Monsternetz drückt Emissionen auf Null
Auf einer Fläche von 6 000 x 8 000 Kilometern soll künftig grüner Strom ausgetauscht werden. Die Idee: Irgendwo kann immer Solar- und Windenergie geerntet werden.
Mit einem Stromnetz, das in Ost-West-Richtung eine Ausdehnung von rund 6 000 km und in Nord-Süd-Richtung von rund 8 000 km hat, soll die Region Südostasien/Australien zum Null-Emissions-Gebiet werden, das ausschließlich von den volatilen Quellen Sonne und Wind sowie Wasserkraft, Meeresenergie und Kernkraft mit Energie versorgt wird, die fast immer zur Verfügung stehen. Irgendwo bläst auf dieser gigantischen Land- und Meeresfläche immer der Wind, und die Zeiten ganz ohne Sonne sind relativ kurz, sodass sie durch Stromspeicher überbrückt werden können. Im Dreieck Japan/Australien/Indien – möglicherweise exklusiv China – könnte so ein gigantischer Beitrag zur Rettung des Klimas geleistet werden.
Australisches Unternehmen brachte neuen Schub
Die äußerst kühne Idee hatte schon 2011 die Japan Renewable Energy Foundation. Fahrt aufgenommen hat sie mit einer Initiative von Sun Cable, einem australischen Unternehmen, das auch in Indonesien und Singapur heimisch ist. Es hat seinen Namen von der Basisidee, dem Bau eines 4 200 km langen Unterwasserkabels zwischen Australien und Singapur, das in Australien erzeugten Solarstrom nach Singapur transportieren soll.
Solarstrom aus Australien reist 5000 Kilometer bis zum Ziel
Gleichstromübertragung über große Entfernungen
Das erweiterte Konzept sieht vor, Energie im weit größeren panasiatischen Netz auf kürzeren Strecken per Drehstrom, auf längeren per Gleichstrom zu übertragen, wobei weniger Verluste anfallen. Angesichts der Fortschritte bei der Übertragung mittels Supraleiter, die keinerlei Verluste generieren, wird wohl auch diese Technik eingesetzt. Zur Initiative Asia Green Grid Network gehören neben Sun Cable neun Unternehmens- und Forschungsinstitute. Die Partner rechnen damit, dass die Hauptübertragungsleitungen für ein panasiatisches Netz zwischen 77 und 116 Mrd. US-$ kosten dürften. Hinzu kämen Investitionen in andere wichtige Infrastrukturen wie erneuerbare Energien und Batterien.
Norwegen ist Deutschlands größte Batterie
Laos exportiert schon Strom aus Wasserkraft
Verglichen mit den Verbundnetzen, wie man sie in Europa findet, steckt Asien zwar noch in den Kinderschuhen, unternimmt aber bereits Schritte zur Integration. Singapur bezieht seit Mitte dieses Jahres Strom aus einem Wasserkraftwerk im gut 2 000 km entfernten Laos zu beziehen. Die dazu nötigen Freileitungen führen durch Thailand und Malaysia. Deren Kapazität liegt allerdings bei bescheidenen 100 MW.
Daovong Phonekeo, Minister für Energie und Bergbau in Laos, sagte, sein Land wolle ein wichtiger Unterstützer erneuerbarer Energien in der Region sein. „Laos verfügt über mehr als 8 000 MW Wasserkraft, die in naher Zukunft ausgebaut wird, um die Inlandsnachfrage und zukünftige Exporte zu unterstützen“, verspricht Phonekeo. „Dieses Projekt beweist, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“
3 335 Terawattstunden Strom im Austausch
„Der grenzüberschreitende Handel mit erneuerbarem Strom und die Netzintegration sind der Eckpfeiler einer erfolgreichen Umstellung auf saubere Energie in Asien“, sagt Fraser Thompson, Gründer und CSO von Sun Cable. Sun Cable prognostiziert, dass die Initiative bis 2040 zu einem panasiatischen Stromhandel von 3 335 TWh Strom pro Jahr führen wird, das entspricht 493 Mrd. US-$. Außerdem werden 870 000 Arbeitsplätze geschaffen. Zum Vergleich: Deutschland verbraucht pro Jahr gut 500 TWh.
Erinnerung an die Desertec-Initiative
Asia Green Grid Network erinnert an Desertec, ein ähnliches, wenn auch flächenmäßig viel kleineres Projekt, das die deutsche Industrie Anfang des Jahrtausends in Angriff nahm, aber nicht realisieren konnte. Es sah vor, solarthermische Kraftwerke und Photovoltaik-Anlagen in Wüstengebieten Nordafrikas aufzubauen, die per Unterwasser-Gleichstromverbindungen Strom in die Länder der Europäischen Union liefern sollten. Vielleicht kommt Desertec auf anderem Weg zurück. Zumindest in Marokko sind bereits große Solarkraftwerke entstanden, die allerdings für den Bedarf des eigenen Landes produzieren. Dass sie irgendwann einen Überschuss erwirtschaften ist nicht ausgeschlossen. Dann könnte Europa doch noch profitieren, entweder in Form von Strom oder Wasserstoff, der ebenso dringend benötigt wird.