Die Rolle der Kohle für die weltweite Energieversorgung
2014 hat die Kohle 30 % des globalen Primärenergieverbrauchs gedeckt. Gut 40 % der weltweiten Stromerzeugung basierten auf Kohle (Bild 1). Damit ist die Kohle der zweitwichtigste Primärenergieträger – nach Mineralöl. Bei der Stromerzeugung nach Einsatzenergien liegt Kohle auf Rang 1 – vor Erdgas und erneuerbaren Energien, auf die ein Anteil von jeweils knapp 23 % entfällt. Auch künftig leistet Kohle einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit, zur Wirtschaftlichkeit sowie zusammen mit dem Einsatz moderner Technologien zur Umwelt- und Klimaverträglichkeit der Energieversorgung.
Im Jahr 2014 wurden weltweit 8 022 Mio. t Kohle gefördert. Davon entfielen 7 212 Mio. t auf Steinkohle und 810 Mio. t auf Braunkohle. Der Heizwert der 2014 weltweit geförderten Kohlen beträgt 5 683 Mio. t Steinkohleneinheiten (SKE) [1].
Die zwölf wichtigsten Kohleförderländer waren 2014 China, USA, Indien, Australien, Indonesien, Russland, Südafrika, Deutschland, Polen, Kasachstan, Kolumbien und Kanada. Fast die Hälfte der weltweiten Kohlenförderung erfolgt in China (Bild 2).
Kohle wird – anders als Öl – überwiegend in den Ländern verbraucht, in denen dieser Energieträger abgebaut wird. Nur 16 % der weltweit geförderten Kohlenmengen werden aus Förderstaaten exportiert; bei Öl sind es zwei Drittel und bei Erdgas rund 30 %. Der wichtigste Grund ist die breite Streuung der Kohlenreserven über alle Kontinente der Erde. Demgegenüber konzentrieren sich zwei Drittel der weltweiten Öl- und Erdgasreserven auf die so genannte Strategische Ellipse, zu der die Staaten des Mittleren Ostens und der GUS gezählt werden. Ein weiterer Grund ist der im Vergleich zu Öl niedrigere Heizwert der Kohle. Dies gilt insbesondere für die Rohbraunkohle, deren Transport über größere Entfernungen sich nicht rechnet. Aber auch Steinkohlen, deren Lagerstätten über keine günstige Anbindung zu Exporthäfen verfügen, unterliegen wirtschaftlichen Restriktionen beim Export.
Die wichtigsten Kohlenexportländer sind Australien, Indonesien, Russland, USA, Kolumbien und Südafrika. Bei den größten Importländern handelt es sich um China, Indien, Japan, Korea, Taiwan und Deutschland. Bei grenzüberschreitenden Lieferungen von Kohlen wird zwischen dem seewärtigen Handel und dem Handel auf dem Landweg unterschieden. Von den 2014 insgesamt gehandelten Steinkohlenmengen von 1 272 Mio. t entfielen 1 187 Mio. t auf den seewärtigen Handel und 85 Mio. t auf den grenzüberschreitenden Landhandel.
Die 1 187 Mio. t seewärtig gehandelten Steinkohlenmengen verteilen sich 2014 mit 878 Mio. t auf Kesselkohlen und mit 309 Mio. t auf Kokskohlen. Wichtigster Lieferant von Kokskohlen ist – mit großem Abstand vor USA, Kanada und Russland – Australien. Zum internationalen Handel mit Kesselkohlen leistet Indonesien den größten Beitrag [2].
Verbrauch an Kohlen
Der weltweite Kohleverbrauch ist in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel gestiegen. Damit hat Kohle zur Deckung des weltweiten Anstiegs des Primärenergieverbrauchs, der im Zeitraum 2004 bis 2014 bei 22 % lag, den absolut größten Beitrag geleistet. 41 % des gesamten Verbrauchszuwachses wurden durch Kohle gedeckt. Das war ebenso viel, wie Öl und Erdgas zusammen zugelegt haben, und doppelt so viel wie der zusätzliche Beitrag der erneuerbaren Energien. Dies erklärt sich zum ganz überwiegenden Teil durch die Entwicklung in China. Dort hat sich der Kohlenverbrauch seit dem Jahr 2004 um 74 % erhöht. Damit war China 2014 mit 51 % am weltweiten Kohlenverbrauch beteiligt.
