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Energieversorgung 01.06.2016, 00:00 Uhr

Kraftwerke im Vereinigten Königreich und in Irland

Großbritannien will bis 2025 die Kohlenverstromung beenden. Neu zu errichtende Gaskraftwerke sollen den derzeitigen Kohlenstromanteil von etwa 30 % ersetzen. Erdgas wird dann auch verstärkt durch Fracking gewonnen. Die Offshore-Windenergie-Nutzung wird vorangetrieben und die Kernenergieflotte erneuert und erweitert, bis diese die Strombereitstellung bis 2030 auf 30 % steigert. Irland will weiterhin auf die Stromerzeugung auf Basis von Gas und Öl setzen. Die Versorgungssicherheit wurde durch die Inbetriebnahme des East-West-Interconnector-Kabels nach England realisiert.

Das GuD-Kraftwerk Pembroke im Südwesten von Wales ist mit einer Leistung von 2 188 MW eines der größten und effizientesten Kraftwerke seiner Art in Europa.
Bild: RWE Generation

Das GuD-Kraftwerk Pembroke im Südwesten von Wales ist mit einer Leistung von 2 188 MW eines der größten und effizientesten Kraftwerke seiner Art in Europa. Bild: RWE Generation

Durch die Autoren wurde bereits in [1] und [2] der Status quo der Kraftwerks- und Verbundnetzstrukturen im Vereinigten Königreich und in Irland vorgestellt. Seitdem hat sich in diesen beiden Staaten, vor allem durch den stetig ansteigenden Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, die Kraftwerksstruktur und damit der jeweilige Strommix erheblich verändert.

Vereinigtes Königreich

Nach der Privatisierung der Energiewirtschaft im Jahr 1990 entstanden im Vereinigten Königreich (bestehend aus England, Wales, Schottland und Nordirland) unter anderem die sieben Unternehmen British Energy Group PLC, British Nuclear Fuels PLC (BNFL), Centrica PLC, EdF Energy PLC, Ener-G PLC, E.on UK PLC und International Power PLC als die Hauptakteure beim Betrieb einer elektrischen Kraftwerksleistung von annähernd 95 500 MW 1).

Die derzeitige Situation ist von einer zunehmenden Beteiligung von chinesischen Staatskonzernen, wie China General Nuclear Power Corporation (CGN) und China National Nuclear Corporation (CNNC) am britischen Energiemarkt geprägt. Ebenfalls drängen deutsche Akteure wie zum Beispiel RWE und MVV in den Energiesektor vor. Weiterhin sind 15 Regionalversorger vorhanden.

Das Vereinigte Königreich war einer der ersten Staaten in Europa, der die Energieversorgung liberalisiert hat.

Die Stromerzeugung basiert hauptsächlich auf den Energieträgern Gas (30 %), Kohle (30 %), Kernenergie (19 %), erneuerbare (19 %) und sonstige Energieträger (2 %) 1). Anzumerken ist, dass die erneuerbaren Energien im vierten Quartal 2015 einen neuen Rekord mit 27 % der Stromerzeugung erzielten 2).

Kraftwerke und Verbundnetz im Vereinigten Königreich. Bild: eigene Darstellung

Kraftwerke und Verbundnetz im Vereinigten Königreich. Bild: eigene Darstellung

Die konservative Energieministerin Amber Rudd legte im November 2015 ihren Plan für eine Neuausrichtung der britischen Energiepolitik vor. Demnach verfolgt die Regierung das Ziel, gestützt auf den politischen Willen der Bevölkerung, erneuerbare Energien zu fördern und voranzutreiben und deren Anteil bei der Strombereitstellung auf 20 % bis 2020 zu erhöhen.

Allerdings sollen nach Aussagen der britischen Energieministerin die Förderung von Photovoltaik-Anlagen um 90 % gekürzt werden und eine Reihe von Subventionen für Onshore-Windparks entfallen.

