Wärmepumpen für die Energiewende in Bayern – Gebäudewärmebedarf und Anwendungspotenzial im Jahr 2050
Wärmepumpen erfreuen sich bei Neubauten steigender Beliebtheit. Hartnäckig hält sich die Einschätzung, dass Wärmepumpenheizungen bei Einsatz in Bestandsgebäuden wegen der hohen Heizungsvorlauftemperaturen eine zu geringe Effizienz aufweisen oder die benötigten Temperaturen erst gar nicht liefern können. Am Beispiel des Gebäudebestands von Bayern wird geklärt, in welchen Wohngebäuden Wärmepumpen eingesetzt werden können und wie stark der Strombedarf bei vollständigem Umstieg auf Wärmepumpen ansteigt.
Um die Emission von Treibhausgasen (THG) schnellstmöglich zu reduzieren, muss im Rahmen der „Energiewende“ eine grundlegende Veränderung der Energienutzung in allen Verbrauchssektoren erreicht werden. Ein wesentlicher Beitrag ist hier durch den Umbau der Wärmeversorgung von Wohngebäuden zu leisten.
In Voruntersuchungen wurde die Entwicklung des bayerischen Wohngebäudebestands bis zum Jahr 2050 prognostiziert. Die Abschätzung beruht auf einem forcierten Szenario – das heißt optimistisch, aber dennoch realistisch angelegt – für die Renovierung der bestehenden Gebäude und der Errichtung von Neubauten. Darauf aufbauend wurde eine Prognose des Energiebedarfs und der THG-Emission für die Wärmeversorgung entwickelt. Die Ergebnisse werden den klimapolitischen Zielsetzungen für den Gebäudesektor gegenübergestellt. Es wird ermittelt, wie weit der Endenergiebedarf und die resultierenden Emissionen des Wohngebäudebestands durch die Vollsanierung aller Gebäude gesenkt werden könnten. So wird das theoretisch maximale Einsparpotenzial aufgezeigt und ein Referenzwert geschaffen.
Ausgehend vom Baustandard der Gebäude und dem damit verbundenen Energiebedarf wird überprüft, ob die Gebäudebeheizung und Warmwasserbereitung vollständig durch elektrische Wärmepumpen erfolgen kann und welcher elektrische Energiebedarf dadurch entsteht.
Prognose des Wärmebedarfs und der THG-Emissionen bis zum Jahr 2050
Den Ausgangspunkt für die Szenarienentwicklung bildet eine detaillierte Analyse des Gebäudewärmebedarfs Bayerns für das Jahr 2020 in Verbindung mit einer Prognose für die weitere Entwicklung bis zum Jahr 2050. Die Wohngebäude wurden anhand der Merkmale in Tabelle 1 in 840 Kategorien unterteilt, wie in [1] detailliert beschrieben.
Die Ergebnisse eines forcierten Szenarios zur Entwicklung des Wohngebäudebestandes und des zugehörigen Endenergiebedarfs sind in Bild 1 dargestellt. Es wird ein Wachstum des Bestands von 3,11 (2020) auf 3,54 Millionen (2050) Gebäude vorausgesagt, während der Endenergiebedarf für Raumwärme und Warmwasser von 97 400 (2020) auf etwa 71 300 GWh (2050) sinken wird. Dabei wird ein forcierter Verlauf der Gebäudesanierung angenommen mit einem linearen Anstieg der Sanierungsrate von 1 % im Jahr 2021 auf 1,25 % bis zum Jahr 2031 und anschließend auf 2 % bis zum Jahr 2046.
Auf den Gebäudetyp „Freistehendes Haus mit einer Wohnung“ entfällt mit einem Anteil von etwa 68 % der Großteil der Wohngebäude in Bayern. Die thermische Qualität der Gebäudehülle, ausgedrückt durch den Sanierungsstatus, schlägt sich erwartungsgemäß in der Aufteilung des Energiebedarfs nieder. In der Analyse zeigten sich bei jüngeren Gebäuden für unterschiedliche Gebäudetypen und Sanierungsgrade vergleichsweise geringe Unterschiede des Wärmebedarfs. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend künftig weiter verstärken wird. Dies ist auf die Verschärfungen der gesetzlichen Vorgaben für den Energiebedarf von Neubauten zurückzuführen, die in immer kürzer werden Abständen immer niedrigere Grenzwerte vorgeben [2]. Das größte Potenzial zur Verringerung des Wärmebedarfs zeigt sich deshalb vorwiegend bei älteren Wohngebäuden.
