Kohleausstieg: Bundesnetzagentur drückt aufs Tempo
Die fünfte Stilllegungsauktion bringt das Aus für gut 1000 MW. Angesichts der Unsicherheiten beim Erdgas sollen jedoch viele Kraftwerke im Bedarfsfall wieder angefahren werden.
Die Bundesnetzagentur arbeitet weiter am Ausstieg aus der Kohle, obwohl es unsicher ist, ob genügend Erdgas geliefert wird, um die Ausfälle zu kompensieren und es an Stromspeichern wie Pumpspeicherkraftwerken fehlt. Immerhin erklärte Klaus Müller, der Präsident der Agentur, mit Blick auf die kriegsbedingt bedrohte Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa, „systemrelevante Kraftwerke können auch nach einer Stilllegung als Netzreserve betriebsbereit gehalten werden“. Entsprechende Prüfungen durch die Übertragungsnetzbetreiber stünden allerdings noch aus.
Stromversorgung: 2023 könnte es in Deutschland eng werden
Krise verschärft sich am 12. Dezember
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte zuvor bereits angekündigt, alle Kohlekraftwerke in eine Reserve überführen zu wollen, um so gegen eine mögliche Gasmangellage gerüstet zu sein, die sich zum Beginn des Jahres 2023 noch verschärfen wird. Dann werden die letzten deutschen Kernkraftwerke mit einer Leistung von gut 4 GW stillgelegt. Die Lücke, die sie reißen, und die weiteren, die durch die Stilllegung von Kohlekraftwerken entstehen, sollten, so die ursprüngliche Planung, von Erdgaskraftwerken geschlossen werden. Das könnte misslingen, denn einen vollwertigen Ersatz für das russische Erdgas wird es bis dahin nicht geben, selbst wenn das schwimmende Flüssiggas-Terminal in Wilhelmshaven in Rekordzeit betriebsfähig ist. Hier fehlen 28 km Pipeline bis zum Fernnetz, die kaum im Handumdrehen fertiggestellt werden können. Zudem wird die Kapazität bei knapp 9 Mrd. m3 pro Jahr liegen – Russland lieferte 2021 rund 40 Mrd. m3.
Methanemissionen und ihr Einfluss auf die THG-Bilanz von Erdgas-BHKW
Zuckerhersteller setzt auf Erdgas
Hintergrund ist der Ausgang der fünften Stilllegungsauktion, bei der sechs Kraftwerksbetreiber einen Zuschlag erhielten. Dass bedeutet, dass sie spätestens 2024 gegen eine Entschädigung in nicht genannter Höhe sechs Kohlekraftwerke vom Netz nehmen müssen, die eine Leistung von insgesamt 1015 MW haben. Darunter ist Block 7 des Rheinhafen-Dampfkraftwerks (RDK) mit einer elektrischen Leistung von 517 MW und bis zu 220 MW Fernwärmeleistung in Karlsruhe, das der dort ansässige Energieversorger EnBW betreibt. Es ging 1985 in Betrieb. Block 8 des Großkraftwerks Mannheim, ebenfalls mit Steinkohle befeuert, ist das zweite Schwergewicht, das vom Netz geht. Betrieben wird es von EnBW, RWE und dem Mannheimer Energieversorger MVV. Dazu kommen vier kleinere Industrieanlagen, etwa vom Zuckerproduzenten Pfeiffer & Langen aus Köln. Dieser hat seine Anlage in Jülich bereits auf Erdgas umgestellt. In Euskirchen – dort wird Braunkohle verfeuert – soll möglichst eine umweltverträglichere Lösung gefunden werden.
Uniper muss auf Entschädigung verzichten
Die Bundesnetzagentur ordnete zudem für das 54 Jahre alte Uniper-Kraftwerk Scholven B in Gelsenkirchen, das eine Leistung von 345 MW hat, die so genannte gesetzliche Reduktion an. Das bedeutet, dass der E.On-Ableger Uniper bei der Stilllegung dieses Kraftwerks ohne staatliche Entschädigung auskommen muss. Als Ersatz baut Uniper derzeit ein Gas- und Dampfkraftwerk mit zwei Erdgasturbinen und einem Dampfkessel. Die Abgase aus den Turbinen sind so heißt, dass sie Wasser in Dampf umwandeln können, der eine Turbogenerator antreibt. Es soll eine Leistung von 114 MW erreichen
Insgesamt wird sich die Gesamtleistung aller Braun- und Steinkohlekraftwerke sowie Kernkraftwerke, die keinen Strom mehr produzieren dürfen, auf 16.105 MW summieren, so die Bundesnetzagentur. 3633 MW an Neubauten werden dazukommen.
Im Süden fehlt es an Alternativen
In der Südhälfte Deutschlands ist die Agentur vorsichtig. Dort werden praktisch keine Stilllegungen von Steinkohlekraftwerken akzeptiert, weil die Großerzeuger von Windstrom im Norden energetisch gesehen in unerreichbarer Ferne sind. Die Stromleitungen, die von Nord nach Süd gebaut werden, sind noch längst nicht fertig. Deutschlands Süden muss sich praktisch selbst versorgen. Angesichts der wenigen Windenergieanlagen vor allem in Bayern ist das eine schwer lösbare Aufgabe, zumal zwei der drei Kernkraftwerke, die am 12. Dezember 2022 stillgelegt werden, den Süden versorgen.