Kumulierte elektrische Bruttoleistung der Kraftwerke in Großbritannien ab 100 MW nach Primärenergieträ gern (Stand: 31. Dezember 2015). Bild: eigene Darstellung

Kumulierte elektrische Bruttoleistung der Kraftwerke in Großbritannien ab 100 MW nach Primärenergieträ gern (Stand: 31. Dezember 2015). Bild: eigene Darstellung

Bis zum Jahr 2023 will Großbritannien alle Kohlenkraftwerke des Landes hinsichtlich der Stromerzeugung zurückfahren und bis 2025 endgültig stilllegen. Den Ausstieg aus der Kohleverstromung begründet Rudd vor allem mit dem Klima- und Umweltschutz. Außerdem war es im Sommer 2015 fast zu einem Blackout gekommen, weil alte Kohlekraftwerksblöcke unvorhergesehen ausgefallen waren. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass der Kohlenverstromungsausstieg mit der Außerbetriebnahme einer Leistung von 28 GW im Zeitraum 2010 bis 2025 schneller vorangetrieben wird als gedacht. Bereits 2010 wurden 1 GW und im Zeitraum 2011 bis 2013 weitere 8 GW an Kohlenkraftwerksleistung vom Netz genommen. Knapp 2 GW erhielten zwischen 2013 und 2015 eine Konversion in Biomasseanlagen. Im Jahr 2016 wurden bereits bis April die Kraftwerke Longannet, Ferrybridge und Tilbury mit einer Gesamtleistung von rund 4,5 GW geschlossen. Bis zum Sommer 2016 sollen weitere 3,5 GW Kohle-Kraftwerksleistung stillgelegt werden (beide Blöcke in Rugeley, 3 von 4 Blöcken in Fiddler‘s Ferry sowie 2 von 4 Blöcken in Eggborough). Weitere 9 GW sollen bis 2025 geschlossen werden.

Altersstruktur des konventionellen Kraftwerksparks in Großbritannien ab 100 MW Anlagenleistung (Stand: 31. Dezember 2015). Bild: eigene Darstellung

Altersstruktur des konventionellen Kraftwerksparks in Großbritannien ab 100 MW Anlagenleistung (Stand: 31. Dezember 2015). Bild: eigene Darstellung

Schottland ist durch die Schließung des Kraftwerkes Longannet Ende März 2016 kohlenverstromungsfrei. Dazu haben eine Steuer auf Kohlendioxidemissionen und niedrig verhandelte Erdgaspreise beigetragen.

Die Strombereitstellung in Schottland geschieht gegenwärtig zu 58 % aus erneuerbaren Energien.

Gaskraftwerke sollen eine noch wichtigere Rolle spielen. Die Regierung will Anreize für den Bau solcher Anlagen setzen. Nach Regierungsvorstellungen sind sowohl Subventionen denkbar als auch neue Marktanreize. Gaskraftwerke sollen als Sicherheitsreserve besser Geld verdienen können, auch wenn sie gar keinen Strom produzieren.

Der Bau von Gaskraftwerken wird bereits seit 2010 vorangetrieben. Dies belegen die kommerziellen Inbetriebnahmen der RWE-Projekte Staythorpe (1 780 MW, Inbetriebnahme 2011) und Pembroke (2 188 MW, Inbetriebnahme 2012) sowie das EDF-Projekt West Burton (1 332 MW, Inbetriebnahme 2014). Anfang 2017 soll das derzeit im Bau befindliche Gas-und-Dampfturbinen (GuD)-Kraftwerk in Carrington (880 MW) seinen kommerziellen Betrieb aufnehmen. Weitere sechs Projekte mit einer Gesamtleistung von rund 6,8 GW sind bis 2020 geplant.

Hinsichtlich der Gasbeschaffung setzt die britische Regierung zusätzlich auch auf die umstrittene Technologie des Fracking zur Förderung von Schiefergas. Befürworter hoffen auf neue Arbeitsplätze in den strukturschwachen Regionen in Nord- und Mittelengland. Fracking soll sogar unter Nationalparks ab einer Tiefe von mehr als 1 200 m erlaubt werden, wie beispielsweise das höchst umstrittene und von zahlreichen Protesten begleitete Projekt im South Downs National Park (Süd-England) zeigt.

Inwieweit im Vereinigten Königreich das Projekt zum ersten CCS-Projekt (full-scale carbon capture and storage) am GuD-Kraftwerk Peterhead realisiert wird, bleibt durch Shell offen.

