200 °C mit Großwärmepumpen für mehr Energieeffizienz
Die energetische Optimierung industrieller Prozesswärme wird immer wichtiger. Wärmepumpen können hier einen entscheidenden Beitrag leisten, fossile Brennstoffe einzusparen, ohne wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen zu müssen.
In der europäischen Industrie ist der Bedarf an Prozesswärme enorm – derzeit werden jährlich etwa 1 500 TWh fossiler Brennstoffe dafür verbraucht. Gleichzeitig sorgen an vielen Stellen aufwendige Kühlsysteme für eine Verringerung von Temperaturen in vielen industriellen Sektoren. Bei diesen beiden prozessbedingten diametralen Anforderungen ließe sich aus Abwärme wieder neue Prozesswärme gewinnen, wenn Wärmepumpen eine entsprechend hohe Temperatur in industriellem Umfang zur Verfügung stellen können.
Wie die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG in Kooperation mit der Agora Energiewende in einer Studie festgestellt hat, erhöht sich der Fernwärmebedarf im Industriesektor bis 2045 um den Faktor 1,4 bis 1,9. Neben der Heizwärme gehört dazu auch die Prozesswärme. Typischerweise stellen Großwärmepumpen derzeit ein Temperaturfenster von rund 80 bis 130 °C in einem effizienten Arbeitsfenster zur Verfügung. Das zeigen die entsprechenden Daten verschiedener Hersteller. Die oberen Werte sind oftmals Peaks, die nicht über einen längeren Grundlastbereich verfügbar gemacht werden können. Für viele Heizanwendungen ist das durchaus ausreichend, doch in Prozessen sind höhere Leistungen gefragt. Denn die industriellen Anforderungen insbesondere in der chemischen Industrie, erfordern vielfach höhere Temperaturen und eine stabilere Temperatur über einen längeren Zeitraum, unabhängig von kurzfristigen Schwankungen in der Vorleistungs-Abwärme. Daher wird in den entsprechenden Bereichen derzeit auch vorwiegend noch auf fossile Energien gesetzt.
Höhere Temperaturen: Bewegung im Wärmepumpen-Markt
Doch auch im Bereich industrieller Wärmepumpen für höhere Temperaturfenster kommt langsam Bewegung in den Markt, wie sich unter anderem auch auf der Hannover Messe zeigte. Der norwegische Hersteller Enerin beispielsweise setzt auf Hochwärmepumpen, die zu einer Wende bei der Prozesswärme führen sollen. Diese Pumpen bieten eine entsprechende Energieeffizienz, die insbesondere für Industrien, die Temperaturen zwischen 100 und 200 °C benötigen, interessant ist. Aufgrund des Wirkungsgrads stellt das Unternehmen seinen Kunden eine Ersparnis beim Einsatz von nicht regenerativen Energien von 40 bis 70 % in Aussicht, während gleichzeitig die Belastung der Kühlsysteme durch die Nutzung der Abwärme verringert werden soll. Zudem verwenden die Wärmepumpen des Herstellers natürliche Kältemittel wie Helium oder Stickstoff, wodurch sie zukunftssicher werden, da diese frei von Treibhausgasen sind.
Abwärme recyceln: Energieeinsparung an zwei Stellen im Prozess
Die Vielseitigkeit der Wärmepumpen von Enerin liegt laut dem Unternehmen in ihrer Fähigkeit, Abwärme aus verschiedenen Industrieprozessen in Hochtemperaturwasser-, Thermalöl- oder Dampfsysteme umzuwandeln. Diese modularen Wärmepumpen mit einer Heizleistung von 200 kW bis 1 MW pro Modul können unter wechselnden und instabilen Bedingungen arbeiten und sich an zukünftige Änderungen der Anlage oder des Energiesystems anpassen. Derzeit werden industrielle Wärmepumpenmodule üblicherweise bis rund 2 MW in Serienfertigung erstellt, darüber hinaus sind es Sonderprodukte.
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Die aktuellen Modelle können mit einem dedizierten Gaskältemittel für die jeweilige industrielle Anwendung optimiert werden und sind daher nicht auf einen engen Rahmen von Betriebsbedingungen beschränkt. So ist es auch möglich, einen weiten Temperaturbereich abzudecken und den Wirkungsgrad auf die jeweilige Anwendung zu optimieren. Dies soll eine reibungslose Funktion während des Prozessstarts, bei variierenden Produktionsraten und betriebsbedingten Anpassungen der Anlage ermöglichen. Doch gerade im Hinblick auf Prozesse in höheren Temperaturfenstern ist die obere Grenze des Leistungsfensters von 200 °C interessant: Bei typischen Einsatztemperaturen von 120 bis 200 °C sind laut Hersteller sehr gute Wirkungsgrade zu erwarten. Der Betriebsbereich HoegTemp-Pumpen ermöglicht darüber hinaus eine effiziente Kombination mit thermischen Energiespeichern, was Industrien die Möglichkeit bieten soll, über die eigentlichen Prozesse hinaus gespeicherte Energie zum Heizen oder sogar zur Stromerzeugung zu verwenden.
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Optimierte Wärmeprozesse: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Industrie
Industriewärme macht nach Angaben des Umweltbundesamts für das Jahr 2022 rund zwei Drittel des Energieverbrauchs aus. Mit dem steigenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit könnte der Einsatz von industriellen Wärmepumpen einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Ziele der Energiewende zu erreichen. Die europäische Industrie steht vor der Herausforderung, in den nächsten zehn Jahren etwa 100 000 MW an Hochtemperatur-Wärmepumpen zu benötigen, was ein bedeutendes Potenzial für eine nachhaltige Zukunft birgt und gleichzeitig die Anbieter von derartigen Pumpen weiterhin vor größere Herausforderungen seitens der Effizienz in der Praxis stellen wird.