US-Kernkraftwerk entzieht der Luft Kohlendioxid
Kühltürme können als Klimagas-Fänger wirken. Pro Jahr sollen 250 000 Tonnen unschädlich eingefangen und in tiefen geologischen Formationen endgelagert werden.
Kernkraftwerke sind, wenn alle CO2-Emissionen vom Bau über die Brennstoffbeschaffung, den Betrieb und den Rückbau berücksichtigt werden, mit 12 g/kWh laut Weltklimarat klimaverträglicher als alle anderen Energieformen, eine Zahl, die auch das Umweltbundesamt nennt. Solarstrom liegt bei 50 g/kWh (143 g/kWh, wenn es ein Backup gibt, also Batterien, die bei Dunkelheit einspringen), Windstrom kommt auf 18 g/kWh (86 g/kWh mit Speicher) und Wasserkraft auf 23 g/kWh.
Einsatz einer kanadischen Technik
Die beiden Reaktoren des Kernkraftwerks Byron im US-Bundesstaat Illinois sind also per se gut fürs Klima. Künftig sind sie noch klimaverträglicher. In einem Großversuch werden sie so umgebaut, dass sie bei einer Leistung von 2 347 MW nicht nur eine Menge Strom erzeugen. Sie werden auch, gewissermaßen nebenbei, jede Menge CO2 aus der Atmosphäre saugen. Die Investitionskosten liegen bei 3,125 Mio. US-$, von denen das US-Energieministerium 2,5 Mio. US-$ trägt.
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Eingesetzt wird die CO2-Einfangtechnologie des kanadischen Unternehmens Carbon Engineering, lizenziert an 1PointFive in Houston/Texas. Dabei wird Luft durch eine Kaliumhydroxidlösung geblasen. Diese hält gezielt die CO2-Moleküle zurück, sodass am Auslass Luft nahezu ohne Kohlenstoffdioxid austritt.
Kühlwasser als Klimaretter
Für den Einsatz im Kernkraftwerk Byron wird das Verfahren modifiziert. Als CO2-Fänger fungiert hier das Wasser, das die Kondensatoren in den Kühltürmen kühlt. Es wird mit Kaliumhydroxid angereichert, sodass die Luft, die hindurchströmt, von CO2 befreit wird. Das Klimagas wird dann abgetrennt und in geologische Formationen im Untergrund von Illinois gepresst.
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Energieverbrauch noch mit Unsicherheiten behaftet
Unsicher ist, wie hoch letztlich der Energiebedarf sein wird, der vor allem für die Abtrennung des CO2 aus dem Kühlwasser benötigt wird. Er könnte sehr hoch sein, sodass die Umweltvorteile aufgewogen werden. Es sei denn, es gelingt, für die notwendige Erwärmung Solarenergie zu mobilisieren. Einen Teil der Energie liefert allerdings das Kraftwerk selbst in Form von Abfallwärme, die anderweitig nicht mehr nutzbar ist. Die beiden Kühltürme, jeweils 150 m hoch, können, so die Berechnungen, pro Jahr 250 000 t CO2 aus der Atmosphäre entfernen.
Unterwegs zur kohlenstofffreien Zukunft
„Wir brauchen viele neue Lösungen, um die Klimakrise anzugehen, und die Erforschung dieser Technologie in einem unserer Zentren für saubere Energie ist ein positiver Schritt, der uns in eine kohlenstofffreie Zukunft führt“, sagt Joseph Dominguez, CEO von Constellation Energy in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland, dem Unternehmen, dass das Kernkraftwerk betreibt. „Mit einem Projekt wie diesem wird die Kernenergie, die den kohlenstoffärmsten Strom in den USA liefert, den Übergang zu einer kohlenstofffreien Zukunft beschleunigen“, glaubt Dave Rhoades, Chief Nuclear Officer von Constellation. Die Abscheidung soll im kommenden Jahr beginnen.
Der japanische Weg zur Klimarettung
Der CO2-Einfang mithilfe einer Flüssigkeit, die diese Moleküle bindet, hat einen Nachteil: Je mehr Klimagas sie aufgenommen hat, desto niedriger wird der Wirkungsgrad. Seiji Yamazoe, Chemieprofessor an der Tokyo Metropolitan University, und sein Team glauben, die Lösung gefunden zu haben. Zum Abtrennen des Klimagases setzen sie eine Chemikalie namens Isophorondiamin (IPDA) ein. Diese reagiert mit CO2 zu Carbaminsäure, einem Feststoff, der auch als Carbamid- oder Aminoameisensäure bekannt ist. Dieser lässt sich leicht von der Chemikalie trennen und bei milden Temperaturen um die 60 °C wieder in IPDA und CO2 spalten.
Dem IPDA entgeht kaum ein Klimagas-Molekül. Die japanischen Forschenden geben den Abscheidegrad mit 99 % an. Außerdem sei das Verfahren mindestens doppelt so schnell wie bisher eingesetzte Techniken.
Die Abtrennung von CO2 aus der Luft und dessen Endlagerung oder Verwertung als Chemierohstoff sind nicht dazu gedacht, die Nutzung fossiler Kraftwerke zu verlängern. Vielmehr sehen Klimaforschende in aller Welt keine andere Möglichkeit, die durchschnittliche Temperatursteigerung auf weniger als 1,5 °C zu begrenzen. Denn selbst wenn alle fossilen CO2-Quellen versiegen würden, reichte das für das 1,5-Grad-Ziel nicht aus.