Aus der politischen Zielsetzung für die Verringerung des Energieeinsatzes in Deutschland kann der Zielwert für den Gebäudesektor abgeleitet werden. Für die Wärmeversorgung der Wohngebäude in Bayern ergibt sich eine Endenergiemenge von 25 700 GWh/a. Bei Annahme einer umfassenden Vollsanierung des Wohngebäudebestandes und Ausschöpfen des theoretischen Einsparpotenzials verbleibt ein Gebäudewärmebedarf in Höhe von 30 600 GWh. Dieser Minimalwert ist jedoch aus diversen technischen, wirtschaftlichen und praktischen Gründen nicht erreichbar. Bild 2 zeigt ausgehend vom Bedarfswert 2020 die Gegenüberstellung der prognostizierten Entwicklung des Gebäudewärmebedarfs mit dem politischen Zielwert für 2050. Das Szenario „Sanierung konstant“ bildet den Verlauf bei einer konstant bleibenden Sanierungsrate ab, die aktuell bei etwa 1 %/a liegt. Das Szenario „Sanierung forciert“ wurde, wie oben dargestellt, für die Prognose der weiteren Entwicklung des Gebäudebestands und des Gebäudewärmebedarfs verwendet. Damit wird eine zusätzliche Endenergieeinsparung gegenüber „Sanierung konstant“ um etwa 10 % erzielt. Das politische Ziel für den Endenergiebedarf ist selbst bei Vollsanierung des gesamten bayerischen Wohngebäudebestandes allein durch Energieeinsparung nicht zu erreichen. Letztlich ausschlaggebend für die Umweltbelastung sind die bei der Wärmeversorgung der Wohngebäude entstehenden klimaschädlichen Emissionen. Der Fokus sollte daher neben größtmöglicher Energieeinsparung auf der Einhaltung der Zielsetzung für die THG-Emissionen liegen. Das erfordert einen hohen regenerativen Anteil an der Wärmeversorgung.
Bild 3 stellt die Entwicklung des CO2-Ausstoßes in Verbindung mit der Wärmeversorgung der Wohngebäude in Bayern den zugehörigen politischen Zielwerten gegenüber. Die jährlichen Emissionen sollen von 16,27 (2020) auf 3,84 Mio. t CO2 bis zum Jahr 2050 sinken. Im Gegensatz zum Zielwert für die Endenergie erscheint es möglich, die angestrebte Minderung der THG-Emissionen durch den Einsatz von Energie aus erneuerbaren Quellen zu erreichen. Geht man davon aus, dass im Jahr 2050 nur noch Erdgas als konventioneller Energieträger zur Wärmeversorgung von Wohngebäuden eingesetzt wird, so müsste zur Einhaltung des Zielwertes der Beitrag durch fossil befeuerte Heizkessel um mehr als zwei Drittel auf rund 19 100 GWh verringert werden. Tritt das forcierte Szenario für die Gebäudesanierung ein, müssten demnach im Jahr 2050 etwa 52 200 GWh Wärme aus emissionsfreien, regenerativen Energiequellen stammen.
Aufteilung Wärmebedarf für Raumwärme und Warmwasser
Im Hinblick auf den Einsatz von Wärmepumpen ist eine Unterscheidung der Energiemengen zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser notwendig, da die Effizienz der Wärmepumpe, ausgedrückt durch die Arbeitszahl, in Abhängigkeit des Temperaturniveaus der Wärmenutzung variiert. Die angeforderte Zapftemperatur der Warmwasserversorgung liegt in der Regel höher als die Vorlauftemperaturen zur Versorgung mit Raumwärme.
Für jede Gebäudekategorie wurde der durchschnittliche spezifische Wärmeenergiebedarf ermittelt, ausgehend von der jeweils zutreffenden baulichen Qualität. Durch Abzug des Anteils für die Warmwasserbereitung ergeben sich daraus die spezifischen Energiewerte für die Versorgung mit Raumwärme. Dabei wurde von einem auf die Wohnfläche bezogenen spezifischen Verbrauchswert für Warmwasser ausgegangen [3].
