Bergwerke werden zu Batterien
Wenn Medien wie Sand oder Wasser zum tiefsten Punkt von stillgelegten Minen transportiert werden können sie Strom erzeugen. Bei Energieüberschuss werden sie wieder ans Tageslicht geholt.
Stillgelegte Bergwerke, deren Schächte noch nicht verfüllt sind, können die Energiewende weiter voranbringen. Die potenzielle Energie zwischen der Nullebene und dem Grund der Anlage in Tiefen von oft 1 000 m und mehr lässt sich zur Speicherung von überschüssigem Strom nutzen, ähnlich wie in einem Pumpspeicherkraftwerk. Die jüngste Idee zum Umbau einer Mine in eine Batterie kommt vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien, Österreich.
Die Forschenden wollen die Förderkörbe nutzen, um schwere Behälter, die mit Sand gefüllt sind, in die Tiefe abzusenken. Die Fördermaschine soll dabei im Generatorstatus als Bremse wirken, die Strom erzeugt. Das ist der Modus für die Einspeisung von Strom ins Netz, wenn Lücken entstehen, etwa durch Flauten oder fehlende Sonne, kurz durch eine „Dunkelflaute“, ein Begriff, der beides abdeckt.
Stromverkauf zu Spitzenpreisen
Wenn dagegen mehr Strom erzeugt als verbraucht wird kommt wieder die Fördermaschine ins Spiel. Im Modus „Motor“ hievt sie jetzt die sandgefüllten Behälter wieder ans Tageslicht, sodass sie bei der nächsten Dunkelflaute eingesetzt werden können. Underground Gravity Energy Storage (UGES) nennen die IIASA-Forschenden ihr Konzept, das für den Betreiber ein lukratives Geschäft sein kann. Überschussstrom kostet nur wenig, manchmal sogar nichts oder die Netzbetreiber zahlen noch zu. Bei Strommangel lässt sich der gespeicherte Strom dagegen zu Spitzenpreisen verkaufen.
2 000 US-Dollar pro Kilowatt
„Wenn eine Mine schließt, werden Tausende von Arbeitenden entlassen“, sagt Julian Hunt, Forscher im IIASA Energy, Climate, and Environment Program. „UGES würde Arbeitsplätze schaffen, wenn die Mine nach der Einstellung des Betriebs Energiespeicherdienste anbieten würde.“ Hunt schätzt, dass die Investitionskosten bei 2 000 US-$/kW liegen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die vorhandene Infrastruktur wie Förderanlage, Stromanschluss und Transformatoren weitergenutzt werden können. Ein Kernkraftwerk kommt schnell auf 10 000 US-$.
Die Verluste liegen bei Null
Die Investitionskosten bei Lithium-Ionen-Batterien sind zwar auch nicht höher als die für UGES. Doch sie entladen sich langsam selbst, wenn sie Strom über längere Zeit speichern müssen. Für diesen Fall wäre UGES die ideale Lösung, weil nicht ein bisschen Strom während der Speicherung verlorengeht. Außerdem halten Batterien nur eine begrenzte Zahl von Zyklen aus, müssen also nach vielleicht acht oder zehn Jahren ausgetauscht werden. Zudem sinkt im Laufe der Jahre die Kapazität. UGES funktioniert bei entsprechender Wartung dagegen jahrzehntelang.
Bis zu 70 Terawattstunden pro Jahr
„Um die Wirtschaft zu dekarbonisieren, müssen wir das Energiesystem auf der Grundlage innovativer Lösungen unter Nutzung vorhandener Ressourcen überdenken“, sagt Hunts` Kollege Behnam Zakeri. Die Forscher schätzen das weltweite Potenzial dieser Technik auf 7 bis 70 TWh/a. Klingt angesichts eines Verbrauchs in Deutschland, der bei gut 500 TWh/a liegt, nach Peanuts. Doch Speicher, die Regelenergie liefern beziehungsweise speichern, sind nicht für den Dauerbetrieb gedacht.
In Deutschland soll Wasser das Medium sein
Anders als UGES ist die Idee, Bergwerke zu Pumpspeicherkraftwerken auszubauen, schon einige Jahre alt. In Deutschland verfolgt die RAG (ehemals Ruhrkohle AG) gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen und der Ruhr-Universität Bochum ein solches Konzept. Die Forschenden setzen auf Wasser als Medium. Bei Strommangel soll es in die Tiefe stürzen und einen Turbogenerator zur Stromerzeugung antreiben. Am tiefsten Punkt des Bergwerks wird es in einem See gesammelt. Wenn zu viel Strom ins Netz eingespeist wird befördert der Turbogenerator im Motor-Modus das Wasser wieder an die Erdoberfläche. Hier landet es in einem eigens angelegten Behälter.
Anders als bei der IIASA-Idee hängt die Speicherkapazität nicht von der Masse an Sand ab, die die Förderanlage gerade noch schafft, sondern vom Lagerplatz tief unten im Bergwerk und an der Oberfläche.