„Flexibilität ist die neue, harte Währung im Energiesystem“
Die Energiewende wird ohne Smart Meter nicht funktionieren. Denn um das Stromnetz im Lot zu halten, braucht es eine intelligente Vernetzung von Erzeugern und Verbrauchern. Darüber hinaus eröffnen Smart Meter weitere Vorteile, sagt Susan Käppeler von sonnen, im Interview.
Frau Käppeler, mit dem Gesetz zum Neustart der Energiewende (GDEW) soll der Markthochlauf von Smart Metern ins Rollen kommen. Begrüßen Sie die neue gesetzliche Regelung und reicht diese aus?
Susan Käppeler: Natürlich begrüßen wir jeden Schritt, der uns dem Smart Meter Rollout näherbringt. Und da ist das GDEW der vielversprechendste Ansatz, den wir bisher gesehen haben. Man muss aber auch sagen, wir stehen in Deutschland fast noch bei Null, was die Smart-Meter-Ausrüstung von Haushalten mit Photovoltaik (PV)-Erzeugung betrifft. Wir wissen also nicht, wie schnell das ab 2025 tatsächlich gehen wird.
Wir bei sonnen wollen und können diese Entwicklung aber ohnehin nicht abwarten. Die dringend notwendige Digitalisierung der Energieversorgung beginnt bei den Smart Metern und ist fester Bestandteil unserer Produkte. Unser gesamtes System ist nach dem Grundsatz „Digital by Design“ konzipiert, sodass unser eigener Smart Meter Rollout bereits seit 2016 läuft.
Welches Potenzial bieten Smart Meter für die Energiewende?
Kurz gesagt, die Energiewende wird ohne Smart Meter nicht funktionieren. Wir sind heute bereits an einem Punkt, an dem der reine Zubau von PV-Anlagen sowie die Integration von Wärmepumpen und E-Autos an die Grenzen unserer Stromnetze stoßen. Fast 50 % unseres Stromverbrauchs werden mittlerweile aus erneuerbaren aber damit auch unbeständigen Energiequellen gedeckt. Deshalb braucht die Energiewende eine intelligente Vernetzung von Erzeugern und Verbrauchern. Und intelligent heißt digital.
An entscheidenden Knotenpunkten, wie dem heimischen Stromzähler, finden wir noch Technik aus der Zeit der Wählscheibentelefone. Denn für die Netzbetreiber sind die meisten Haushalte eine Blackbox; niemand weiß, wie viel Strom dort wann genau von wem erzeugt oder verbraucht wird. Um aber steuern zu können, brauchen wir Daten, und die liefern Smart Meter.
Welchen Impact das bereits heute in der Praxis hat, haben wir Anfang des Jahres gezeigt, mit der erfolgreichen Integration von E-Autos in unser virtuelles Kraftwerk: Durch intelligente Vernetzung kann der Übertragungsnetzbetreiber TenneT auf die Speicherkapazität von Fahrzeugen der „sonnenCommunity“ zurückgreifen und dadurch Frequenzschwankungen im Stromnetz abfedern. Das Auto wird damit vom reinen Transportmittel zum aktiven Teil des Energiesystems.
Doch lohnt sich das auch wirtschaftlich für die Verbraucherinnen und Verbraucher?
Das Image der Smart Meter hat durch die lange Einführungszeit in Deutschland und den damit verbundenen Unsicherheiten leider etwas gelitten. Bisher waren die laufenden Kosten pro Jahr für einen Smart Meter auch deutlich höher als bei den analogen Zählern. Hier hat der Gesetzgeber 2023 allerdings Abhilfe geschaffen, indem sich die Netzbetreiber an den jährlichen Kosten von Smart Metern beteiligen müssen. Denn auch die Netzbetreiber haben durch die zukünftig vorhandenen Messungen in ihrem Netzgebiet einen relevanten Vorteil von einem flächendeckenden Smart Meter Rollout. Für Verbraucherinnen und Verbraucher heißt das: Smart Meter erzeugen außer einmaligen Installationskosten in den meisten Anwendungsfällen keine relevanten Mehrkosten. Und sie bieten neue Chancen: Erst mit dem Einsatz von Smart Metern können Haushalte von schwankenden Strompreisen profitieren und ihren Verbrauch danach ausrichten. Und erst mit Smart Metern kann ich mit der Flexibilität meines Speichers, meiner Wärmepumpe oder meines E-Autos zusätzliches Geld am Energiemarkt verdienen. Bei unserer „sonnenFlat direkt“ übernehmen wir die Installationskosten und die jährlichen Gebühren, solange die Kundinnen und Kunden bei uns im Stromvertrag sind. Auch damit wollen wir die Hürden senken.
Welche weiteren Perspektiven eröffnen sich?
Eine landesweite Versorgung mit sauberen Energien und die gleichzeitige Elektrifizierung des Wärme- und Mobilitätssektors bedeuten, dass wir entweder viel zu viel oder viel zu wenig Strom haben werden. Deswegen wird der Zeitpunkt, wann ich Strom ins Netz einspeise, speichere, mein Auto lade oder meine Wärmepumpe aktiviere, entscheidend sein. Flexibilität ist die neue, harte Währung im Energiesystem. Und damit öffnen sich für private Haushalte sehr große Perspektiven, an die heute vielleicht noch niemand denkt. Es ist ein bisschen wie bei der Einführung des Internets in den 1990er-Jahren, wir stehen noch ganz am Anfang eines neuen Zeitalters, das die bisherige Energiewelt grundlegend verändern wird. Mit unserem virtuellen Kraftwerk machen wir unseren Kundinnen und Kunden das Potenzial der Flexibilität schon heute zugänglich, indem wir ihre Speicher zum Beispiel für das Erbringen von Regelleistung nutzen (Frequency Containment Reserve, FCR). Daraus ergeben sich wirtschaftliche Vorteile, die über die klassische EEG-Vergütung oder den Eigenverbrauch hinausgehen.
Kürzlich erweiterten Sie Ihre Energiepartnerschaft mit dem wettbewerblichen Messstellenbetreiber Solandeo. Was versprechen Sie sich davon?
Wie gesagt, für unser Geschäftsmodell ist der Smart Meter eine Grundvoraussetzung. Mit unserem virtuellen Kraftwerk bieten wir ein Instrument, um Angebot und Nachfrage auszugleichen. Ohne Smart Meter würden wir hier keine Mehrwerte für die Stromnetze schaffen und könnten unsere Leistungen auch nicht abrechnen. Und da es in unserem Segment bisher kaum Smart Meter gibt, sind wettbewerbliche Messstellenbetreiber wie Solandeo sehr wichtige Partner für uns, um unsere Technologie und letztlich die Energiewende voranzutreiben.
Frau Käppeler, vielen Dank für das Gespräch.
Susan Käppeler ist Country Managerin DACH bei sonnen. Foto: sonnen