Mit 68 % dient der größte Teil der genutzten Kohle der Stromerzeugung. Die verbleibenden 32 % verteilen sich auf Stahlindustrie, Zementwerke, Chemische Industrie sowie andere industrielle und private Verbraucher.
Künftig ist von einem weltweit weiter steigenden Kohlenverbrauch auszugehen, auch wenn die Zuwachsraten deutlich geringer ausfallen werden als in den vergangenen Jahren. So dürfte sich insbesondere der verzeichnete starke Wachstumstrend in China deutlich abschwächen [3]. Für die Industriestaaten ist sogar mit einem Rückgang des Kohlenverbrauchs zu rechnen, da die Stromerzeugung aus altersbedingt vom Netz gehenden Kohlenkraftwerken zunehmend durch vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien ersetzt werden könnte.
Ein starkes Wachstum des Kohlenverbrauchs ist allerdings insbesondere für Indien und andere Staaten Südost-Asiens zu erwarten. Aufgrund der mit der Nutzung der Kohle verbundenen Vorteile bezüglich Sicherheit und Kostengünstigkeit der Versorgung setzen vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer, wie zum Beispiel Indonesien, Malaysia, Vietnam, Thailand und Philippinen, auf einen vermehrten Einsatz von Kohlen – und das nicht nur in der Stromerzeugung, sondern auch in der Industrie, wie unter anderem Eisen und Stahl sowie Zementwerke. Daneben ist auch in Staaten Afrikas und Südamerikas mit einem weiter zunehmenden Kohlenverbrauch zu rechnen [4].
Herausforderungen durch klimapolitische Ziele
Die große Herausforderung für die Kohle ist der Klimaschutz. Die CO2-Emissionen bei der Nutzung der Kohle in deren Haupteinsatzbereich, der Stromerzeugung, sind doppelt so hoch wie bei Erdgas. Dennoch macht es klimapolitisch keinen Sinn, Kohle durch das in den meisten Staaten deutlich teurere Erdgas zu ersetzen. Bei Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette von der Gewinnung über den Transport bis zur Nutzung fossiler Energieträger und bei Einbeziehung aller relevanten Spurengase – neben CO2 insbesondere Methan – gleicht sich die Klimawirksamkeit von Öl, Erdgas und Kohle deutlich an. Dies gilt insbesondere, wenn aufwendige Fördermethoden, wie Fracking und / oder der Transport des Erdgases in Form von LNG erfolgen. So zeigen aktuelle Veröffentlichungen mit neuen Daten über Methanemissionen, die mit der Gewinnung von unkonventionellem Erdgas in den USA verbunden sind, dass die Gewinnung von Schiefergas dort klimanegativer sein kann als die Braunkohleverstromung in Europa [5 bis 7]. Das gilt unter Einbezug von CCS und in gesteigerter Form, seitdem das IPCC [8] den GWP-Faktor für Methan heraufgesetzt hat, von 25 in 2007 auf jetzt 28 bis 34. Gleichzeitig geht das IPCC [8] davon aus, dass seit dem Beginn der industriellen Revolution etwa 44 % der anthropogen verursachten Klimaerwärmung auf Methan zurückzuführen ist, nämlich 1 von 2,29 W/m2 der zusätzlichen Strahlungswärme. Dies zeigt, dass die Nutzung von Methan-freisetzenden Energieträgern sorgsamer abgewogen werden sollte als in der Vergangenheit üblich.
Während die Verstromung von Erdgas in Europa zu Emissionen über die gesamte Nutzungskette von 360 bis 440 g CO2-Äquivalent/kWh (el.) führt, bewegen sich die Emissionen bei der Nutzung von Schiefergas, Stein- und Braunkohle zwischen 560 und 950 g CO2-Äquivalent/kWh (el.) (Bild 3).
