Neues Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk für Marl
Im Chemiepark Marl wird eins der modernsten Kraftwerke entstehen. Evonik setzt zunächst auf den Energieträger Erdgas, aber auch Wasserstoff soll zukünftig eine wichtige Rolle spielen.
Die Bundesregierung will den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung in Deutschland auf 80 % im Jahre 2050 anheben. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Energieversorgung in den nächsten Jahrzehnten komplett umgebaut werden. Neben dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien muss der Netzausbau beschleunigt, geeignete Speicherkonzepte entwickelt, moderne konventionelle Kraftwerke errichtet sowie die Energieeffizienz verbessert werden. Dabei muss die Energieversorgung jederzeit gesichert sein.
Konventionelle Technik sichert Energieversorgung
Dazu sind auf absehbare Zeit konventionelle Kraftwerkstechniken unabdingbar. Aufgrund der hohen Massenträgheit der Rotoren dämpfen sie die zu erwartenden Frequenzschwankungen im Netz. Zudem dienen sie durch ihre gelieferte Blindleistung als Spannungsstützen. Hinzu kommt eine zunehmend flexiblere Fahrweise, um den zunehmenden Bedarf an Regelenergie zu gewährleisten. Sie müssen besonders effizient über einen breiten Betriebsbereich einsetzbar sein.
Moderne Gas‑ und Dampfturbinen (GuD)-Kraftwerke sind in der Lage, diese Rolle zu übernehmen und den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Mit einem thermischen Wirkungsgrad von mehr als 60 % sind sie die effizienteste konventionelle Kraftwerkstechnologie auf dem Markt. Ferner zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie sowohl mit fossilem Erdgas als Gasturbinenbrennstoff als auch mit reinem Methan oder sogar Wasserstoff betrieben werden können.
Hightech für Marl
Ein solches GuD-Kraftwerk errichtet Siemens Energy als Generalunternehmer für den Spezialchemiekonzern Evonik. Ab dem Jahr 2022 werden eine SST-400-Dampfturbine, eine SGT-800-Gasturbine sowie zwei Generatoren den größten Produktionsstandort von Evonik im nordrhein-westfälischen Marl mit Strom und Wärme versorgen. Gesteuert wird das moderne Kraftwerk, das eine elektrische Leistung von 90 MW und eine thermische Leistung von 220 MW haben wird, vom Siemens-Leittechniksystem SPPA-T3000. Evonik plant, mit dem neuen Kraftwerk „Marl VII“ ein Reservegaskraftwerk zu ersetzen.
„Indem wir die Energieinfrastruktur von Evonik erneuern und umstellen, leisten wir einen weiteren Beitrag, um unseren CO2-Ausstoß zu senken“, sagt Rainer Fretzen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Evonik Technology & Infrastructure GmbH.
Für Siemens Energy ist es nicht das erste Kraft-Wärme-Kopplungs (KWK)-Projekt, das das Unternehmen für Evonik im Chemiepark Marl realisiert. Bereits im März 2020 wurde der Grundstein für das GuD-Kraftwerk „Marl VI“ gelegt. Nach ihrer Inbetriebnahme werden die beiden Kraftwerke mit einem Gesamtnutzungsgrad von mehr als 93 % und mit einer Leistung von bis zu 270 MW Strom erzeugen. Hinzu kommen bis zu 660 Tonnen Prozessdampf pro Stunde, die mit den Dampferzeugern der Standardkessel Baumgarte GmbH mit Sitz in Duisburg erzeugt werden. Geplant ist ebenfalls die Versorgung von 2.000 Haushalten mit Fernwärme aus dem Dampfverbundnetz des Chemieparks.
„Marl VII ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende, den wir mit unserer hochmodernen Kraftwerkstechnologie erreichen, die Strom mit einem Gesamtnutzungsgrad von über 93 % erzeugt“, sagt Jochen Eickholt, Vorstandsmitglied von Siemens Energy.
Die beiden Kraftwerke lassen sich hochflexibel steuern, Netzschwankungen können somit ausgeglichen werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung zum Gelingen der Energiewende. Zudem lässt sich der Chemiepark autark betreiben, sollte es im öffentlichen Stromnetz zu Störungen oder Ausfällen kommen.
„Zusammen mit Siemens Energy und der KfW IPEX-Bank haben wir auch für das zweite Kraftwerks-Projekt in Folge eine maßgeschneiderte Finanzierungslösung erarbeitet“, sagt Veronika Bienert, CFO von Siemens Financial Services.
Wasserstoff als künftiger Brennstoff
Zukünftig könnten GuD-Kraftwerke so modifiziert werden, dass sie mit Wasserstoff betrieben werden. Auf diese Art und Weise könnte eine neue Art von Speichern für elektrische Energie realisiert werden. Überschüssiger Strom aus Erneuerbare-Energie-Anlagen könnte dazu genutzt werden, mittels Elektrolyse Wasserstoff zu erzeugen. Dieser ließe sich dann beispielsweise in großen Kavernen lagern. Hier setzt auch Siemens Energy an. Das Unternehmen will zukünftig den Brenner der SGT-800-Gasturbine ganz ohne fossile Brennstoffe, dafür zum Beispiel mit Wasserstoff, betreiben.