Strom aus Geothermie statt aus Kohle und Gas
In Dunkelflauten springen derzeit fast ausschließlich fossil befeuerte Kraftwerke ein. Erdwärme könnte die bessere Lösung sein.
Der Ruf nach schnellerem Ausbau der erneuerbaren Energien wird immer lauter. Es sind nicht nur Vertreterinnen und Vertreter von Fridays for Future, die einstimmen, auch die meisten Politikerinnen und Politiker sehen darin das Allheilmittel. Doch an fast allen Tagen müssen Kohle- und Erdgaskraftwerke einspringen, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht oder beides gleichzeitig passiert, also „Dunkelflaute“ herrscht. Am 24. September etwa erzeugten Wind und Wasser – die Sonne fiel aus – laut Bundesnetzagentur zeitweise 12 809 MWh, fossile und Kernkraftwerke 30 360 MWh Strom. Am 18. September war es umgekehrt. Da kamen die erneuerbaren Energien zeitweise auf 28 233 MWh, die klassischen auf 14 123 MWh.
Krankenhäuser sollen Stromlücken stopfen
Verzicht auf fossile Lückenbüßer?
Man könnte langfristig auf fossile Lückenbüßer verzichten, meint etwa Gianni Operto, Präsident von aeesuisse, einem Schweizer Interessenverband zur Förderung erneuerbarer Energien. Er setzt auf Kraftwerke auf Basis von Geothermie. Diese könnten, wie Batterien, Gas- und Pumpspeicherwerke, schnell abgeregelt werden, wenn die Erneuerbaren fleißig Strom produzieren. Und können genauso schnell auch wieder angefahren werden, wenn Sonne und Wind wetterbedingt schlappmachen.
Kernkraftwerke sind hier keine Lösung
„Ich stelle mit Erstaunen fest, dass in der Diskussion zur Energieversorgung bei vielen Leuten der quasireligiöse Glaube an die eine oder andere Energielösung für die Zukunft dominiert und nicht die Faktenlage“, klagt Operto. „Zu viele Leute ohne Fachkenntnis reden mit, ohne fundiertes Wissen über Möglichkeiten und Implikationen in der Zukunft.“ Von Kernkraftwerken hält er nicht viel. „Was wir in Zukunft brauchen, ist eine flexible Grundlast. Die Geothermie kann das, die Kernenergie hingegen ist einfach schlecht geeignet dafür. Das hat nichts mit persönlichen Vorlieben, Ideologien oder Risiken zu tun, sondern ist ein energiewirtschaftlicher Fakt.“
Stromspeicher: Ein neues Eisen im Feuer
Was Deutschland geothermisch zu bieten hat
„Unser Energiesystem muss künftig viel dezentraler aufgestellt sein, mit vielen kleineren Anlagen“, sagt Operto. „Gefragt ist eine flexible Grundlast, die für Stabilität im Übertragungsnetz sorgt. Die Geothermie ist eine Technologie, die genau das bieten kann und jederzeit lieferbar ist. Das Potenzial ist groß und wir müssen es einfach nutzen.“ Tatsächlich liegt es beispielsweise in Deutschland bei 8,7 Mio. MWh/a, wenn man nur die Anlagen berücksichtigt, in denen Strom relativ wirtschaftlich erzeugt werden könnte. Das hat die Geothermie-Allianz Bayern ermittelt, die vom Freistaat Bayern gefördert wird. Dabei handelt es sich um ein Verbundprojekt mehrerer bayerischer Universitäten mit dem Ziel, den heimischen Energieträger Geothermie durch anwendungsorientierte Grundlagenforschung als erneuerbare Energieressource zu stärken. 8,7 Mio. MWh klingt angesichts des deutschen Jahresverbrauchs von mehr als 550 Mio. MWh nach Peanuts. Selbige könnten aber manch eine wetterbedingte Stromlücke stopfen.
Eine Geothermieanlage ist im Bau
In Deutschland gibt es derzeit zehn geothermische Kraftwerke mit einer installierten Leistung von rund 41 MW(el.). Sieben davon speisen auch Energie in ein Fernwärmenetz ein. Weitere Anlagen zur Stromerzeugung sind derzeit nicht geplant. In Schwerin ist allerdings eine Geothermie-Anlage im Bau, die Wärme für die Einspeisung in ein Fernwärmenetz bereitstellt. Das 56 °C warme Wasser wird mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen auf ein höheres Temperaturniveau gehievt.
Ehrgeiziges Projekt in der Schweiz
In der Schweiz wird dagegen ein ehrgeiziges Vorhaben realisiert. In Lavey-les-Bains im Kanton Waadt wird derzeit ein 3 000 m tiefes Loch gebohrt. Nach Abschluss der Bauarbeiten soll die Anlage 4,5 Mio. kWh Strom und 15,5 Mio. kWh Wärme pro Jahr erzeugen. Diese ist für das Thermalbad Les Bains de Lavey sowie die Gemeinden Lavey-Morcles und Saint-Maurice bestimmt. Sie soll dort zum Beheizen von Treibhäusern und zur Aufrechterhaltung konstanter Temperaturen in Fischfarmen verwendet werden.
Im Untergrund von Lavey schlummern mit 120 °C die heißesten Thermalwasservorkommen, die bisher in der Schweiz entdeckt wurden. Die Inbetriebnahme des umweltneutralen Heizkraftwerks ist für die zweite Hälfte des Jahres 2023 vorgesehen.