das Training der Vorgänger ist damit oft verschwendet. Um die Schwankungen im Strombedarf der Trainingsprozesse abzufedern, kommen in Rechenzentren häufig klimaschädliche Dieselgeneratoren zum Einsatz.
Wachsende Nachfrage nach Wasser und Hardware
Neben Strom hat generative KI auch einen hohen Wasserbedarf. Denn pro verbrauchter Kilowattstunde Energie benötigen die Rechenzentren zwei Liter Kühlwasser, wie Forscher schätzen. „Nur weil es sich um Cloud-Computing handelt, bedeutet das nicht, dass die Hardware in der Cloud lebt“, sagt Noman Bashir, KI-Forscher am MIT. Das kann die kommunale Versorgung belasten und Ökosysteme stören. Einen indirekten, aber wachsenden Umwelteinfluss hat zudem die steigende Nachfrage nach leistungsstarker Hardware wie Grafikprozessoren (GPUs) für KI-Anwendungen.
Allein die Rohstoffgewinnung und Chipherstellung ist mit erheblichen Emissionen und Umweltbelastungen verbunden. Laut einer Marktanalyse haben die drei größten GPU-Hersteller 2023 schon 3,85 Millionen Einheiten an Rechenzentren geliefert – Tendenz stark steigend. Der CO2-Fußabdruck eines Grafikprozessors wird durch die Emissionen im Zusammenhang mit dem Material- und Produkttransport noch verstärkt. „Die Branche befindet sich auf einem nicht nachhaltigen Weg, aber es gibt Möglichkeiten, eine verantwortungsvolle Entwicklung der generativen KI zu fördern“, erklärt Bashir.
Forschende fordern ganzheitliche Betrachtung und Regulierung
Laut den MIT-Expertinnen und -Experten braucht es dafür einen Blick auf das große Ganze: Eine umfassende Berücksichtigung aller ökologischen und gesellschaftlichen Kosten der generativen KI sowie eine detaillierte Bewertung des Wertes ihrer Vorteile. „Wir brauchen eine kontextbezogenere Methode, um die Auswirkungen neuer Entwicklungen in diesem Bereich systematisch und umfassend zu verstehen. Aufgrund der Geschwindigkeit, mit der es Verbesserungen gab, hatten wir keine Gelegenheit, unsere Fähigkeiten zur Messung und zum Verständnis der Kompromisse auf den neuesten Stand zu bringen“, erläutert Olivetti.
Es bleibt zu hoffen, dass Politik und Wirtschaft die Warnungen der Wissenschaft ernst nehmen und den KI-Boom in umweltverträglichere Bahnen lenken. Denn so faszinierend die Möglichkeiten generativer Modelle sind: Ihr Erfolg darf nicht auf Kosten von Klima und Ressourcen gehen. Gefragt sind kluge Regulierung, technologischer Fortschritt und ein Bewusstsein für die Folgen der KI-Revolution.