Biogas kann Stromlücken stopfen
Blockheizkraftwerke, die mit Biogas betrieben werden, laufen meist rund um die Uhr. Der Ertrag ist mäßig, da oft andere Erneuerbare konkurrieren. Besser ist es, den Betrieb in Strommangelzeiten zu verlegen. Das würde auch Erdgas teilweise ersetzen.
Am 16. Juni 2024 produzierten Wind und Sonne in Deutschland von vormittags bis nachmittags fast 100 % des Stroms, den Deutschland brauchte. Trotzdem liefen auch andere Kraftwerke, darunter mit Braunkohle befeuerte. Die wurden jedoch erst in größerem Umfang gebraucht, als die Sonne sich senkte. Doch einfach abschalten oder runterregeln kann man viele nicht.
Biogasspeicher für hohe Flexibilität
Bei Kraftwerken, die ihren Brennstoff aus Biogasanlagen beziehen, ist das anders. Wenn sie mit einem Gasspeicher ausgestattet sind können sie genau dann Strom produzieren, wenn er knapp ist und zu Höchstpreisen abgenommen wird. Doch heute produzieren die meisten rund um die Uhr Strom, der an Tagen wie dem 16. Juni kaum etwas einbringt, wenn er ins Netz eingespeist wird. Denn er muss exportiert werden, und Abnehmer, die ordentlich zahlen, findet man bei solchen Wetterlagen kaum.
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Betrieb nur bei Ebbe im Stromnetz
Wolfram Wiggert, der den Haslachhof in Löffingen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald bewirtschaftet, ist einer der relativ wenigen Betreiber von Biogaskraftwerken, die ordentlich daran verdienen. Sein Geheimnis: Er lässt seine drei Biogas-Blockheizkraftwerke (BHKW) nur laufen, wenn im Stromnetz Ebbe herrscht. Im Durchschnitt sind das fünf bis sechs Stunden am Tag. Möglich wurde das durch die Installation eines Gasspeichers, der gefüllt wird, wenn es im Netz ohnehin genug Strom gibt. Bei Mangellagen produzieren die drei Aggregate dagegen mit Volllast.
2,6 statt 0,5 Megawatt
„Ich habe meine Anlage fünffach überbaut“, sagt Wiggert – das ist ein Fachbegriff aus der Biogaswelt. Das heißt: Sein Hofkraftwerk kann in einer Stunde so viel Gas verstromen, wie die Bakterien in seiner Biogasanlage in fünf Stunden produzieren. Im Umkehrschluss bedeutet es, dass das Gaskraftwerk nur noch ein Fünftel der Zeit laufen muss.
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Die Biogaserzeugung auf dem Haslachhof reicht für eine elektrische Leistung von 515 kW. Das ließe sich rund um die Uhr zur Stromerzeugung nutzen. Doch Wiggert erzeugt während fast 80 % der Zeit keinen Strom – um dann in der restlichen Zeit seine drei BHKW mit einer Leistung von nahezu 2,6 MW laufen zu lassen. Üblicherweise geschieht das nur noch zweimal am Tag, nämlich etwa zwischen 6 und 9 und zwischen 18 und 21 Uhr.
Mal mehr, mal weniger Biomasse
Aktuell kann der Speicher auf dem Haslachhof so viel Gas aufnehmen, wie seine Mikroorganismen in 12 bis 18 Stunden produzieren. Doch das ist dem Landwirt noch nicht genug. Er plant eine Erweiterung auf 48 Stunden: „Dann kann das Kraftwerk das ganze Wochenende ruhen, wenn ohnehin weniger Strom gebraucht wird“, so Wiggert. Weitere Flexibilität erschließt er sich durch die variable Fütterung der Anlage. Wenn klar ist, dass zwei Tage später der Strombedarf gering und damit der Börsenpreis des Stroms niedrig ist, kommt einfach weniger Biomasse in den Fermenter. Zeitverzögert sinkt dann die Gaserzeugung.
Die Strombörse schlägt den Takt
Die Firma SK Verbundenergie (SKVE) in Regensburg steuert den Betrieb von Wiggerts Anlage. SKVE ist ein spezialisierter Dienstleister, der nach eigenen Angaben bundesweit bereits 420 Biogasanlagen unter Vertrag hat – insgesamt gibt es in Deutschland fast 10 000 Biogasanlagen. Die Spotmärkte der Strombörse geben den Takt vor: Sobald Strom im deutschen Netz knapp wird, etwa weil der Wind abflaut, steigen im Stromhandel die Preise – und geben damit den flexiblen Biogasanlagen das Startsignal. Die Mehrerlöse für den in Mangellagen eingespeisten Strom liegen bei bis zu 7 Ct/kWh.
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Mehr Leistung als geplante Erdgaskraftwerke
Würde das gesamte in Deutschland erzeugte Biogas nach dem Vorbild des Haslachhofs nicht rund um die Uhr verstromt werden, sondern nur in den 2 000 Stunden, in denen das Netz schwächelt, könnte es in diesen Zeiten 30 000 MW bereitstellen. Das ist etwa die Hälfte der mittleren Netzlast in Deutschland und mehr als die Leistung, die die Bundesregierung an Gaskraftwerken im Rahmen ihrer Kraftwerksstrategie als Reserve neu bauen lassen will. „Alles, was die Kraftwerksstrategie bezwecken soll, kann Biogas bereits jetzt“, sagt Thomas Kinitz, Vorstand der SKVE. Und anders als beim Einsatz von Erdgas wäre diese Strategie umweltneutral.