Hinsichtlich der Windenergienutzung ist anzumerken, dass im Vereinigten Königreich die Windenergieleistung von etwa 2 500 MW im Jahr 2009 auf über 13 600 MW im Jahr 2015 erhöht wurde 2).

Anfang August 2014 erreichte die Windstromproduktion an zwei Tagen mit einem Anteil von 21 beziehungsweise 22 % an der elektrischen Versorgung des Landes einen Rekordwert und überflügelte damit erstmals die Stromproduktion aus Kohlenkraftwerken. Am 29. August 2014 übertraf die Windstromproduktion erstmals die Stromerzeugung aus Kernkraftwerken. Speziell die 27 britischen Offshore-Windparks haben im Jahr 2015 rund 17,4 Mrd. kWh Strom geliefert, was eine Steigerung von etwa 30 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet.

Hinsichtlich des weiteren Ausbaus der Windenergie setzt die britische Regierung signifikant auf Offshore-Anlagen. Die Ministerin plant drei Auktionsrunden für derartige Anlagen, die in den 2020er Jahren gebaut werden sollen. Gegenwärtig sind rund 15 GW Offshoreleistung bis 2020 geplant und teilweise bereits vor Baubeginn. Weitere 12 GW sollen 2020 bis 2025 folgen.

Stromerzeugung in Großbritannien 2014: Traditioneller Mix (Quelle: Britische Regierung, 2015). Bild: eigene Darstellung

Stromerzeugung in Großbritannien 2014: Traditioneller Mix (

Foto: Britische Regierung, 2015). Bild: eigene Darstellung

Für die Vergütung von Strom aus Wasserkraft ist im Vereinigten Königreich eine starke Differenzierung bis zum Faktor 6, je nach der Größe der Anlagen, zu verzeichnen.

Weiterhin soll vor der Küste von Anglesey in Nordwales ein Meeresströmungskraftwerk mit einer Leistung von etwa 10 MW errichtet werden, um die Gezeitenströme für eine ökologische Stromerzeugung zu nutzen.

Überlegungen, Wüstenstrom aus Tunesien zu beziehen, werden derzeit nicht weiter verfolgt. So sollte in einem Solarturmkraftwerkspark mit einer Leistung von 2 000 MW mit dem so genannten „Tunur“-Projekt in diesem Jahr begonnen werden.

Speziell zur Nutzung von erneuerbaren Energien muss Schottland hervorgehoben werden.

Die geschätzten Potenziale liegen bei etwa 35 GW für die Windenergienutzung und wegen des hohen Tidenhubs bei bis zu 8 GW bei Gezeitenkraftwerken.

Die schottische Regierung hat ihr Ziel bezüglich der erneuerbaren Energien im Jahr 2014 höher gesteckt und will bis 2020 sogar 100 % aus erneuerbaren Energieträgern erreichen.

Weiterhin wird die Errichtung von Laufwasseranlagen, die sich durch eine hohe Fallhöhe bei relativ geringem Durchfluss auszeichnen, mit staatlichen Fördermechanismen vorangetrieben. Dies trägt zu einem CO2-ärmeren Energiemix bei.

Besonders England wird auch weiterhin auf die friedliche Nutzung der Kernenergie setzen. So wird erwogen, nach und nach alle Kernkraftwerke durch neue zu ersetzen.

Die britische Regierung hat die Entscheidung getroffen, unter Projektleitung der britischen Babcock-Tochter Cavendish Nuclear neun Altanlagen rückbauen zu lassen.

Nach dem Scheitern einer alleinigen Vormachtstellung des mehrheitlich staatlichen französischen Stromkonzerns EdF, zum Beispiel bei der Reaktortechnik, ist im Gegenzug (geplant von EdF Energy, CGN sowie der Hitachi / Mitsubishi-­Tochter Horizon) die Kern­kraft­werks­bauten Hinkley Point C (2 x 1 650 MW) in Somerset, Sizewell C und D (2 x 1 650 MW), Bradwall B (1 x 1 650 MW), Wylfa (2 x 1 380 MW) in Wales, Oldbury (2 x 1 300 MW), Moor­side A-C in Cumbria (3 x 1 200 MW) sowie Dungeness C (1 650 MW) durchzuführen. Somit soll zukünftig der Strombedarf Großbritanniens zu mindestens einem Drittel aus Kernenergie gedeckt werden.