Ermittlung der benötigten Heizungsvorlauftemperatur
Die Arbeitszahl von Wärmepumpen hängt in erster Linie von der Vorlauftemperatur des angeschlossenen Heizkreises und der Temperatur der Wärmequelle ab. Mit steigender Heizungsvorlauftemperatur steigt die Leistungsaufnahme des elektrischen Verdichters und die Arbeitszahl fällt dementsprechend. Mit steigender spezifischer Heizlast des Gebäudes, also vornehmlich bei der Versorgung älterer unsanierter Gebäude, sind höhere Vorlauftemperaturen zur Übertragung der Heizleistung erforderlich. Dies gilt für die Beheizung mit Heizkörpern sowie für Fußbodenheizungssysteme gleichermaßen.
Um den Energiebedarf der Wärmebereitstellung durch Wärmepumpen zu ermitteln, muss also die erforderliche Heizungsvorlauftemperatur für die verschiedenen Gebäudetypen und Baualtersklassen bestimmt werden. Dazu wurde mithilfe des Hüllflächenverfahren nach DIN EN 12831-1:2017 [4] für alle Gebäudetypen die Heizlast eines Referenzraums (Bild 4) in Abhängigkeit von der thermischen Qualität der Gebäudehülle bestimmt. Unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Heizkörpertypen ergibt sich daraus die erforderliche Heizungsvorlauftemperatur. Die Rahmenbedingungen und Ergebnisse sind Tabelle 2 zu entnehmen.
Der Referenzraum besitzt eine Grundfläche von 13,5 m2 und verfügt über zwei Fenster mit je 2 m2 Fläche. Als Maximalwert ergibt sich für die Kategorie „Freistehendes Haus mit einer Wohnung, Baualtersklasse vor 1919“ eine spezifische Heizlast von 139,9 W/m2.
Für die Heizkörperauslegung und die Bestimmung der erforderlichen Vorlauftemperatur wurde davon ausgegangen, dass der Raum mit einem Heizkörper mit den Abmessungen 75 x 200 cm beheizt wird. Die Berechnung wurde für moderne Kompaktheizkörper [7] und ältere Gliederstahlradiatoren [8] durchgeführt. Letztere sind nicht mehr Stand der Technik, jedoch im Bestand besonders bei älteren Baualtersklassen noch zahlreich vorhanden. Die zugrunde liegenden Eigenschaften der Heizkörper und die Ergebnisse für die Wärmeabgabe sind in Tabelle 3 aufgeführt. Beim Einsatz moderner Kompaktheizkörper ist eine Heizungsvorlauftemperatur von 61 °C erforderlich. Wird unter jedem der beiden Fenster ein Heizkörper eingesetzt – wie in älteren Gebäuden üblich – so sind sogar deutlich niedrigere Heizungsvorlauftemperaturen ausreichend. Bei den weiteren Berechnungen für das Jahr 2050 wird davon ausgegangen, dass alle Gebäude mit modernen Heizkörpern ausgerüstet werden. Dabei werden die bisher eingesetzten Heizkörper durch Kompaktheizkörper gleicher Höhe und Breite ersetzt.
Mithilfe des Referenzraummodells kann für alle Gebäudetypen und Baualtersklassen die Zuordnung der spezifischen Heizlast zur erforderlichen Heizungsvorlauftemperatur ermittelt werden. Neben der Auslegung von Heizkörpern können mithilfe von Auslegungsdiagrammen [9] auch die Vorlauftemperaturen für Flächenheizungen, das heißt Fußbodenheizungen, bestimmt werden. Die Zuordnung der erforderlichen Vorlauftemperatur für die untersuchten Wärmeübertragungssysteme zur spezifischen Heizlast zeigt Bild 5.
Ermittlung der Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpenheizungen
Die Jahresarbeitszahl gibt das Verhältnis von abgegebener Nutzwärme einer Wärmepumpe zu aufgenommener elektrischer Antriebsenergie wieder, bilanziert über das gesamte Betriebsjahr. Dabei variiert der Momentanwert der Arbeitszahl im Jahresverlauf in Abhängigkeit der Außentemperatur und der Heizungsvorlauftemperatur sowie der gewählten Form der Anpassung der Leistungsabgabe an das Heizungssystem. Über weite Zeiträume des Jahres kann die Heizungsvorlauftemperatur gegenüber dem Auslegungswert bei maximaler Heizleistung abgesenkt werden, sodass höhere Effizienzwerte der Wärmepumpe erreicht werden. Hinsichtlich der Leistungsregelung sind moderne inverter-geregelte Wärmepumpen, bei denen die Wärmeabgabe durch Drehzahlregelung des Verdichters gesteuert werden kann, von konstant laufenden Wärmepumpen zu unterscheiden. Einen weiteren Einfluss stellt eine etwaige Variation der Temperatur der Wärmequelle dar, zum Beispiel bei Nutzung der Umgebungsluft als Wärmequelle der Luft-Wärmepumpe.