Wendet man die CCS-Technik an und scheidet am Kraftwerk etwa 90 % des CO2 ab, dann verschieben sich die Verhältnisse. Aus der Verstromung von Erdgas und Braunkohle werden noch 80 bis 150 g CO2-Äquivalent/kWh (el.) emittiert. Bei der Steinkohle sind es dann etwa 270 g CO2-Äquivalent/kWh (el.). Schiefergas hingegen führt bei Einsatz von CCS zu einer Freisetzung von 300 bis 500 g CO2-Äquivalent/kWh (el.), je nachdem, wie klimaschonend die Gasgewinnung durchgeführt wird (Bild 4).
Laut [6] kommt es bei der Schiefergas-Gewinnung zu Methanverlusten von 3,6 bis 7,9 %. Auch [5] sehen die Leckagen in ähnlicher Höhe.
Auch in der Europäischen Union, in der Schiefergas keine Rolle spielt, trägt ein Ersatz von Kohle durch Erdgas nicht zum Klimaschutz bei. Vielmehr käme es durch vermehrten Einsatz von Erdgas anstelle von Kohle in der dortigen Stromerzeugung zwangsläufig sogar zu zusätzlichen Treibhausgas-Emissionen. Die CO2-Emissionen in Anlagen der Industrie und der Energiewirtschaft innerhalb der EU sind nämlich vom europäischen Treibhausgas-Emissionshandels-System (EHS) gedeckelt. Vom europäischen EHS nicht erfasst sind dagegen die Methan- und die CO2-Emissionen, die bei der Förderung von Erdgas in Russland und bei dessen Transport über Tausende von Kilometern entstehen. Mehr Erdgas in vom europäischen Emissionshandelssystem erfassten Anlagen der Industrie und der Energiewirtschaft zulasten von Kohle ändert somit nichts an der Höhe der CO2-Emissionen innerhalb der EU, da sie durch ein Cap begrenzt sind. Allerdings würden die Treibhausgas-Emissionen außerhalb der EU, die keiner entsprechenden Begrenzung unterliegen, steigen.
Die einzig sachgerechte Antwort auf die mit dem Klimaschutz verbundene Herausforderung besteht in der Kombination aus vermehrtem Einsatz erneuerbarer Energien, in der Steigerung der Energieeffizienz sowie in der Abscheidung, Nutzung (soweit möglich) und Speicherung von CO2.
Die Betreiber der Kohlenkraftwerke setzen dabei mit einem ehrgeizigen Stufenplan auf eine Strategie, zu der drei Bausteine zählen:
- Effizienzsteigerung durch Ersatz alter Kraftwerke durch Neuanlagen nach dem Stand der Technik,
- Weiterentwicklung der Kraftwerkstechnik,
- CO2-Abscheidung und -Nutzung und/oder Speicherung (CC(U)S).
Jede Wirkungsgradsteigerung im Kraftwerksprozess ist unmittelbar mit einer Reduktion von CO2-Emissionen verbunden. Ein Prozentpunkt Steigerung des Wirkungsgrades führt zu einem Rückgang der CO2-Emissionen um 2 bis 3 %. Würde der globale Wirkungsgrad der Kohlenkraftwerke von durchschnittlich 33 auf 40 % erhöht, könnten die CO2-Emissionen um rund 2 Mrd. t/a vermindert werden (Bild 5).
Moderne Kohlenkraftwerke erreichen heute einen Wirkungsgrad von 43 bis 44 % (Braunkohle) beziehungsweise 46 % (Steinkohle). Bei Braunkohlen-Kraftwerken kann eine weitere Wirkungsgradsteigerung durch Einsatz der Trockenbraunkohle-Technik realisiert werden. Dazu hat RWE die so genannte WTA-Technologie (Wirbelschicht-Trocknungsanlage mit interner Abwärmenutzung) entwickelt (Bild 6).
Bei dieser Technologie wird die Braunkohle in einer Wirbelschicht getrocknet und die dazu benötigte Wärme aus der Verdampfungsenthalpie zum großen Teil zurückgewonnen (Brennwert-Technologie). Wird ein Kraftwerk zu 100 % mit Trockenbraunkohle befeuert, kann der Wirkungsgrad – verglichen mit der heutigen BoA-Technik – um weitere vier Prozentpunkte gesteigert werden (BoA = Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik).
