Solarstrom aus Jordanien gegen Trinkwasser aus Israel
Ein Gemeinschaftsprojekt hilft Israel und Jordanien. Letzteres wird möglicherweise einiges zur Energieversorgung der Nachbarn beitragen können, denn kaum anderswo ist die Sonneneinstrahlung so hoch. Vielleicht profitiert auch Europa davon.
Jordanien ist eins der wasserärmsten Länder der Welt. Pro Person und Jahr stehen gerade mal 150 m3 zur Verfügung. Der größte Teil davon fließt in die Landwirtschaft, die weiter ausgebaut wird, um die wachsende Zahl von Menschen im Land, darunter viele Flüchtlinge, zu ernähren.
Jordanien ist auch eins der weltweit sonnenreichsten Länder. Mit 330 Sonnentagen pro Jahr und einer Leistung von 5 bis 7 kW/m2 ist das Land ideal geeignet, um preiswert Solarstrom zu erzeugen. In der Sparte der erneuerbaren Energien gilt Jordanien als einer der weltweit aussichtsreichsten Märkte.
Strom aus Jordanien für die Trinkwasserproduktion
Israel wiederum betreibt zwar Solarkraftwerke, doch die zur Verfügung stehenden Flächen sind begrenzt. Außerdem hat das Land bereits fünf Meerwasser-Entsalzungsanlagen und plant zwei weitere. Sie benötigen sehr viel Strom, der nach dem Willen der politischen Führung möglichst umweltverträglich erzeugt werden soll. Hier treffen sich die Interessen der beiden benachbarten Länder. Israel, das bereits Trinkwasser nach Jordanien liefert, will die Jahresmenge von derzeit 50 Mio. m3 auf künftig 200 Mio. m3/a erhöhen. Den dafür benötigten Strom wird ein 600-MW-Solarkraftwerk liefern, das die Vereinigten Arabischen Emirate in Jordanien bauen.
Auch Palästinenser machen mit
„Es handelt sich um eine Win-win-Situation und ein Modell für unkonventionelles Denken in Sachen Klimasicherheit“, sagt Gidon Bromberg, Mitbegründer und israelischer Direktor von EcoPeace Middle East, einer israelisch-jordanisch-palästinensischen Umweltorganisation, die von den Staaten unabhängig ist. „Der Deal schafft ein neues Modell für gesunde Interdependenzen zwischen den Ländern in unserer Region“, sagt Yana Abu Taleb, jordanische Direktorin von EcoPeace MiddleEast. „Jordanien könnte ein regionales Zentrum für erneuerbare Energien werden und diese an die gesamte Region verkaufen, nicht nur an Israel“, schwärmt Taleb.
Wind und Sonne statt Kernkraft und Importe
Klimakrise gleich nationale Sicherheit
Israel hat die Klimakrise als eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit definiert. Laut Bromberg hat der Klimawandel bereits jetzt tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte Nahostregion um Israel und Jordanien. „Die Region erwärmt sich schneller als der Rest der Welt“, bestätigt Colin Price, Leiter der Porter School of Environment Studies an der Universität Tel Aviv. „In den letzten zwei Jahrzehnten haben wir eine deutliche Erwärmung im gesamten Mittelmeerraum und auch in Israel festgestellt. Unsere Sommer werden immer heißer und länger.“
Methanemissionen und ihr Einfluss auf die THG-Bilanz von Erdgas-BHKW
Temperatur steigt um vier Grad Celsius
Der israelische Wetterdienst prognostiziert einen Anstieg der Durchschnittstemperatur um 4 °C bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Gleichzeitig könnte laut Price die Niederschlagsmenge im Mittelmeerraum bis zum Ende des Jahrhunderts um 20 % abnehmen. Ziel der Weltgemeinschaft ist es, den Temperaturanstieg bei 1,5 °C zu deckeln, um eine Klimakatastrophe abzuwenden.
Jordanien könnte auch grünen Wasserstoff liefern
Jordanien hat bei einer Einwohnerzahl von rund zehn Millionen eine Fläche von fast 90 000 km2. Die Bevölkerungsdichte liegt bei gut 100 Menschen pro Quadratkilometer, zum Vergleich: In Deutschland sind es deutlich mehr als doppelt so viele. Bleibt in Jordanien also reichlich Platz für neue Solarkraftwerke. Sie könnten nicht nur die Region mit Strom versorgen, sondern auch genutzt werden, um grünen Wasserstoff für den Export etwa nach Europa zu produzieren, das sich von der Abhängigkeit von russischem Erdgas befreien, sie zumindest ab abschwächen will.
Wasserstoff aus Jordanien, der in Europa verstromt oder in Elektrofahrzeugen mit Brennstoffzellen verbraucht werden könnte, würde zu den preiswertesten Angeboten zählen, weil die Sonneneinstrahlung so hoch und stetig ist. Außerdem wären die Transportwege im Vergleich zu Wasserstoff aus Australien und Chile erheblich kürzer.
Eine kurzfristige Lösung wäre das nicht, ebenso wenig wie die geplanten deutschen Terminals für flüssiges Erdgas. Das 600-MW-Kraftwerk in Jordanien soll 2026 fertig sein. Dann könnte auch Deutschlands erstes Terminal in Betrieb gehen.