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Digitalisierung 17.07.2024, 11:30 Uhr

Quantentechnologien für sichere Energie-Infrastruktur

Wie lässt sich die Energie-Infrastruktur in Zeiten zunehmender Cyberbedrohungen wirksam gegen Angriffe absichern? Forschende wollen das jetzt mithilfe von Quantentechnologie erreichen.

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Kritische Infrastruktur ist von Cyberangriffen bedroht. Kann Quantentechnologie für mehr Sicherheit sorgen?

Foto: PantherMedia/vectorfusionart

Strom und Gastrassen sowie Kommunikationsnetzwerke gehören zur kritischen Infrastruktur und sind essenziell für das Funktionieren moderner Gesellschaften. Vor diesem Hintergrund startete ein neues Forschungsprojekt unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena, das mithilfe moderner Quantentechnologie die Sicherheit dieser Netzwerke erhöhen soll. Das Projekt mit dem Namen „Mantis“ (Messgerätunabhängige QKD und sichere Systemsynchronisation für Anwendungen in Gasleitsystemen und kritischer Infrastruktur) zielt darauf ab, neue Maßstäbe im Schutz vor Hackerangriffen zu setzen. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch Cyberangriffe wird die Notwendigkeit einer robusten Sicherheitsstrategie immer dringlicher. Das Herzstück des Projekts bildet die Quantenkommunikation, insbesondere die Quantenschlüsselverteilung (Quantum Key Distribution, QKD).

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Quantentechnologie als Grundlage der Sicherheit

QKD nutzt die Prinzipien der Quantenphysik, um extrem sichere Kommunikationswege zu schaffen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden der Datenverschlüsselung basiert QKD auf der Übertragung von Quantenbits (Qubits), die aufgrund ihrer quantenmechanischen Eigenschaften eine abhörsichere Kommunikation ermöglichen. In einfachen Worten ausgedrückt, ist die Quanteninformatik eine Technik des Rechnens, die Phänomene der Quantenmechanik, wie Superposition und Verschränkung, verwendet, um komplizierte Berechnungen durchzuführen, die für herkömmliche Computer nicht effizient lösbar sind. Quantencomputer nutzen dabei Qubits, die die Fähigkeit haben, gleichzeitig in mehreren Zuständen zu existieren, wodurch eine riesige Anzahl paralleler Berechnungen möglich wird. Im Vergleich dazu können die Bits der klassischen Computertechnik nur die Zustände 0 und 1 annehmen.

Hacker aussperren

Das Projekt Mantis geht jedoch einen Schritt weiter als herkömmliche QKD-Methoden. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung einer messgeräteunabhängigen (Measurement-device-independent, MDI) und chipbasierten QKD. Diese spezielle Form der QKD zielt darauf ab, die Sicherheitslücken herkömmlicher Systeme zu schließen, insbesondere gegen sogenannte Seitenkanalangriffe. Diese Angriffe treten auf, wenn Hacker Zugang zu den Messgeräten erhalten, die zur Entschlüsselung der Quantenschlüssel beim Empfänger verwendet werden.

„Alle Messgeräte können hier praktisch direkt in den Händen eines Hackers liegen. Allerdings nützt der Zugang zu den Messgeräten dem Angreifer nichts, denn das MDI-QKD-Protokoll stellt sicher, dass die Messinformationen für den Abhörer unbrauchbar sind“, erläutert Christopher Spiess, wissenschaftlicher Kontakt der Abteilung Zukunftstechnologien und Projektleiter Mantis am Fraunhofer IOF.

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Bei der MDI-QKD, auf der das Projekt Mantis basiert, übermitteln mehrere Nutzer ihre Quantensignale an einen zentralen Knotenpunkt. Durch die Korrelation der Messergebnisse wird die Vertraulichkeit des Schlüsselaustauschs gewährleistet. Dies schließt eine Reihe bekannter Angriffsvektoren auf das Detektionssystem aus und ermöglicht einen sicheren Quantenschlüsselaustausch, selbst wenn ein Angreifer physischen Zugang zu den Messgeräten hat. Darüber hinaus ist Mantis ein wichtiger Zwischenschritt hin zur sogenannten Twin-Field (TF)-QKD. Während bei herkömmlichen Methoden Sender und Empfänger direkt miteinander kommunizieren, wird bei MDI-QKD ein dritter Punkt, eine Zwischenstation, eingeführt. Dieser Aufbau ähnelt der TF-QKD, bei der zusätzlich eine hochgenaue Stabilisierung der Übertragungsstrecken erforderlich ist, um besonders weite Distanzen zu erreichen.

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Vorreiterrolle Deutschlands in der Quantenkommunikation

Das Mantis-Projekt wird bis 2027 umgesetzt und erhält eine Förderung von 86 % durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Von den Gesamtkosten von 5,11 Mio. € fließen etwa 1,45 Mio. € an das Fraunhofer IOF in Jena. Weitere Projektpartner sind das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS/EAS in Dresden, das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT in Aachen, die Universität Münster und das Unternehmen PSI Software SE aus Berlin.

Mit dem Projekt Mantis wird ein wichtiger Schritt in Richtung einer sichereren Energie-Infrastruktur unternommen. Durch die Anwendung modernster Quantentechnologie, insbesondere der MDI-QKD, sollen Gasleitnetze, Stromtrassen und Kommunikationssysteme besser gegen Cyberangriffe geschützt werden. Die Entwicklung dieser Technologie verspricht nicht nur eine höhere Sicherheit für kritische Infrastrukturen, sondern auch eine Vorreiterrolle Deutschlands in der Anwendung von Quantenkommunikation.

„Aufbauend auf dem Vorhaben in Mantis soll es perspektivisch ein solches Twin-Field-Protokoll geben. Die Arbeit im Projekt Mantis ist daher auch ein wichtiger Meilenstein hin zu extremen Entfernungen für die Quantenkommunikation,“ erklärt Spiess als Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.

Praxistauglichkeit im Blick

Durch die enge Zusammenarbeit von Forschungsinstituten und Unternehmen soll sichergestellt werden, dass die entwickelten Lösungen praxisnah und effektiv sind. Der Einsatz von Quantentechnologie in der Energie-Infrastruktur könnte somit ein neuer Standard im Kampf gegen Cyberangriffe werden.

Von Elke von Rekowski