Die derzeit in einer Prototypanlage am Braunkohlenkraftwerksblock BoA 1 in Bergheim-Niederaußem getestete WTA-Technik soll im kommerziellen Maßstab erstmals in dem geplanten neuen BoAPlus-Kraftwerk der RWE zum Einsatz kommen. Im Unterschied zum BoA-Konzept soll die gesamte Leistung der Kraftwerksanlage auf zwei Kessel mit einer Größe von jeweils 550 MW aufgeteilt werden, die eine 1 100-MW-Dampfturbine speisen. Neben der verbesserten Effizienz ist damit eine Erhöhung der Flexibilität verbunden.
Die weitere Steigerung des Wirkungsgrades eines Kraftwerkes ist über die Erhöhung der Dampfparameter, Temperatur und Druck, möglich. Dazu sind Nickel-Basis-Legierungen zu entwickeln und zu qualifizieren, die Temperaturen von 700 °C und Drücken von 350 bar standhalten können. Mit einer entsprechenden Steigerung der Dampfparameter könnten in Trockenbraunkohlen-Kraftwerken ebenso wie in Steinkohlenkraftwerken Wirkungsgrade von etwa 50 % erreicht werden.
Als dritter Baustein der CO2-Minderungsstrategie bei Braunkohlenkraftwerken sind die Abscheidung und Nutzung beziehungsweise Speicherung von CO2 (CC(U)S) zu nennen.
Zur Entwicklung von CCU- und CCS-Anwendungen werden verschiedene Technologien zur CO2-Abscheidung getestet und zur kommerziellen Reife herangeführt. Eines der Verfahren, die Post-Combustion-Capture-Technik, ist in der CO2-Wäsche-Pilotanlage am Kraftwerksblock BoA 1 in Niederaußem erfolgreich erprobt worden. Die fortgesetzten Untersuchungen zielen darauf, den mit der Abscheidung verbundenen Wirkungsgradverlust des gesamten Kraftwerksprozesses auf unter zehn Prozentpunkte bei Abscheideraten von über 90 % zu reduzieren. Vattenfall hat in einer Pilotanlage am Standort Schwarze Pumpe das Oxyfuel-Verfahren erfolgreich getestet. Das Unternehmen unterstützt die Erforschung und Entwicklung von CCS auch weiterhin im Rahmen einer Kooperation mit dem kanadischen Energieversorger SaskPower. SaskPower nutzt die Forschungsergebnisse aus der CCS-Pilotanlage in Schwarze Pumpe zur Optimierung seiner großtechnischen CCS-Demonstrationsanlage Boundary Dam (siehe Aufmacherfoto).
Das abgeschiedene CO2 kann – nach erfolgter weiterer Aufbereitung und Verflüssigung – als technisches Gas oder zur Produktion von Basis- und Spezialchemikalien sowie Kunststoffen eingesetzt werden. Diese Nutzung als Wertstoff, die in verschiedenen Industrieprozessen bereits erfolgreich praktiziert wird, ist allerdings bisher auf wenige Millionen Tonnen begrenzt.
Alternativ beziehungsweise ergänzend zur Nutzung kann das CO2 nach der Abtrennung komprimiert und einer dauerhaften Speicherung im Untergrund zugeführt werden. Dafür geeignete Formationen, saline Aquifere, sind in ausreichendem Umfang vorhanden. Notwendig wäre der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur zum Transport des CO2 vom Ort der Entstehung zu den potenziellen Speicherstätten. Voraussetzung für die Realisierung ist ferner, dass die dafür notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht wird und der Gesetzgeber den erforderlichen rechtlichen Rahmen schafft. Das in Deutschland im Juni 2012 verabschiedete CCS-Gesetz verhindert die weitere großtechnische Erprobung dieser Technologie, die zu den wesentlichen Voraussetzungen für deren kommerzielle Umsetzung gehört. Zwar stellen auch die Kosten der CCS-Technologie eine Herausforderung dar. Klar ist allerdings, dass sich die für die nächsten Jahrzehnte gesteckten Treibhausgas-Minderungsziele mit CCS zu deutlich günstigeren wirtschaftlichen Bedingungen erreichen lassen als unter Verzicht auf diese Technologie.