Deutschland engagiert sich über MVV Umwelt, einem Tochterunternehmen der Mannheimer MVV-Energiegruppe sowohl bei der thermischen Abfallverwertung im HKW Plymouth als auch beim Biomassekraftwerk in Ridham Dock.

Zum Vereinigten Königreich gehört auch Nordirland. Das größte Kraftwerk in Nordirland wird mit Erdgas betrieben und liegt im Ballylumford (elektrische Bruttoleistung 1 320 MW). Die AES Corporation erwarb im Jahr 2010 das Kraftwerk von der BG Group PLC mit seiner Betreibergesellschaft Premier Power.

Mit dem Kraftwerk Ballylumford deckt Premier Power derzeit 50 % des Stromverbrauches in Nordirland und bis zu 17 % in Gesamtirland.

Der Block B des Kraftwerkes Ballylumford (660 MW, Inbetriebnahme 1972 bis 1976) soll im Laufe des Jahres 2016 stillgelegt werden.

Hinsichtlich externer Stromnetzverbindungen sind sowohl die von England nach Frankreich, Irland, Isle of Wight und der Isle of Man als auch die zwischen Nordirland und Irland sowie Schottland zu nennen.

Irland

Irland verfügt über eine elektrische Kraftwerksleistung von etwa 9 070 MW (Stand Dezember 2015). Hauptsächlich die vier Akteure Elecricity Supply Board (ESB), Energia, Huntstown Power Company und EirGrid PLC sind für die Strombereitstellung und -versorgung verantwortlich. Hauptenergieträger bei der Stromerzeugung sind Gas und Öl.

Kraftwerke und Verbundnetz in Irland. Bild: eigene Darstellung

Kraftwerke und Verbundnetz in Irland. Bild: eigene Darstellung

Leider arbeiten diese Anlagen oft im offenen Prozess, das heißt ohne Nutzung des Abgases der Turbinen.

Kumulierte elektrische Bruttoleistung der Kraftwerke in Irland ab 100 MW nach Primärenergieträgern (Stand: 31. Dezember 2015). Bild: eigene Darstellung

Kumulierte elektrische Bruttoleistung der Kraftwerke in Irland ab 100 MW nach Primärenergieträgern (Stand: 31. Dezember 2015). Bild: eigene Darstellung

Die irische Energieversorgung bewegt sich hinsichtlich der Liberalisierung in Richtung des Single Buyer Systems, bei dem ein Unternehmen in seinem Gebiet das alleinige Recht hat, Strom zu verkaufen und das dafür notwendige Übertragungsnetz zu betreiben.

Altersstruktur des konventionellen Kraftwerksparks in Irland ab 100 MW Anlagenleistung (Stand: 31. Dezember 2015). Bild: eigene Darstellung

Altersstruktur des konventionellen Kraftwerksparks in Irland ab 100 MW Anlagenleistung (Stand: 31. Dezember 2015). Bild: eigene Darstellung

Auf der Insel Irland sind keine Kernkraftwerke vorhanden.

Hauptanteil an den erneuerbaren Energien haben die Windkraftanlagen. Die installierte Leistung lag Ende 2015 knapp unter 2,5 GW.

1) Stand: 31. Mai 2015, Quelle: Britische Regierung, Department of Energy & Climate Change.

2) Quelle: Platts, „Power in Europe“, April 2016.

 

Literatur:

[1] Schneider, J.; Kuhs, G.: Kraftwerke in Europa; Iberische Halbinsel, Vereinigtes Königreich, Irland und Italien. BWK 60 (2008), Nr. 11, S. 21-23.

[2] Schneider, J.; Kuhs, G.: Die Energieversorgung in den Nachbarländern Deutschlands. BWK 67 (2015), Nr. 9, S. 23-31.

Von PD Dr.-Ing. habil. Jörg Schneider und Gunter Kuhs

PD Dr.-Ing. habil. Jörg Schneider, Berlin, Jahrgang 1952, studierte Energiewandlung und Kraftwerkstechnik an der Technischen Universität Dresden.
Gunter Kuhs, Halle (Saale), Jahrgang 1962, war als Kartograph im amtlichen Vermessungs- und Kartenwesen sowie in der Verlagskartographie tätig.