Dünner Putz statt dicker Platten
Mit Aerogelen lassen sich die Wärmestandards für Häuser mit geringem Platzverbrauch realisieren. Die Serienreife soll bald erreicht sein.
Dämmplatten auf Fassaden, die verhindern, dass die immer kostbarer werdende Wärme aus Wohnungen entweicht, sind bis zu 40 cm dick, wenn das Optimum erreicht werden soll. Bei bestehenden Gebäuden reicht der Platz oft nicht aus, oder Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer scheuen sich, so viel Fläche aufzugeben, etwa zu Lasten des Gartens oder von Hof- und Abstellflächen auch bei größeren Gebäuden.
Putz wird maschinell aufgebracht
Hier kann künftig Abhilfe geschaffen werden. Mit einem höchstens 10 cm dicken Aerogel-Dämmputz lässt sich die gleiche Wirkung erzielen. Noch ist er allerdings erheblich teurer als ein Dämmsystem, das aus Isolierplatten und darauf angebrachtem Putz besteht. Doch Aeroskin Tech, ein Start-up in Au bei Zürich, das aus der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) hervorgegangen ist, hat einen Weg gefunden, die Kostenfalle zu umgehen. Es bringt das Material als Spritzputz maschinell auf die Fassade. Das ändert zwar nichts an den Materialkosten. Doch die Einsparung an Handwerkszeit sei enorm, beteuert das Unternehmen. Schließlich müssen Dämmplatten von Hand festgedübelt und anschließend der Putz aufgetragen werden. Beim Aerogel-Dämmputz genügt ein einziger Arbeitsschritt, der zudem stark automatisiert ist.
Aerogele sind Wärmefallen
Dämmstoffe aus Aerogel bestehen aus hochporösen Festkörpern, die Wärme sehr wirkungsvoll isolieren. Haben herkömmliche Gebäudedämmungen zur Erreichung des sogenannten Minergie-Effizienzstandards eine Stärke von 20 bis 40 cm, erreicht Aerogel die gleiche Dämmwirkung mit nur rund 10 cm. Minergie ist ein in der Schweiz geltender Standard für Häuser, in denen die Wärme optimal genutzt wird.
Das Aerogel-Granulat, aus dem Dämmputze hergestellt werden, hat eine sehr niedrige Wärmeleitfähigkeit von 0,013 Watt pro Meter und Kelvin (W/mK). Zum Vergleich: Die gängige Mineralwolle kommt im besten Fall auf 0,032 W/mK, ist also erheblich ineffizienter. Um aus dem Aerogel-Granulat einen Putz herstellen zu können ist ein Bindemittel nötig. Dieses verschlechtert allerdings die Wärmedämmung des Granulats. Die besten aktuell verfügbaren Aerogel-Dämmputze haben eine Wärmeleitfähigkeit von 0,028 W/mK, sind also kaum besser als Mineralwolle. Mit neuen besseren Bindemitteln soll dieser Wert drastisch reduziert werden.
Gratwanderung beim Mischungsverhältnis
Das Mischungsverhältnis Aerogel-Partikel/Bindemittel ist eine Gratwanderung, dann je höher der Granulatanteil der Mischung, desto besser ist die Dämmwirkung. Zu wenig Bindemittel birgt allerdings die Gefahr, dass der Putz mit der Zeit brüchig wird. Es gibt frühere Beispiele von Aerogel-Dämmputzen, die mittelfristig starke Rissbildung aufwiesen, chemisch schrumpften und sich in der Folge vom Untergrund ablösten.
Positiver Schlussbericht
Genau das passiert mit dem neuen Putz nicht, wie ein Test beweist. Die Entwicklerinnen und Entwickler experimentierten mit zwei Putzen mit unterschiedlichem Mischungsverhältnis. Einer der Aerogel-Putze wurde bei der Renovierung einer Villa in Lenzerheide auf einer 40 m2 großen Fassade aufgetragen. Parallel dazu errichteten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Testaufbau für ein umfangreiches Monitoringprogramm, bei dem die beiden Dämmputze auf zwei unterschiedlichen Fassadentypen (Tonziegel, poröser Beton) aufgebracht wurden. Alle Dämmputz-Proben wurden während eines Jahres wissenschaftlich beobachtet, um deren Robustheit und Beständigkeit zu beurteilen. Der Projekt-Schlussbericht zieht eine positive Bilanz: „Die Ergebnisse zeigen, dass das neu vorgeschlagene Fassadensystem auf der Basis von Aerogel-Dämmputzen eine erhebliche Verbesserung der mechanischen Stabilität und der langfristigen Haltbarkeit bietet.“
In naher Zukunft wettbewerbsfähig
Daniel Sanz Pont, der einen der beiden Aerogel-Dämmputze mit seiner Firma Aeroskin Tech entwickelt hat, will den Dämmputz technisch weiter optimieren und mittelfristig auf den Markt bringen. Der Unternehmer, der parallel an der ETH Zürich angehende Bauingenieurinnen und Bauingenieure ausbildet, ist überzeugt, dass Aerogel-Dämmputze in naher Zukunft wettbewerbsfähig sein werden. „Die Mehrkosten für das Aerogel-Granulat werden dann wettgemacht durch die Einsparung bei den Arbeitskosten für das Auftragen des Putzes“, sagt der Materialwissenschaftler, der an der Polytechnischen Universität von Madrid und an der ETH Zürich promovierte, bevor er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich den neuartigen Dämmputz entwickelte.