Status quo bei der Anwendung der CCS-Technologie international
International wird die CCS-Technologie aktuell erfolgreich in 13 Großprojekten eingesetzt. Gemeinsam verhindern sie CO2-Emissionen im Umfang von 27,4 Mio. t/a, davon 1,6 Mio. t/a in Europa. Eine Vielzahl weiterer Projekte ist geplant, vor allem in den USA, in Kanada und China. Beschränkt man sich auf jene Projekte, deren Planung sehr weit fortgeschritten ist beziehungsweise die zeitnah in den Betrieb gehen, dann werden bis 2020 weltweit noch einmal acht Großprojekte mit einer CO2-Emissionsvermeidung von 12,8 Mio. t/a an den Start gehen. Weitere 29 Projekte mit einer Kapazität von 50 Mio. t/a, die sich bisher in der Entwicklung befinden, können bis 2020 hinzukommen.
CCS ist wirtschaftlich attraktiv an großen CO2-Punktquellen, zum Beispiel an Kohlenkraftwerken, wenn es eine wirtschaftliche Nachnutzung des CO2 gibt. In Saskatchewan (Kanada) hat der Stromproduzent SaskPower im Oktober 2014 einen neuen Kohleblock mit CCS-Technik in Betrieb genommen (Boundary Dam Unit 3, BD3). Er wurde für 1,47 Mrd. CAD (983 Mio. €) errichtet. Die 120-MW-Anlage scheidet rund 1 Mio. t CO2/a ab. Über eine 65 km lange Pipeline wird der größte Teil davon in die Öllagerstätte Weyburn eingeleitet. Dieses ist ein EOR-Projekt (enhanced oil recovery) und steigert den Lagerstättendruck. So steigt die Ölförderung an den Produktionsbohrungen. Die Vereinbarung des Ölfeld-Betreibers Cenovus Energy mit SaskPower sieht vor, dass man über 30 Jahre 30 Mio. t CO2 von SaskPower bezieht, aktuell zu einem Preis von 23 CAD/t CO2 (etwa 15,6 €/t; Umrechnungskurs 16. Oktober 2015). Bei einer Ölförderung von 30 000 bbl/d entspricht dies 2,10 CAD/bbl (1,42 €/bbl). Unterstellt man einen Ölpreis (WTI) von 45,56 USD/bbl (39,83 €/bbl), kostet die CO2-Beschaffung den Ölproduzenten nur rund 3,5 % des zu erzielenden Ölpreises. Damit ist BD3 ein Beispiel für die wirtschaftliche Attraktivität von EOR-CCS. Die erfolgreiche CCS-Anwendung kann zukünftig trotz Klimaschutzanstrengungen die Nachfrage nach Kohle und Metallen stärken. Daher ist BHP Billiton als großer Rohstoffproduzent in Kanada und weltweit im September 2015 mit SaskPower eine Kooperation eingegangen, um diese auch bei niedrigem Ölpreis attraktive Technik umfassend am Markt zu platzieren.
In den USA soll 2016 ein Braunkohlekraftwerk mit integrierter Kohlevergasung (IGCC) ans Netz gehen. Die Southern Company wird dann im Kemper County (Mississippi) etwa 6,2 Mrd. USD investiert haben, um Braunkohle in Wasserstoff und Kohlenmonoxid zu vergasen. Etwa 65 % des entstehenden CO2 sollen abgetrennt und zur Steigerung der Ölförderung (EOR) eingesetzt werden. Bei einem Einsatz von 4,5 Mio. t Braunkohle entspricht dies etwa 3 Mio. t CO2/a.
Das Petra-Nova-Projekt (Texas, USA) setzt ebenfalls auf EOR-CCS. Ende 2016 wird dort ein 250-MW-Steinkohleblock in Betrieb genommen, für Investitionskosten von 1 Mrd. USD. Über Aminwäsche werden dort etwa 1,4 Mio. t (90 %) des entstehenden CO2 aufgefangen werden. Das CO2 wird über eine rund 130 km lange Pipeline in das seit 1938 betriebene West-Ranch-Ölfeld geleitet. Es soll dort die stark eingebrochene Förderrate von derzeit 500 auf bis zu 15 000 b/d steigern.
EOR-CCS ist auch eine wirtschaftliche Option für Europa. In Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Großbritannien gibt es Lagerstätten mit Leichtölen, die für EOR-CCS sehr geeignet sind. Diese Vorkommen gibt es onshore und offshore.