Zur Ermittlung des Energiebedarfs für die Wärmeversorgung wurden für die unterschiedlichen Gebäudesituationen die Jahresarbeitszahlen gemäß VDI-Richtlinie 4650-1 [10] bestimmt. Bezüglich Warmwasserbereitung wurde nach DVGW-Arbeitsblatt W 551 [11] angenommen, dass die maximale Speicher- beziehungsweise Zapftemperatur in jeder Gebäudekategorie 60 °C beträgt.
Zur Berücksichtigung der Nutzung unterschiedlicher Wärmequellen wurden die folgenden Wärmepumpenarten betrachtet:
- Luft/Wasser-Wärmepumpe (Wärmequelle: Außenluft),
- Sole/Wasser-Wärmepumpe (Wärmequelle: Erdsonden oder Erdkollektoren),
jeweils mit Unterscheidung der Optionen für die Leistungsregelung:
- keine Leistungsregelung („fixed speed“),
- leistungsgeregelt (Inverter).
Um den aktuellen technischen Stand abzubilden, wurden je Wärmepumpenart jeweils die Effizienzwerte (COP – Coefficient of performance) von drei marktüblichen Wärmepumpenmodellen etablierter Hersteller herangezogen. Bild 5 zeigt die Jahresarbeitszahlen der unterschiedlichen Wärmepumpentypen in Abhängigkeit des Auslegungswerts der Heizungsvorlauftemperatur. Gleichzeitig ist der Zusammenhang mit der spezifischen Gebäudeheizlast ablesbar.
Strombedarf für die Gebäudewärmeversorgung
Mithilfe der durchschnittlichen Wohnungsgröße, dem spezifischen Wärmeenergiebedarf und den zugewiesenen Jahresarbeitszahlen ergibt sich in der Szenarienbetrachtung die benötigte elektrische Energie zur Deckung des Wärmebedarfs für Raumwärme und Warmwasser für die Wohnungen der einzelnen Wohngebäudekategorien:
mit Qth = absoluter Wärmeenergiebedarf pro Wohnung der Gebäudekategorie, in kWh/a; q = spezifischer Wärmeenergiebedarf für Raumwärme (RW) und Warmwasser (WW), in kWh/m2 · a; A = durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung im Gebäude, in m2; JAZ = Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe für Raumwärme (RW) beziehungsweise Warmwasser (WW).
Im Sinne einer Maximalbetrachtung wird in dieser Studie der elektrische Energiebedarf ermittelt, der bei vollständiger Deckung des Raumwärmebedarfs des bayerischen Gebäudebestands entsteht. Dazu wurde für das forcierte Szenario bezüglich der Entwicklung der Wohngebäude in Bayern aufgeschlüsselt, wie viele Wohneinheiten eine bestimmte spezifische Heizlast aufweisen und mit einer dementsprechenden Heizungsvorlauftemperatur versorgt werden müssen. Das Ergebnis ist in Bild 6 (oben) in kumulierter Auftragung dargestellt; das heißt der zu einem Abszissenwert eingetragene Ergebniswert gibt an, für wie viele Wohneinheiten die betreffende Heizungsvorlauftemperatur ausreichend hoch ist oder sogar die Anforderung übertrifft. Aus der Verteilung der Wohneinheiten kann abgeleitet werden, welcher Wärmebedarf beim jeweiligen Auslegungswert der Heizungsvorlauftemperatur besteht (Bild 6, Mitte). Unter Einbezug der für die jeweiligen Gebäudekategorien ermittelten Jahresarbeitszahlen ergibt sich daraus die Verteilung des Elektroenergiebedarfs über die Auslegungstemperaturen der Heizungssysteme beziehungsweise der spezifischen Heizlasten der jeweiligen Gebäude (Bild 6, unten).
Alle Darstellungen zeigen zwei Grenzfallbetrachtungen: Es wurde angenommen, dass die Gebäudeheizung für alle Gebäudekategorien entweder ausschließlich durch Heizkörper erfolgt (gestrichelte Linien) oder dass in allen Gebäuden mit ausreichend niedriger spezifischer Heizlast ausschließlich Fußbodenheizungen eingesetzt werden und die Gebäude mit höherer spezifischer Heizlast weiterhin mit Heizkörpern beheizt werden (durchgezogene Linien). Hinsichtlich der Leistungsregelung der Wärmepumpen wurde angenommen, dass in Gebäuden mit weniger als sieben Wohnungen Inverter-geregelte Wärmepumpen eingesetzt werden und größere Gebäude mit Wärmepumpen ohne Leistungsregelung ausgerüstet werden.
