Netzbooster sollen den Blackout verhindern
Übertragungsnetzbetreiber lassen jetzt Großbatterien für Regelungsaufgaben installieren, die heute noch Wärmekraftwerke leisten. Im Verbund mit Gas-, insbesondere Wasserstoffkraftwerken könnte so das volatile Netz stabilisiert werden.
„In ganz Deutschland sollen Netzbooster flächendeckend zum Einsatz kommen“, heißt es beim Stromnetzbetreiber TransnetBW in Stuttgart. „Durch intelligente Steuerung und Vernetzung kann das Stromnetz dann insgesamt entlastet werden.“ Netzbooster sind Batterien, die Schwankungen im Stromnetz sekundenschnell ausgleichen. Diese Aufgabe übernehmen im klassischen Fall die Turbogeneratoren von Wärmekraftwerken, die automatisch mal ein bisschen schneller, mal ein bisschen langsamer laufen, um die Volatilität des Netzes auszugleichen. Weil es keine Kernkraftwerke und immer weniger Kohlekraftwerke gibt, fällt dieser bequeme Ausgleich aus. Ohne ihn läuft das Netz Gefahr zusammenzubrechen, dann droht der totale Blackout.
Redispatch-Kosten von 590 Millionen Euro
Bisher funktioniert die Automatik noch relativ gut, doch die Netzbetreiber müssen immer häufiger eingreifen, um Strommangel und -überschuss auszugleichen (Redispatch). So müssen ganze Windparks und Solarkraftwerke vom Netz genommen werden, wenn zu viel Strom produziert wird, und Gas- und Steinkohlekraftwerke angefahren werden, wenn Mangel droht. Mit Abnehmern, die Überschüsse aufnehmen wie Pumpspeicherkraftwerke und große Kühlanlagen, lässt sich das Netz noch stabilisieren. Umgekehrt speisen sie Strom ein beziehungsweise verbrauchen keinen Strom. In Kombination mit bestehenden und neuen Gaskraftwerken wird sich so das Netz stabilisieren und, wenn zunehmend Wasserstoff verfeuert wird, der Klimawandel aufhalten lassen. Der Redispatch kostete die Stromverbraucher 2021 590 Mio. €; 2020 waren es noch 221 Mio. €.
Erster dezentraler Netzbooster
Nachdem jahrelang nur wenige Großbatterien installiert wurden – RWE und Steag gehören zu den Ausnahmen – sind jetzt die Netzbetreiber aktiv geworden. Sie lassen Netzbooster mit einer Leistung von 200 bis 250 MW installieren. Amprion beispielsweise lässt den weltweit ersten dezentralen Netzbooster bauen. Die modularen Batteriespeicher stabilisieren das Stromnetz, reduzieren Eingriffe und sparen damit Kosten für die Netzkunden. Die erste Anlage wird im Gebiet von LEW Verteilnetz (LVN), einem regionalen Netzbetreiber der E.on-Gruppe, in Bayerisch-Schwaben errichtet.
Stärkere Nutzung erneuerbarer Energien
Das Konzept des dezentralen Netzboosters sieht vor, mehrere kleinere, modulare Batteriespeicher in der Verteilnetzebene anzuschließen. Das mindert Anschlusskosten, erhöht die Verfügbarkeit des gesamten Speichersystems und verbessert die Flexibilität im Verteilnetz. Die modularen Komponenten können zudem schneller realisiert werden und greifen weniger in die Umwelt ein. Der Netzbooster reduziert darüber hinaus den Bedarf für Eingriffe ins Netz und ermöglicht es, Wind- und Solarstrom umfangreicher zu nutzen als Anlagen abzuschalten.
TenneT setzt auf 200-Megawatt-Batterien
Ebenfalls dezentrale Netzbooster lässt der niederländisch-deutsche Übertragungsnetzbetreiber TenneT mit Sitz in Bayreuth und Arnheim, Niederlande, bauen. Fluence errichtet das Energiespeichersystem an zwei strategisch günstig gelegenen Netzknotenpunkten, in Audorf Süd in Schleswig-Holstein und in Ottenhofen in Bayern. Sie haben eine Leistung von insgesamt 200 MW. TransnetBW schließlich setzt auf eine einzige mächtige Anlage im Umspannwerk Kupferzell im Nordosten Baden-Württembergs. Sie wird eine Leistung von 250 MW haben.
Volle Nutzung der Übertragungskapazitäten
„Deutschland steht vor neuen Herausforderungen in einem sich schnell wandelnden Stromsektor, einschließlich wachsender Erzeugungskapazitäten für erneuerbare Energien, die weit von Lastzentren entfernt liegen“, sagt Roman Loosen, Chief Business Operations and Transformation Officer von Fluence. „Netzbooster können schneller, kostengünstiger und flexibler eingesetzt werden als herkömmliche Netzinfrastruktur.“
Das deutsche Hochspannungsnetz arbeitet nach dem „n-1-Prinzip“, bei dem nicht alle Stromleitungen vollständig ausgelastet sind. So bleiben freie Kapazitäten, die eingebracht werden können, um bei einem Stromausfall einen sicheren Systembetrieb zu gewährleisten.
Durch das Hinzufügen von Netzverstärkern kann die Übertragungskapazität bestehender Leitungen nahezu voll ausgelastet werden, wodurch der Bedarf an präventiven Netzeingriffen reduziert wird.