CCS findet weiterhin Anwendung in der Stahlindustrie, der Zementproduktion und der Aufreinigung von Erdgas. Letztere Technik wird in Europa seit Jahren bei der Offshore-Gasproduktion verwandt. Über die Aminwäsche wird natürliches CO2 aus dem produzierten Erdgas abgetrennt, um das Erdgas auf Marktspezifikation zu bringen. Im Sleipner-Gasfeld (norwegische Nordsee) wird auf diese Weise seit 1996 CO2 abgetrennt und in über 800 m Tiefe in einem Sandstein dauerhaft gespeichert. Die gesamte CCS-Technik wurde im Sleipner-Gasfeld für umgerechnet 90 Mio. € realisiert. Jährlich werden dort 0,9 Mio. t CO2 eingespeichert. In der norwegischen Barentssee wird seit 2008 CCS eingesetzt. Am dortigen Standort Snøhvit werden 0,7 Mio. t/a gespeichert. Das gereinigte Erdgas wird auf einer Insel nahe Hammerfest verflüssigt und in Form von LNG exportiert.
Die Nutzung von CO2 erfordert den Transport dieses Rohstoffes. Weltweit sind inzwischen mehr als 6 000 km an CO2-Pipelines in Betrieb, gut 4 000 km davon in den USA.
Die CCS-Technologie ließe sich auch in Europa nutzen, um großindustrielle CO2-Emissionspunkte aus Klimasicht zu neutralisieren und gleichzeitig die in vielen europäischen Ölfeldern rückläufigen Förderraten zu steigern. War die CCS-Technologie in der Vergangenheit teils wirtschaftlich uninteressant, so hat CCS inzwischen eine Lernkurve hinter sich gelassen, in deren Folge die Kosten gesenkt werden konnten. Dies macht es möglich, die Win-win-Situation aus Klimaschutz und wirtschaftlicher Rohstoffproduktion mit Hilfe von CCS umzusetzen.
Wachsende Flexibilitätsanforderungen an konventionelle Kraftwerke
Im Jahr 2040 dürfte die weltweite Stromerzeugung zu etwa einem Drittel auf Kohle, zu einem Drittel auf erneuerbaren Energien (davon etwa die Hälfte Wasserkraft) sowie zu einem weiteren Drittel auf Erdgas und Kernenergie (davon zwei Drittel Erdgas und ein Drittel Kernenergie) basieren. Das stärkste Wachstum werden die erneuerbaren Energien, insbesondere Wind und Sonne, verzeichnen. Damit vergrößert sich in der Stromerzeugung der Bedarf an Lastanpassung durch flexible konventionelle Anlagen.
In Deutschland sind die aktuell errichteten Neubau-Kraftwerke bereits für einen besonders flexiblen Betrieb ausgelegt worden. Die Anforderungen werden von neuen Erdgas-GuD, neuen Steinkohlen- und neuen Braunkohlenkraftwerken gleichermaßen erfüllt (Bild 7).
Viele der bestehenden konventionellen Kraftwerke, die heute in Deutschland verfügbar sind, wurden in den 1980er und 1990er Jahren, also vor der Verabschiedung der Ausbauziele für Wind- und Photovoltaik-Anlagen, errichtet. An einem Großteil dieser Anlagen konnten inzwischen Maßnahmen zur Flexibilisierung mit beachtlichem Erfolg durchgeführt werden, so dass die Kraftwerke den gestiegenen Anforderungen nach kurzfristiger Lastanpassung im Markt gerecht werden. Reine Grundlastkraftwerke, die keinen flexiblen Betrieb erlauben, sind heute im deutschen Markt kaum mehr vorhanden.
Die bei Dampf-Kraftwerken technisch realisierbare Teillast variiert heute. Im Regelbetrieb von zwei Gasturbinen und einer Dampfturbine liegt der Mindestlastpunkt einer neuen GuD-Anlage der 800-MW-Klasse typischerweise bei etwa 60 % des Volllastpunktes (Bild 8).
Eine niedrigere Mindestlast ist durch das Abschalten einer Gasturbine möglich; dies ist gleichzeitig aber mit Wirkungsgradverlusten verbunden, so dass diese Fahrweise aufgrund des damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteils nur selten erfolgt.