Die Darstellung der Anzahl der Wohnungen (Bild 6, oben) zeigt die Wirkung der angenommenen Sanierung des Gebäudebestands ausgehend vom Jahr 2020 bis 2050. Während im Jahr 2020 mehr als ein Drittel der Wohnungen mit Heizungsvorlauftemperaturen über 50 °C versorgt werden müssen, reicht im Jahr 2050 eine Heizungsvorlauftemperatur von 40 °C für etwa 80 % der Wohnungen aus. Die Graphen für die Raumwärme zeigen, dass trotz ihrer vergleichsweisen geringen Anzahl ein relativ großer Anteil der bereitzustellenden Raumwärme auf Gebäude mit höherer spezifischer Heizlast entfällt, also auf ältere unsanierte Gebäude. Dies trifft insbesondere für die Ausgangssituation im Jahr 2020 zu.
Infolge der geringeren Jahresarbeitszahl ergibt sich für unsanierte Gebäude, die mit höheren Heizungsvorlauftemperaturen versorgt werden müssen, ein hoher Elektroenergiebedarf. Dies hat zur Folge, dass in der Szenariobetrachtung für das Jahr 2050 mindestens ein Viertel des Elektroenergiebedarfs auf Gebäude mit Heizungsvorlauftemperaturen über 50 °C entfällt, obwohl diese Gebäude nur etwa 10 % des Gebäudebestands darstellen werden.
Strombedarf und CO2-Emission
Soll der Wärmebedarf des bayerischen Wohngebäudebestandes im Jahr 2050 ausschließlich mit Wärmepumpen gedeckt werden, so ist dafür ein Strombedarf von etwa 14 000 bis 17 100 GWh zu erwarten. Gemessen am bayerischen Strombedarf im Jahr 2020 in Höhe von rund 74 200 GWh entspricht dies einer Steigerung um 19 bis 23 %.
Bild 7 zeigt das Ergebnis für den zu erwartenden Strombedarf bei Verwendung der verschiedenen Wärmepumpenarten und die damit verbundenen CO2-Emissionen im Vergleich zur Zielsetzung für die THG-Emissionen der Gebäudewärmeversorgung in Bayern von etwa 3,84 Mio. t CO2/a, die bis 2050 zu erfüllen ist. Die für die verschiedenen Wärmepumpenvarianten dargestellten THG-Emissionen basieren auf dem spezifischen Emissionswert für den deutschen Strommix des Jahres 2020 in Höhe von 366 g CO2/kWh(el.) [12]. Damit würde der Zielwert um mindestens ein Drittel verfehlt werden. An der farblichen Staffelung der Balken „Emission“ ist abzulesen, dass bei Sinken des Emissionsfaktors auf Werte von 224 bis 275 g CO2/kWh(el). das Ziel für die Emissionsminderung im Bereich der Gebäudewärmeversorgung erreicht werden kann. Dies ist angesichts der allgemein anerkannten Notwendigkeit zum verstärkten Ausbau der Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen realistisch.
Schlussfolgerung
Angesichts der hohen technischen Reife von elektrisch betriebenen Wärmepumpen ist es möglich die Wärmeversorgung für den gesamten Wohngebäudebestand mithilfe von Wärmepumpenheizungen zu bewerkstelligen. Voraussetzung hierfür ist ein Austausch der noch genutzten, veralteten Heizkörper durch moderne Kompaktheizkörper. Unabhängig vom Heizsystem ist dies bis zum Jahr 2050 als realistisch einzuschätzen. So reicht selbst in alten Bestandsgebäuden eine Vorlauftemperatur von maximal 61 °C für die Raumheizung aus. Für die Energieversorgung in Bayern im Jahr 2050 ergibt sich dabei unter der Annahme einer gegenüber dem heutigen Stand forcierten Gebäuderenovierung eine Steigerung des jährlichen Strombedarfs um etwa 20 % gegenüber dem Jahr 2020.
