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Versorgungssicherheit 09.12.2024, 13:00 Uhr

Pufferbatterie auf dem Meeresgrund

Um Überschussstrom zu speichern sind kostengünstige Technologien nötig. Klassische Batterien sind bei weitem zu teuer. Deswegen weichen Fraunhofer-Forscher aufs Wasser aus.

Produktion der 30-Meter-Kugeln für einen StEnSea-Park. Foto: sperra

Produktion der 30-Meter-Kugeln für einen StEnSea-Park.

Foto: sperra

Vor rund sechs Jahren haben Fraunhofer-Ingenieure eine mächtige Betonkugel im Bodensee versenkt. Den Druck in der Tiefe wollten sie nutzen, um überschüssigen grünen Strom für energetisch magere Zeiten zu speichern. Das Experiment gelang, mehr aber nicht. Der Binnensee ist mit maximal 251 m nicht tief genug, um genügend Druck aufzubauen. Zudem landete die Betonkugel keineswegs an der tiefsten Stelle.

Stromspeicher lassen sich perfekt verstecken

Doch Bernhard Ernst, Senior Projekt Manager am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) in Kassel kam es weniger darauf an, tatsächlich Strom zu speichern. Dass Prinzip hatte es ihm angetan. Und das bewährte sich am Grunde des Bodensees. Es ist gewissermaßen ein Pumpspeicherkraftwerk, das nicht auf Berge angewiesen ist, und es lässt sich wunderbar verstecken, sodass selbst die pingeligsten Touristikmanager nichts zu meckern haben.

Verzicht auf fossile Kraftwerke

Ernst machte deshalb weiter und steht jetzt kurz vor dem Ziel: Vor der Küste von Kalifornien soll eine ungleich größere Betonkugel im Meer versenkt werden. Im Projekt „StEnSea“ (Stored Energy in Sea/Im Meer gespeicherte Energie) wird die 400 Tonnen schwere Betonkugel mit neun Metern Durchmesser (die im Bodensee hatte einen Durchmesser von 3 m) in 500 m bis 600 m Tiefe verankert. Im Endstadium sollen Dutzende davon auf einer relativ kleinen Fläche auf dem Meeresgrund dafür sorgen, dass die Netzbetreiber bei Flaute und Mangel an Sonne auf fossile Kraftwerke verzichten können.

Wasserdruck dient als Speicher

Die Kugel, die an Land im 3D-Druckverfahren hergestellt werden soll, hat an der Oberseite ein Loch. Darin ist eine Pumpe befestigt, die mit einem Motor gekoppelt ist, der auch als Generator eingesetzt werden kann. Im Ruhezustand ist die Kugel mit Wasser gefüllt. Produzieren Solarkraftwerke und Windgeneratoren zu viel Strom, wird dieser genutzt, um den Motor und damit die Pumpe anzutreiben, die das Wasser aus der Kugel herauspresst.

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Wenn später, etwa in einer windstillen Nacht, Strommangel herrscht, kehrt sich die ganze Sache um. Die Pumpe wird zur Turbine, der Motor zum Generator. Das Wasser schießt mit hohem Druck in die Kugel hinein. Dabei treibt es die Turbine und damit den Generator an, der Strom erzeugt. 400 Kilowattstunden lassen sich so nutzen, das ist ein Zehntel dessen, was ein mitteleuropäischer Haushalt im Jahr verbraucht. Rein rechnerisch könnte die Kugel allerdings für die komplette Versorgung reichen, weil sie im Laufe eines Jahres mehrfach gefüllt und wieder geleert wird.

Partnerschaft mit zwei US-Unternehmen

Das Fraunhofer IEE arbeitet bei diesem Projekt zum einen mit dem US-amerikanischen Start-up Sperra zusammen, das sich auf den 3D-Betondruck für Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert hat. Zweiter Partner ist Pleuger Industries. Das deutschstämmige Unternehmen mit Hauptsitz in Miami gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Unterwasser-Motorpumpen, einer Schlüsselkomponente der StEnSea-Kugelspeicher.

600 bis 800 Meter Tiefe sind optimal

Als Standort des Speichers haben die Partner ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles ausgewählt. Sie wollen ihn spätestens Ende 2026 in Betrieb nehmen. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Vorhaben mit knapp 3,4 Mop. €, das US-amerikanische Department of Energy mit rund vier Mio. US-Dollar.

Kapazität und Leistung der Kugelspeicher hängen vor allem von zwei Faktoren ab: vom Volumen der Kugeln sowie von der Wassersäule, die auf ihnen lastet. Die IEE-Fachleute haben errechnet, dass Wassertiefen von 600 m bis 800 m aus wirtschaftlicher Perspektive ideale Standorte sind. Denn dort stehen Druck sowie das Gewicht der Kugel und deren erforderliche Wandstärke in optimalem Verhältnis zueinander. Zudem kann man in dieser Tiefe noch konventionelle Unterwasser-Motorpumpen einsetzen.

Das globale Speicherpotenzial dieser Technologie liegt nach Berechnungen der Fraunhofer-Forscher bei insgesamt 817 TWh. An den zehn besten europäischen Standorten sind es immer noch 166 TWh. Zum Vergleich: Die Kapazität der bestehenden deutschen Pumpspeicher-Kraftwerke an Land beträgt gerade einmal knapp 40 GWh und der Stromverbrauch Deutschlands lag 2023 bei 517 TWh.

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Die Speicherkosten sollen bei 4,6 ct/kWh liegen. Die Lebensdauer der Betonkugel beträgt 50 bis 60 Jahre. Nach jeweils 20 Jahren müssten Pumpe und Generator ausgetauscht werden. Die Effizienz liegt mit 75 % bis 80 % etwas niedriger als bei einem klassischen Pumpspeicher-Kraftwerk.

Wolfgang Kempkens