Wasserstoff und Brennstoffzellen 2018
Die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger im Transportsektor nimmt stetig zu. Alleine in Deutschland hat sich die Anzahl der öffentlichen Wasserstofftankstellen in 2017 etwa verdoppelt, und mit dem Daimler GLC und dem Hyundai Nexo sind zwei neue Fahrzeuge vorgestellt worden. Es ist derzeit zu beobachten, dass die Einführung der Wasserstoffmobilität dabei weniger durch Privatnutzer, sondern vielmehr durch Betreiber von Fahrzeugflotten erfolgt. Zudem nimmt die Anwendungsbreite in diesem Sektor deutlich zu, was sich an neuen Konzepten für Lkw, Busse, Züge und Schiffe bemerkbar macht. Und auch im Industriesektor wurden die Bemühungen deutlich verstärkt, Wasserstoff umweltfreundlich über Elektrolyse herzustellen und sowohl energetisch als auch stofflich zu nutzen sowie wo immer möglich sektorenübergreifend einzusetzen.
Auch im Jahr 2017 hat sich der Trend aus dem vergangenen Jahr [1] im Wasserstoffsektor bestätigt, dass viele der eingesetzten Technologien Markreife erreicht haben und bereits in einigen Geschäftsfeldern, wie dem Logistiksensor und der Hausenergieversorgung, profitabel genutzt werden können. Die weiteren notwendigen Entwicklungen und ein Fahrplan zur großflächigen Einführung von Wasserstoff wurde im November 2017 in der Studie „Hydrogen scaling up – A sustainable pathway for the global energy transition“ zusammengefasst [2]. Diese Studie wurde gemeinsam von dem Hydrogen Council und McKinsey & Company erstellt und spiegelt vor allem die Sichtweise des Hydrogen Council dar. Diese globale Initiative wurde im Januar 2017 in Davos gegründet, um die Markteinführung der Wasserstofftechnik zu forcieren. Um die gesetzten Ziele zu erreichen, sind die beteiligten Unternehmen Air Liquide, Alstom, Anglo American, BMW, Daimler, Engie, Honda, Hyundai, Kawasaki, Shell, Linde, Total und Toyota bereit, in den kommenden fünf Jahren jährlich mindestens 1,9 Mrd. € in die Markteinführung der Wasserstofftechnologien zu investieren. Die Studie beschreibt den Weg hin zu einer wasserstoffbasierten Energiewirtschaft im Jahr 2050, in der mehr als 500 TWh ansonsten ungenutzter Energie aus erneuerbaren Energiequellen gespeichert sowie den verschiedenen Industriesektoren zugänglich gemacht werden können. Alleine durch diese Maßnahmen wäre es möglich, 20 % der bis 2050 global angestrebten Reduktionen der CO2-Emissionen zu erreichen. Entsprechend der vorgestellten Vision würden bis 2050 mehr als 400 Millionen Pkw, 15 Millionen Lkw und fünf Millionen Busse durch Wasserstoff angetrieben, was einem Marktanteil von etwa 20 bis 25 % entsprechen würde und den CO2-Ausstoß um bis zu einem Drittel senken könnte. Weitere Emissionseinsparungen wären durch die Nutzung von Wasserstoff als Treibstoff für ein Viertel aller Passagierschiffe und einem Fünftel aller nicht-elektrifizierten Lokomotiven möglich. Wasserstoff könnte zudem 10 % der benötigen Energie zur Strom- und Wärmeversorgung von Haushalten bereitstellen und einen wesentlichen Beitrag bei der Energieversorgung von Mittel- und Hochtemperaturprozessen in der Industrie leisten. Ein weiterer Bereich, in dem Wasserstoff schon heute eingesetzt, aber zunehmend umweltfreundlich über Elektrolyse hergestellt wird, ist der industrielle Einsatz als Rohstoff in verschiedenen Wertschöpfungsketten. So wird in der Studie erwartet, dass bis 2050 etwa 30 % der Methanolherstellung über Wasserstoff realisiert werden kann. Durch das Erreichen der gesetzten Ziele könnten Wasserstofftechnologien etwa 18 % des gesamten globalen Energiebedarfs decken und so den Erdölverbrauch im Transportsektor um 20 Mio. Barrel täglich senken sowie die jährlichen CO2-Emissionen um 6 Gt reduzieren. Die CO2-Einsparungspotenziale bis 2050 wurden in der Studie für die verschiedenen Sektoren berechnet und sind in Bild 1 dargestellt.
