Flüssigerdgas soll die Umsetzung der Energiewende sichern
An der Unterelbe soll ein Terminal für die Anlandung von flüssigem Erdgas gebaut werden. Durch Nutzung von Abwärme und Verwertung der Kälte soll es nahezu umweltneutral sein.
Nachdem zwei Pläne, in Deutschland ein Flüssigerdgas-Terminal zu bauen, gescheitert sind, ruhen alle Hoffnungen auf Stade an der Unterelbe, unweit von Hamburg – jedenfalls die der Befürworter einer solchen Investition. 2026 soll hier das erste Erdgas in einen der beiden Tanks gepumpt werden, die eine Kapazität von jeweils 240 000 m3 haben. Um es möglichst lange auf der nötigen Temperatur von – 163 °C zu halten werden die riesigen Behälter aufwendig gegen Kälteverluste geschützt. Auf dem Gelände entsteht außerdem eine Anlage, in der das flüssige Gas in gasförmiges zurückverwandelt wird. Dazu ist Wärme nötig, die ohnehin am Standort vorhanden ist. Sie entsteht in den benachbarten chemischen Anlagen des amerikanischen Giganten Dow. Derzeit wird sie einfach an die Atmosphäre abgegeben, weil das Temperaturniveau für eine wirtschaftliche Nutzung zu niedrig ist.
Dow ist auch Abnehmer für die frei werdende Kälte. Diese wird genutzt, um den Kühlbedarf des Unternehmens zumindest teilweise zu decken, für den derzeit ausschließlich elektrisch betriebene Kältemaschinen zuständig sind. Damit werden Kohlendioxid-Emissionen gemindert. Insgesamt soll das Terminal nahezu emissionsfrei arbeiten. Einen Teil der Investitionskosten übernimmt der belgische Pipelinebetreiber Fluxys, der auch das Terminal bewirtschaften will.
LNG für umweltverträglichen Schiffsverkehr
Das flüssige Erdgas (LNG nach dem Englischen liquefied natural gas) kann aus Katar, dem weltweit größten Produzenten, aus Norwegen, den USA, Algerien und anderen Staaten bezogen werden. Ein Teil der Importe soll in flüssiger Form per Tankschiff oder Bahnwaggon zu den Abnehmern gebracht werden. Dazu gehören Industrieunternehmen und Tankstellen. Ein anderer Teil soll gasförmig in das Erdgasnetz eingespeist werden. Das Hanseatic Energy Hub (Hanseatisches Energiezentrum), wie das System genannt wird, soll auch die Versorgung von Schiffen mit umweltverträglicherem Treibstoff voranbringen. Die Verbrennung von Erdgas setzt weder Ruß noch Schwefelverbindungen frei, außerdem sink der CO2-Ausstoß um etwa ein Viertel, verglichen mit erdölbasierten Treibstoffen. Damit die bis zu 345 m langen Tanker abgefertigt werden können muss der Stader Seehafen erweitert werden.
Erdgas muss die Kernenergie ersetzen
Warum noch ein Terminal für flüssiges Erdgas, wenn doch die zweite Doppelpipeline von Russland nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern fertiggestellt wird? Sie hat eine Kapazität von stolzen 110 Mrd. m3/a. Das ist mehr als der Verbrauch Deutschlands im ganzen Jahr 2019. Stade wird gerade mal 15 % des heutigen Verbrauchs zuliefern. Dennoch ergibt sich ein Sinn. Denn das russische Gas ist nicht allein für Deutschland bestimmt. Der Pipelinebetreiber, die Nord Stream 2 AG, die zu 51 % dem russischen Energiekonzern Gazprom gehört, nennt Nord Stream 2 gern eine europäische Pipeline. Tatsächlich sollen auch Nachbarländer Deutschlands davon profitieren.
Vor allem aber wird der Erdgasverbrauch in Deutschland drastisch zunehmen. Bis Ende 2022 werden die letzten sechs Kernkraftwerke stillgelegt. Einen großen Teil des Ausfalls müssen Erdgaskraftwerke kompensieren – Kernenergie trägt immerhin noch 12,5 % zur Stromversorgung bei und liegt damit etwa gleichauf mit dem Erdgas. Anders ausgedrückt: Der Erdgasverbrauch für die Stromerzeugung wird sich allein wegen des Wegfalls der Kernenergie verdoppeln. Er liegt derzeit bei etwa 15 Mrd. m3/a. Dazu kommt die Kompensation der Stromerzeugung in Kohlekraftwerken, die bis 2038 abgeschaltet werden sollen. Erneuerbare Energien können die so gerissenen Löcher nicht stopfen, weil sie wetterabhängig sind, an den Bedarf also nicht angepasst werden können, und weil es an Stromspeichern fehlt.
Umweltverbände wollen das LNG-Terminal nicht
Ob das Terminal tatsächlich gebaut wird ist noch nicht sicher. Wie üblich bei Großprojekten stemmen sich Umweltverbände dagegen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), vor allem durch Klagen gegen Städte wegen zu hoher Stickoxid-Konzentrationen bekannt, will das Terminal sogar auf dem Rechtsweg verhindern. Die benachbarten Chemieanlagen und ein Atommüll-Zwischenlager im Stader Stadtteil Bassenfleth würden bei einem Gasunfall in Mitleidenschaft gezogen. Zudem sehen die DUH und andere Verbände eine potenzielle Bedrohung für Natur- und Vogelschutzgebiete in der näheren Umgebung.