Jetzt beginnt die Vorsorge für „Dunkelflauten“
Die heute existierenden Erdgaskraftwerke reichen nach dem Teilausstieg aus der Braunkohle nicht aus, wenn die Erneuerbaren schwächeln. RWE plant den Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken. Nahe Aachen beginnt die Planung konkret zu werden.
Das Jahr 2031 hat gerade begonnen. Nordrhein-Westfalen ist aus der Verstromung der Braunkohle ausgestiegen. Jetzt kommt es vor allem auf erneuerbare Energien an, dazu kommen Gas- und Steinkohlekraftwerke. Der erste Januar ist ein trüber Tag. Solarkraftwerke liefern praktisch keinen Strom, der Wind schwächelt. Es herrscht Dunkelflaute. Nicht nur NRW, ganz Deutschland ist auf Importe angewiesen, weil die verbleibenden sicheren Kraftwerke nicht reichen. Einige Nachbarstaaten, die Kernkraftwerke betreiben, helfen aus, Frankreich etwa, die Schweiz, Polen, die Slowakei und Ungarn. Doch das ist nicht sicher. Es müssen neue Gaskraftwerke her, die Erdgas, zunehmend auch Wasserstoff verfeuern, sagt Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
Auftrag an italienisch-spanisches Konsortium
Zumindest ein neues Kraftwerk könnte am 1. Januar 2031 einspringen. Auf dem Gelände des 1800-MW-Braunkohlekraftwerks von RWE in Weisweiler, einem Stadtteil von Eschweiler bei Aachen, soll ein 800-MW-Gas- und-Dampf-Kraftwerk gebaut werden, das anfangs mit einem Gemisch aus Erdgas und Wasserstoff befeuert werden soll. Nach und nach soll der Wasserstoffanteil auf 100 % steigen. Den Auftrag, das Genehmigungsverfahren vorzubereiten, hat jetzt ein italienisch-spanisches Konsortium bekommen: Ansaldo Energia in Genua, das eine Niederlassung in Marbach am Neckar hat, und Tecnicas Reunidas in Madrid, ein Generalunternehmer, der die Entwicklung, Akquisition und Konstruktion von Industrieanlagen und Kraftwerken anbietet, insbesondere für die Erdölbranche.
Jetzt ist die Politik gefragt
Final entschieden ist noch nichts. „Dafür braucht es zügig Weichenstellungen der Politik“, sagt Roger Miesen, CEO RWE Generation SE. „Nur wenn die Wasserstoff-Netzanbindungen gesichert ist und ein wirtschaftlicher Betrieb der Kraftwerke durch passende Rahmenbedingungen ermöglicht wird, können wir finale Investitionsentscheidungen treffen.“ RWE plant auch an anderen Standorten seiner Kohlekraftwerke so genannte GuD-Kraftwerke, die sowohl Erdgas als auch Wasserstoff oder ein Gemisch aus den beiden Gasen verbrennen können.
Weltrekord in Düsseldorf
GuD-Kraftwerke bestehen aus zwei Teilen: Einer Gasturbine, in der der Brennstoff verbrannt wird. Sie treibt einen Generator zur Stromerzeugung an. Die heißen Abgase aus der Turbine strömen in den so genannten Abhitzekessel. Hier wandeln sie Wasser in Dampf um, der einen Turbogenerator antreibt, der ebenfalls Strom erzeugt. Diese Technik verspricht einen hohen Wirkungsgrad. Rekordhalter ist derzeit Siemens mit dem GuD-Kraftwerk Lausward in Düsseldorf, das auf 61,5 % kommt.
Wasserstoffproduktion wird verdoppelt
Die Bundesregierung ist gewillt, den Energieträger Wasserstoff zu pushen. Zum einen soll die Leistung der Elektrolyseure, die Wasser in Wasser- und Sauerstoff aufspalten, bis zum Jahr 2030 auf zehn GW aufgestockt werden. Bisher war das Ziel fünf GW. Wie viel davon in die Verstromung fließt ist offen, denn es gibt andere Branchen, die ebenfalls Bedarf anmelden, etwa die Stahlindustrie, die Zementhersteller und die Produzenten von E-Fuels, Benzin, Diesel und Kerosin aus Kohlenstoffdioxid und grünem Strom. Diese Treibstoffe benötigen keine neue Infrastruktur und können in den vorhandenen Autos, Dieselloks- und Triebwagen sowie Flugzeugen eingesetzt werden.
Pipelines werden forciert
Zudem fördert die Bundesregierung die Umwidmung von Erdgasleitungen für den Wasserstofftransport und den Neubau derartiger Pipelines. Weisweiler könnte an eine solche Pipeline angeschlossen werden, die RWE und der Essener Pipelinebetreiber Open Grid Europe im Rahmen des Projekts H2ercules bauen. Die Bundesregierung plant bis 2027/28 ein 1800 km langes Netz. Heute sind es in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gerade mal 420 km.
Das alles wird bei weitem nicht reichen, um alle Bedürfnisse umweltneutral zu befriedigen. Große Mengen an Wasserstoff müssen importiert werden. Vorbereitungen laufen bereits. Als Lieferländer kommen vor allem Australien, Chile und Namibia in Frage.
Stickoxide bereiten Probleme
GuD-Kraftwerke, die Wasserstoff verbrennen, sind nicht per se umweltneutral. Zwar emittieren sie kein Kohlenstoffdioxid (CO2). Doch Stickoxide lassen sich nur durch zusätzliche Technik vermeiden. Kawasaki Gas Turbine Europe, der in Bad Homburg angesiedelte Ableger des japanischen Kawasaki-Konzerns, setzt auf eine Technik, die gemeinsam mit der Fachhochschule Aachen entwickelt worden ist. Die Partner haben einen Brenner für die Gasturbine entwickelt, der statt weniger großer 420 kleine Flammen hat. Dadurch sinkt die Verbrennungstemperatur und es bilden sich nur geringe Mengen Stickoxide. Alternativ lässt sich auch ein Katalysator nachschalten.
Wolfgang Kempkens