Solarenergie wird in Kochsalz gespeichert
Das Schweizer Unternehmen Innovenergy hat eine alternative Batterietechnik zur Serienreife entwickelt, die ausschließlich aus Rohstoffen besteht, die in großen Mengen zur Verfügung stehen. Sie könnte zum Konkurrenten des Lithium-Ionen-Akkus werden.
Die AEW Energie AG im schweizerischen Aargau, die die Region unter anderem mit Strom versorgt, bietet Besitzern von Ein- und Mehrfamilienhäusern komplette Solaranlagen mit Stromspeicher an. Jetzt hat der Energieversorger das erste System in Betrieb genommen, dessen Solarbatterie auf der Basis von Kochsalz arbeitet. Der Puffer, gebaut von Innovenergy im schweizerischen Meiringen, ist eine Alternative zur allgegenwärtigen Lithium (Li)-Ionen-Batterie. Sie wird aus lauter Rohstoffen hergestellt, die in großen Mengen zur Verfügung stehen und preiswert zu haben sind. Sie ist explosionssicher und kann nicht brennen. Die Energiedichte ist vergleichbar mit der der Li-Ionen-Batterie. Sie arbeitet zuverlässig in großer Kälte und bei hohen Außentemperaturen. Und sie verliert auch nach zahlreichen Lade- und Entladezyklen kaum an Kapazität. Mit 15 bis 20 Jahren hat sie eine weitaus höhere Lebensdauer als das Konkurrenzprodukt. Zudem benötigt sie keine Wartung und lässt sich am Ende komplett recyceln.
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Wachsendes Bedürfnis nach Umweltverträglichkeit
Einziger Nachteil: Sie ist teurer als die bereits in Massen hergestellte Li-Ionen-Batterie. „Eine Salzbatterie kostet gut ein Drittel mehr als eine herkömmliche Batterie. Natürlich ist der Preis ein entscheidendes Kaufkriterium. Nichtsdestotrotz spüren wir das grösser werdende Bedürfnis nach Ökologie und Umweltverträglichkeit“, sagt AEW-Mitarbeiter Patrick Seiger.
Das Komplettsystem, das AEW anbietet, besteht aus einer Wärmepumpe, einer Photovoltaik-Anlage mit Salzbatterie, einer Ladestation für Elektroautos und einer smarten Steuerung für alle Komponenten. Alle Bauteile sind modular erhältlich, sodass sie sich auch in andere Heizsysteme integrieren lassen.
Nur Nickel benötigt lange Transportwege
Anders als die derzeit in Massen genutzten Batterien, die auf Rohstoffe aus weit entfernten Regionen wie China, Afrika und Südamerika angewiesen sind, setzt Innovenergy weitgehend auf europäische Rohstoffe. In erster Linie sind das Kochsalz, Keramik und Eisen. Lediglich Nickel hat eine lange „Anreise“. Das Salz kommt sogar aus der Schweiz selbst.
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Die Batterie besteht zu 32 % aus Natriumchlorid (Kochsalz), zu je 22 % aus Eisen und Nickel und zu 20 % aus Keramik. Die Arbeitstemperatur liegt bei 250 °C, bei der das Salz flüssig ist. Um diese zu halten wird ein kleiner Teil der gespeicherten Energie abgezweigt. Die negative Elektrode besteht aus Natrium, die positive enthält Nickel, Kochsalz und eine Prise Aluminium. Ein keramischer Separator trennt die beiden. Er ist gleichzeitig der Elektrolyt, durch den Ionen wandern.
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Salz wird gespalten und wieder vereint
Beim Laden der Batterie wird das Kochsalz in seine Bestandteile Natrium und Chlor aufgespalten. Das positiv geladene Natrium-Ion wandert durch den Elektrolyten und fängt ein Elektron ein. Auf der anderen Seite entsteht ein Nickel-Chlorid-Salz. Beim Entladen kehrt sich das ganze um. Das Chloratom verbindet sich wieder mit dem Natrium, Nickel bleibt zurück.
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Die Salzbatterie hat ihren Ursprung in Südafrika. Die AEG, der längst nicht mehr existierende Konkurrent von Siemens, brachte sie zur Serienreife. Doch das Interesse der Welt war verschwindend gering, wie so oft bei innovativen AEG-Entwicklungen, die ihrer Zeit weit voraus waren. Daimler nutzte sie nach der Übernahme von AEG zeitweise in Prototypen von Elektroautos. Da sie aber eine lange Ladezeit benötigt und Strom relativ gemächlich abgibt hatte sie im mobilen Bereich keine Zukunft.
Lebensmittelmarkt mit Salzbatterie
Ganz anders im stationären Betrieb. Hier herrscht wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien ein hoher Bedarf an Speicherkapazitäten. Da kam die Salzbatterie gerade recht. Daimler verkaufte die Technik in die Schweiz. Innovenergy produziert derzeit 750 000 Zellen pro Jahr. Großanwendungen sind bereits in Betrieb. So betreibt der Lebensmittelhändler Migros in Schlieren bei Zürich eine Batterie, die 540 kWh speichert. Geladen wird sie von Solarzellen auf dem Dach des Supermarktes.