Demgegenüber besitzt ein neues Braunkohlenkraftwerk – ebenso wie ein neues Steinkohlenkraftwerk – mit etwa 40 % des Volllastpunktes einen niedrigeren Mindestlastpunkt, der je nach Anpassung der Fahrweise auf bis zu etwa 25 % reduziert werden kann. Der wesentliche Grund für die niedrigere Teillastfähigkeit von Braunkohlen- und Steinkohlenkraftwerken ist, dass die Leistung der Dampfkessel durch die direkte Verfeuerung der Brennstoffe gesteuert wird. Bei GuD-Kraftwerken kann die Leistung des Abhitze-Dampferzeugers dagegen nur indirekt über die vorgeschaltete Gasturbine adjustiert werden.
Durch Optimierungsmaßnahmen im Kessel-Turbinen-System und an der Leittechnik ist es gelungen, den Mindestlastpunkt bei bestehenden Kohlekraftwerken sukzessive weiter zu reduzieren. Entsprechend optimierte Kohlekraftwerke können heute einen Mindestlastpunkt bis unterhalb von 20 % ansteuern.
Der Wechsel zwischen Mindestlast und Volllast erfolgt bei entsprechenden Kraftwerken mit einer auf die installierte Nennleistung bezogenen durchschnittlichen Laständerungsgeschwindigkeit von etwa drei Prozentpunkten pro Minute. Der Wechsel zwischen Voll- und Mindestlast ist damit bei allen Anlagen innerhalb einer halben Stunde möglich.
Der steigende Flexibilitätsbedarf des Strommarktes wird somit von Braunkohlen- und Steinkohlenkraftwerken ebenso wie von Gaskraftwerken erfüllt.
Fazit
Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung sind keine Gegensätze. Beide Energieformen sind vielmehr als Partner zu verstehen; Kohlekraftwerke bieten nämlich die notwendige Flexibilität zum Ausgleich der schwankenden Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne zu wettbewerbsfähigen Bedingungen. Durch Steigerung der Effizienz und längerfristig unter Nutzung der CC(U)S-Technologie kann die Kohle einen wichtigen Beitrag leisten, die ehrgeizigen Klimaziele zu vertretbaren Kosten zu erreichen.
Literatur:
[1] International Energy Agency: Coal Information 2015, Paris, 2015.
[2] Verein der Kohlenimporteure: Jahresbericht 2015, Hamburg, 2015.
[3] International Energy Agency: Medium-term coal market report 2015, Paris, 2015.
[4] International Energy Agency: World Energy Outlook 2015, Paris, 2015.
[5] Brandt, A. R.; Heath, G. A.; Kort, E. A. et al.: Methane leaks from North American natural gas systems. Science, Vol. 343, pp. 733-735, Ausgabe vom 14.2.2014, www.sciencemag.org, Washington D.C., 2014.
[6] Howarth, R. W.: A bridge to nowhere: Methane emissions and the greenhouse gas footprint of natural gas, Energy Science & Engineering, New York, 2014.
[7] Tollesfon, J.: Methane leaks erode green credentials of natural gas. Nature, Vol. 43, p. 12, Ausgabe vom 03.1.2013, Washington D.C., 2013.
[8] Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC): Working group I contribution to the IPCC fifth assessment report (AR5) „Climate change 2013: the physical science basis”. Stockholm, 2013.
Dr. Hans-Wilhelm Schiffer, Jahrgang 1949, Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität zu Köln und an der Pennsylvania State University. Nach Tätigkeiten am Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln sowie im Bundeswirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium war er von 1992 bis 2014 beim RWE-Konzern beschäftigt und leitete dort zuletzt die Abteilung Allgemeine Wirtschaftspolitik / Wissenschaft der RWE AG in Essen. Seit 2014 Executive Chair World Energy Resources beim World Energy Council in London.
Dr. Thomas Thielemann, Jahrgang 1970, Studium der Geologie an den Universitäten zu Münster und Aachen sowie dem Imperial College London. Nach Tätigkeiten bei dem Geologischen Dienst NRW und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist er seit 2006 bei der RWE Power AG in Köln tätig in den Themenfeldern Lagerstättenplanung, Wasserwirtschaft und Energiespeicherung.