Strom aus Wasserstoff noch sauberer machen
Wasserstoffturbinen sind zwar klimaneutral, doch sie emittieren große Mengen an ätzenden Stickoxiden. Katalysatoren und Wassereinspritzung sind mögliche Lösungen. Doch eleganter ist ein neuer Brenner, der die Schadstoffbildung weitgehend verhindert.
Turbogeneratoren, die mit Wasserstoff statt Erdgas betrieben werden, sind gut fürs Klima, denn bei der Verbrennung entstehen keine Treibhausgase. Dass sie dennoch mit Vorsicht zu genießen sind liegt daran, dass die Flamme so heiß ist, dass große Mengen an ätzenden Stickoxiden entstehen. Diese müssen durch Einspritzen von Wasser in die Brennkammer reduziert oder nachträglich mithilfe eines Katalysators unschädlich gemacht werden. Mit dem Problem sind vor allem Siemens Gas and Power sowie Kawasaki Gas Turbine Europe in Bad Homburg vor der Höhe konfrontiert, die beide derartige Turbinen entwickeln. Siemens baut derzeit in Frankreich eine Erdgasturbine entsprechend um und Kawasaki entwickelt eine solche Wasserstoffturbine für ein RWE-Projekt in Lingen an der Ems.
410 kleine Flämmchen statt weniger großer Flammen
Kawasaki Gas Turbine Europe, eine Tochter von Kawasaki Heavy Industries in Japan, könnte es leichter haben. Das Unternehmen will das Micro-Mix-Brennverfahren (MMX) nutzen, das an der Fachhochschule Aachen entwickelt worden ist. Professor Harald Funke und sein Team am Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik haben MMX gemeinsam mit der Industrie zur Serienreife gebracht. Der Brenner ähnelt einer runden Scheibe. Während in normalen Brennern der Wasserstoff in einer einzigen Flamme verbrennt, sind es hier 410 Flämmchen, die aus Düsen schlagen, die einen Durchmesser von weniger als 1 mm haben. Sie haben eine Länge von 5 bis 10 mm. Das entspricht etwa der Größe der Flammen bei Gasherden zum Kochen.
Wasserstoff und Luft „liegen über Kreuz“
Der Brennstoff, also Wasserstoff oder ein Wasserstoff-Erdgas-Gemisch, wird beim MMX durch Mikro-Bohrungen, die senkrecht zur Luftströmung positioniert sind, in den Verbrennungsluftstrom eingedüst. Diese Querströmung verstärkt die Interaktion beider Ströme, wodurch die Vermischung von Brennstoff und Luft intensiviert wird. Das reduziert die Stickoxidbildung entscheidend. Sie liegt über den gesamten Lastbereich bei weniger als 20 ppm. Ein Katalysator ist nicht nötig.
Niedrigere Temperatur und kürzere Zeit
„Durch die verbesserte Mischung eines mageren Kraftstoffluftgemischs können die lokalen Verbrennungstemperaturen reduziert werden; durch Miniaturisierung der Flammen kann die Verweilzeit des Stickstoffs aus der Luft in der Verbrennungszone reduziert werden“, sagt Jan Keinz, der den Brenner in Aachen mitentwickelt hat. Die Stickoxidproduktion sei eine Funktion der lokalen Verbrennungstemperatur sowie des Druckes und der Verweilzeit in der Verbrennungszone. Alle Faktoren werden in dem neuen Brenner drastisch reduziert.
Wasserstoff löst Braunkohle ab
Eines der ersten Großkraftwerke auf Wasserstoffbasis könnte im Eschweiler Stadtteil Weisweiler bei Aachen entstehen. Dort werden 2029 die Braunkohleblöcke stillgelegt. RWE will einen Teil der wegfallenden Leistung von 1 800 MW durch eine Gasturbine ersetzen, die mit reinem Wasserstoff betrieben wird. Dieser soll emissionsfrei produziert werden, entweder in Deutschland oder, was wahrscheinlicher ist, an einem sonnenreichen Standort wie Australien, Chile oder Nordafrika. Es soll eine Leistung von 700 MW haben. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen, doch RWE sagt, die Machbarkeit werde geprüft. Als Auftragnehmer ist Kawasaki Gas Turbine Europe vorgesehen. Der Einsatz von MMX ist so gut wie sicher. Eine ähnliche Anlage soll in Neurath oder Niederaußem gebaut werden. Dort sind derzeit noch Braunkohlekraftwerke in Betrieb.
Die neuen Kraftwerke sind Teil des Programms „H2ercules“, mit dem RWE und der Pipelinebauer Open Grid Europe (OGE) in Essen den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und -nutzung forcieren wollen. Das Investitionsvolumen beträgt 3,5 Mrd. €.