Obwohl Sanierung und Neubau nur zu einer vergleichsweise geringen Senkung des Gebäudewärmebedarfs führen, sind die klimapolitischen Ziele zur CO2-Minderung aus technischer Sicht realistisch erreichbar. Ausschlaggebend ist hierfür, dass der flächendeckende Einsatz der Wärmepumpenheizung einhergeht mit einem verstärkten Ausbau der regenerativen Stromerzeugung. So können durch den umfassenden Einsatz von Wärmepumpen, unabhängig vom Anlagentyp, die überdurchschnittlich ambitionierten Emissionsziele für den Wohngebäudesektors nachhaltig erfüllt werden, wobei Sole-Wärmepumpen, wenn technisch einsetzbar, die effizienteste Option darstellen.
HINWEIS: Das Projekt „Werkzeuge und Lösungen für die Wärmewende – Zukünftiges Energiesystem Bayern (Wärmewende Bayern)“ wird gefördert durch das Bayrische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Programm zur Förderung der angewandten Forschung und Entwicklung an Hochschulen für angewandte Wissenschaften – Fachhochschulen, Programmsäule „Forschungsschwerpunkt zum Ausbau von Forschungsstrukturen“.
Literatur
- Barton, M.; Pichlmeier, F.; Wolter, M.; Schweigler, C.: Development of a realistic scenario for the thermal energy demand of residential buildings in Bavaria till 2050. 6th International Conference Central Europe towards Sustainable Building (CESB22), Tschechien, 4.-6. Juli 2022.
- Schwan, L.; Hahn, J.; Barton, M.; Anders, R.; Schweigler, C.: Analysis and development of reference buildings for the energy transition in the thermal sector. The 32nd International Conference on Efficiency, Cost, Optimzation, Simulation and Environmental Impact of Energy Systems (ECOS 2019), Polen, 23.-28. Juni 2019.
- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR): Nutzenergiebedarf für Warmwasser in Wohngebäuden. BBSR-Online-Publikation Nr. 17/2017, September 2017, https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/bbsr-online/2017/bbsr-online-17-2017-dl.pdf?__blob=publicationFile&v=1, zuletzt abgerufen am 23.6.2022.
- DIN EN 12831-1:2017: Energetische Bewertung von Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast – Teil 1: Raumheizlast, Modul M3-3; Deutsche Fassung EN 12831-1:2017
- DIN EN 12831 Beiblatt 1:2008-07: Heizsysteme in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast – Nationaler Anhang NA, Berlin: Beuth Verlag, 2008.
- Institut Wohnen und Umwelt GmbH (IWU): „Tabula“ – Entwicklung von Gebäudetypologien zur energetischen Bewertung des Wohngebäudebestands in 13 europäischen Ländern. https://www.iwu.de/forschung/gebaeudebestand/tabula, zuletzt abgerufen am 23.6.2022.
- Kermi GmbH: Datenblätter moderer Kompaktheizkörper. https://www.kermi.de/raumklima/produkte/flachheizkoerper/therm-x2-profil, zuletzt abgerufen am 23.6.2022.
- Recknagel, Sprenger, Albers: Taschenbuch für Heizung und Klimatechnik. 79. Ausgabe 2019/2020, Herausgeber: Albers, Karl-Josef, ITM InnoTech Medien, ISBN/EAN: 978-3-96143-077-2, Kapitel 2.2.2 (S. 774 ff).
- Uponor GmbH: Technische Informationen Fußbodenheizung und -kühlung. 2021, https://www.uponor.com/de-de/produkte/fussbodenheizung-und-kuehlung, zuletzt abgerufen am 23.6.2022.
- VDI Verein Deutscher Ingenieure e. V.: VDI 4650 Blatt 1: Berechnung der Jahresarbeitszahl von Wärmepumpenanlagen – Elektrowärmepumpen zur Raumheizung und Trinkwassererwärmung, März 2019, www.vdi.de/4650.
- DVGW W 551:2004-04: Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen – Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums – Planung, Errichtung, Betrieb und Sanierung von Trinkwasser-Installationen. Berlin: Beuth Verlag, 2004.
- Umweltbundesamt: Climate Change 45/2021 – Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 – 2020, Mai 2021, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-05-26_cc-45-2021_strommix_2021_0.pdf, zuletzt abgerufen am 23.6.2022.
Michael Barton, M. Eng.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Cenergie – Forschungsinstitut für energieeffiziente Gebäude und Quartiere der Hochschule München
michael.barton@hm.edu
Benjamin Lukas, M. Eng.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Cenergie der Hochschule München
benjamin.lukas0@hm.edu
Prof. Dr. Christian Schweigler
Institutsleitung Cenergie der Hochschule München
christian.schweigler@hm.edu