Stromversorgung in China: Wasser, Wind, Sonne und Kernkraft sollen es richten
Beim Zubau von emissionsfreien und -armen Kraftwerken legt China ein atemberaubendes Tempo vor. Fast 50% der umweltverträglichen Anlagen werden in China errichtet. Trotzdem dominiert die Kohle noch immer mit großem Abstand.
Nirgendwo auf der Welt ist der Anteil an Elektroautos so groß wie in China. Was nach einem positiven Signal für die Umwelt aussieht ist genau das Gegenteil. Sie verursachen mehr Schadstoff- und Kohlenstoffdioxid-Emissionen als moderne Benzin- und Dieselfahrzeuge, weil der größte Teil des Stroms, den sie tanken, in Kohlekraftwerken erzeugt wird. Auch die energieintensive Herstellung von Batterien basiert weitgehend auf Kohlestrom.
Doch das soll nicht bleiben. China macht gewaltige Anstrengungen, 2060 ohne Kohlenstoffdioxid-Emissionen auszukommen. Gerade hat die China Three Gorges Corp. (CTG) begonnen, das nach der endgültigen Fertigstellung zweitgrößte Wasserkraftwerk der Welt in Betrieb zu nehmen. Die ersten beiden Turbinen des Kraftwerks Baihetan, wie die meisten in Chinas Wasserkraftwerken vom Heidenheimer Hersteller Voith gefertigt, laufen bereits, 14 weitere folgen. Insgesamt wird die Anlage eine Leistung von 16 Gigawatt haben, das entspricht gut zehn der größten Kernkraftwerksblöcke der Welt. Der Strom wird per Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) in die dicht besiedelten Provinzen im Osten des Landes und in die Provinz Zhejiang geliefert. Das größte Wasserkraftwerk der Welt befindet sich ebenfalls in China. Die Anlage am Drei-Schluchten-Stausee kommt auf 22,5 Gigawatt.
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Gigantisches Wasserkraftwerk in Tibet geplant
Das ist noch nicht alles. Weitere Wasserkraftwerke sind im Bau wie Xiluodu am Jinsha – so heißt der Oberlauf des Jangtse – mit knapp 14 Gigawatt und, ebenfalls am Jinsha, das Kraftwerk Wudong mit einer installierten Leistung von zehn Gigawatt. Weitere Wasserkraftwerke sind geplant, darunter eine 60-Gigawatt-Anlage in Tibet am Brahmaputra, dem wasserreichsten Strom Asiens. Sehr zum Ärger von Indien und Bangladesh, die fürchten, China werde ihnen mit dem Staudamm das Wasser abgraben. Die chinesische Politik, immer mehr Wasserkraftwerke zu bauen, stößt international und im eigenen Land auch auf Kritik, weil bei jedem Projekt manchmal hunderttausende Menschen umgesiedelt werden.
Zumindest beim Zuwachs liegen die Erneuerbaren vorn
Ein weiteres Standbein eines „grünen“ China ist die Kernenergie. Sie trägt derzeit mit 5% zur Stromerzeugung bei, während Kohlekraftwerke auf 68% kommen. Wasserkraft kommt auf 18, Wind auf sechs und Sonne auf drei Prozent. Dass China es mit seinem 2060er-Plan ernst meint zeigen die prozentualen Zuwächse bei der Stromerzeugung zwischen 2019 und 2020. Bei der Kohle verzeichnete China ein Plus von mager erscheinenden drei Prozent. Mit 17% schnitt die Solarenergie am besten ab, die Windkraft kam auf 15, Wasser auf vier und Kernenergie auf 5%. Die absoluten Zahlen zeigen jedoch das Dilemma auf. Der Zuwachs an Kohlestrom lag zwischen 2019 und 2020 bei 129 Terawattstunden. Kernkraft kam auf 18, Wasserkraft auf 53, Windenergie auf 61 und Photovoltaik auf 37 Terawattstunden. Immerhin lagen die CO2-freien und -armen Erzeuger mit einem Plus von 169 Terawattstunden deutlich vor der Kohle.
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1200 Gigawatt für 2030 geplant
Während die installierte Leistung bei der Wasserkraft um „nur“ 14 GW anstieg, verzeichneten Solaranlagen einen Zuwachs von etwa 50 GW; bei der Windkraft waren es sogar 72 GW. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die gesamte installierte Solarleistung bei 54 GW, bei der Windenergie sind es 63 GW. Damit übertrifft allein der Zubau bei Sonne und Wind in China die gesamte installierte Leistung in Deutschland. China war in 2020 für knapp 50% des weltweiten Leistungszubaus erneuerbarer Energien verantwortlich. 2030 soll die installierte Leistung von Wind- und Solarenergie bei 1200 GW liegen. In Deutschland liegt die installierte Leistung über alle Energieträger hinweg bei 224,7 GW.
Mit Thorium statt Uran und Plutonium
Mit einem neuen Kernkraftwerkstyp erschießt sich China gerade eine weitere Option im Kampf um die Klimaneutralität. Nahe der Stadt Wuwei in der chinesischen Provinz Gansu soll innerhalb der nächsten Monate der Prototyp eines Flüssigsalzreaktor in Betrieb gehen, der statt mit Uran oder Plutonium mit Thorium betrieben wird. Das silbrig glänzende Metall, das sich in größeren Mengen in der Erdkruste befindet, wird in Form eines Salzes in flüssiger Form eingesetzt. Im Reaktor wird der Thorium-Anteil des Salzes von Neutronen in Uran 233 umgewandelt. Dessen Atomkerne werden von Neutronen gespalten. Die dabei entstehende Wärme transportiert die Salzschmelze aus dem Reaktor heraus. In einem Wärmetauscher wird die Energie zur Stromerzeugung ausgekoppelt.
Mit Kernenergie sollen Klimaziele erreicht werden
Atommüll nach 300 Jahren ungefährlich
Der TMSR (Thorium Molten Salt Reactor), entwickelt von Institut für angewandte Physik in Schanghai, hat eine Leistung von zehn Megawatt – bis 2030 soll ein zehnmal so großer Reaktor gleicher Bauart errichtet werden. Bei einem Störfall kann nichts explodieren, auch radioaktiv strahlende Partikel können nicht entweichen. Bei einem schweren Unfall, bei dem die Salzschmelze unkontrolliert ausläuft, kühlt sie schnell aus und wird zu einer festen Masse, aus der keine Schadstoffe entweichen. Während die Abfälle aus herkömmlichen Reaktoren hunderttausende Jahre radioaktiv strahlen, ist der TMSR-Atommüll nach 300 Jahren harmlos, vor allem, weil kein extrem langlebiges radioaktives Plutonium entsteht. Wenn das Konzept aufgeht will China zahlreiche Anlagen verstreut über das Land aufbauen.