Wie lässt sich das launische Wetter ausbremsen?
Je mehr Kraftwerke, die planbar Strom erzeugen, vom Netz genommen werden, desto schwieriger wird es, wetterbedingten Strommangel zu kompensieren. Speichern ist in Deutschland kaum ein Thema.
Die Stromversorgung in Deutschland ist so sicher wie selten zuvor. Es gibt kaum Ausfälle, weil selbst die schlimmsten Flauten und wolkenverhangensten Tage locker von fossilen und Kernkraftwerken aufgefangen werden. Doch bis zum 31. Dezember dieses Jahres gehen mehr als 4 GW an Kernkraftwerken und bis 2030 rund 17 GW Stein- und Braunkohlekraftwerke vom Netz. Ob sie durch neue Erdgaskraftwerke ersetzt werden ist noch offen. Gleichzeitig sollen die Batterien von 15 Millionen Elektroautos – wenn die Bundesregierung ihr Ziel tatsächlich erreicht – regelmäßig geladen, gigantische Mengen an Wasserstoff produziert werden und 80 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen. Nachfragespitzen von bis zu 95 GW gilt es dann abzudecken, verlautet aus der Pacifico Energy Partners GmbH in München, einem Unternehmen, das in Deutschland und einer Reihe anderer europäischer Staaten Wind- und Solarkraftwerke baut. In Planung sind derzeit 3,1 GW. Mit BoomPower im südenglischen Arundel, einem Spezialisten für Batterie-Großspeicher, will Pacifico in die Versorgungssicherheit einsteigen.
Freundlicher regulatorischer Rahmen?
Denn mit immer neuen Wind- und Solarenergieanlagen ist es nicht getan. „In Deutschland gibt es heute noch keinen relevanten Markt für Batteriespeicheranlagen“, klagt Christoph Strasser, Experte für Speichertechnologien und Pacifico-Mitgründer. Er erwartet allerdings, dass die „Verzögerungen des Netzausbaus über kurz oder lang zu einem freundlicheren regulatorischen Rahmen für Batteriespeicher führen.“
Großbatterien sind zu klein
Tatsächlich halten sich Stromversorger und Übertragungsnetzbetreiber zurück, wenn es um den massiven Ausbau von Speichern geht. RWE in Essen, bereits Betreiber einer 7,8-MW-Batterie in Herdecke an der Ruhr, hat allerdings gerade zwei Großbatterien bestellt, die an den Kraftwerksstandorten Lingen an der Weser und Werne im Kreis Unna installiert werden. Gemeinsam haben sie eine Leistung von 117 MW. Sie werden mit Laufwasserkraftwerken in der Mosel, deren Leistung ebenfalls regelbar ist, zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschaltet, das auf etwa 135 MW kommt.
Klingt viel, doch selbst wenn man alle existierenden Speichermöglichkeiten in Europa berücksichtigt, reicht das bei weitem nicht aus, um länger andauernde Ausfälle von Wind- und Solarstrom zu kompensieren. Sie sind lediglich geeignet, vergleichsweise kleine Frequenzschwankungen im Netz auszugleichen. Das gilt auch für andere Speicher, wie sie das Schweriner Unternehmen Wemag (10 MW) und der Essener Kraftwerksbetreiber Steag, der an sechs Standorten in Deutschland Speicher mit einer Leistung von jeweils 15 MW betreibt, betreiben.
Kleine Beiträge aus dem Privatbereich
Auch private Batterien greifen netzregulierend in den Strommarkt ein. Das Schwarzwälder Unternehmen Sonnen fasst die Anlagen, die es an private Solaranlagenbetreiber liefert, zu virtuellen Kraftwerken zusammen. Es dürften mittlerweile ein paar 100 MW sein, von denen allerdings nur ein Teil zur Netzregelung genutzt werden kann. Auch Tesla in seiner Eigenschaft als Batteriehersteller entwickelt in Deutschland virtuelle Kraftwerke. Mit der Zeit können auch Elektroautos genutzt werden, um das Netz zu stabilisieren. Es gibt bereits bidirektionale Ladestationen, die sowohl das Laden der Fahrzeugbatterien als auch das Einspeisen von Strom ermöglichen.
Überschussstrom nach Norwegen
Wirklich ins Gewicht fallen derzeit in Deutschland lediglich Pumpspeicherkraftwerke, ein Druckluftspeicherkraftwerk in Huntorf, das mit einer Erdgasturbine gekoppelt, also kein rein grünes Kraftwerk ist, und eine Hochspannungs-Gleichstromleitung zwischen Deutschland und Norwegen. Gemeinsam kommen sie auf gut 8 GW. Doch nur die Verbindung nach Norwegen kann über längere Zeit 1 400 MW liefern beziehungsweise deutschen Überschussstrom nach Norwegen transportieren.
Bergwerke könnten Stromspeicher werden
Das Kraftwerk in Huntorf hat bereits gut 40 Jahre auf dem Buckel. Weitere Anlagen dieser Art sind nicht geplant, obwohl es mittlerweile Konzepte mit einem weit höheren Wirkungsgrad gibt. Ebenso wenig werden neue Pumpspeicherkraftwerke gebaut, jedenfalls keine klassischen in bergigen Regionen, weil der Platz fehlt. Es gibt allerdings Ideen, stillgelegte Steinkohlenbergwerke, die bis in eine Tiefe von gut 1 000 m reichen, für die Speicherung von Strom zu nutzen. Bei einem Überangebot an elektrischer Energie wird Wasser an die Oberfläche gepumpt, bei Strommangel stürzt es wieder in die Tiefe und treibt einen Turbogenerator an.
Puffer auf dem Meeresgrund
An Ideen, Überschussstrom zu speichern, mangelt es nicht. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE in Kassel beispielsweise setzt auf „Stored Energy in the Sea“. Im Bodensee fand der erste Test statt. Die Kasseler Forschenden versenkten eine Betonkugel im Bodensee. Bei Überschussstrom im Netz wurde diese leergepumpt, bei Strommangel schoss das Wasser über eine Turbine zurück in die Kugel. Dutzende Speicher dieser Art mit einem Durchmesser von 30 m sollen in 600 bis 800 m Wassertiefe installiert werden, um Strom aus Offshore-Windparks abzupuffern. Jeder hätte eine Kapazität von 20 MWh. Im deutschen Teil der Nordsee reichen die Meerestiefen jedoch bei weitem nicht aus, auch nicht in der Ostsee.
Mit flüssiger Luft und CO2
Das Konzept des italienischen Unternehmens Energy Dome in Lonato Pozzolo nahe Mailand kann dagegen überall realisiert werden. Es will mit Überschussstrom Kohlenstoffdioxid komprimieren, sodass es sich verflüssigt und drucklos in kuppelförmigen Tanks gelagert werden kann. Bei Strommangel wird die gespeicherte Energie abgerufen. Das Unternehmen Highview Power in London verfolgt ein ähnliches Konzept. Statt CO2 verflüssigt es Luft. Anders als Energy Dome haben die Briten bereits zwei Versuchs- und Demonstrationsanlagen gebaut.
Stets geht es um Leistungen im ein- bis dreistelligen Megawattbereich. Doch erst wenn es weit hineingeht in den Gigawattbereich kann die Versorgungssicherheit in Deutschland gehalten werden.