Der beabsichtigte Fahrplan zur Erreichung der gesetzten Ziele setzt jedoch eine massive Investition in die Wasserstoffinfrastruktur voraus. Die benötigten jährlichen Investitionskosten betrügen 20 bis 25 Mrd. US-$, was alleine bis 2030 einer gesamten Investitionssumme von etwa 280 Mrd. US-$ entspräche. Davon werden 40 % für den Aufbau der Wasserstoffherstellung, 30 % für Speicherung und Verteilung, 25 % für den Ausbau der Kapazitäten zur Massenfertigung und etwa 5 % für die Entwicklung neuartiger Geschäftsmodelle, wie beispielsweise Taxi- und Carsharing-Flotten, benötigt. Die wichtigsten Ziele zur Erreichung der Marktdurchdringung der Wasserstofftechnologie sieht die Studie dabei in den folgenden Punkten:
- Kostenreduktion durch Aufbau von Massenfertigungskapazitäten für alle Wasserstoffsektoren,
- verringerte Stromkosten für die Wasserstoffherstellung über Elektrolyse durch Kapazitätsausbau an erneuerbaren Energiequellen,
- Schaffung politischer Rahmenbedingungen für großflächige Einführung der Technologie durch lokale, nationale und internationale Initiativen sowie
- Erstellung nationaler Umsetzungspläne nach dem Vorbild Japans.
In einigen Ländern existieren diese Umsetzungspläne bereits, und die derzeit ambitioniertesten Pläne existieren in Asien. Nach dem Plan Japans, der in der Studie als Beispiel aufgeführt wird, sollen die Wasserstoffpreise als Kraftstoff bis 2020 und der Kaufpreis von brennstoffzellenbetriebenen Elektrofahrzeugen (FCEV, Fuel Cell Electric Vehicles) bis 2025 wettbewerbsfähig zu Hybridfahrzeugen sein [3]. Durch diese Maßnahmen und den Aufbau von 160 Wasserstofftankstellen bis 2020 sowie 320 bis 2025 soll es gelingen, FCEV flächendeckend in den japanischen Markt einzuführen. Als Ziel werden hier 40 000 Fahrzeuge bis 2020, 200 000 bis 2025 und 800 000 bis 2030 angegeben. Zudem sollen 100 Wasserstoffbusse bis 2020 in den japanischen Städten installiert werden. Zu diesen Zielsetzungen im Transportsektor kommen die ehrgeizigen Ziele Japans, die Hausenergieversorgung auf Brennstoffzellensysteme umzustellen. Hierzu sollen bis 2020 rund 1,4 Millionen und bis 2030 etwa 5,3 Millionen Geräte installiert werden.
Ein weiterer starker Antrieb für die Kommerzialisierung von Brennstoffzellen im Transportsektor kommt aus China. Hier sehen die Pläne für die landesweite FCEV-Flotte 5 000 Fahrzeuge bis 2020, 50 000 bis 2025 und 1 Mio. bis 2030 vor [4]. Die Umsetzung dieser Pläne wird durch ein massives Investitionsprogramm der chinesischen Regierung unterstützt. Dieses ermöglicht unter anderem Zuschüsse für FCEV von 31 000 US-$, für Transporter von 46 000 US-$ und für Busse und Lkw von 77 000 US-$. Auch der Bau von Wasserstofftankstellen wird mit einem Zuschuss von 600 000 US-$ unterstützt.
In 2017 wurde die Technologiereife der verschiedenen Wasserstofftechnologien weiter demonstriert, und die kommerzielle Anwendung, vor allem in Asien und zunehmend auch in Europa, nimmt immer mehr Fahrt auf. Die wesentlichen Neuerungen des vergangenen Jahres können zu deren Vorstellung nach den verschiedenen Anwendungen unterteilt werden.
Stationäre Brennstoffzellensysteme
Das in Deutschland im Jahr 2016 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) initiierte Technologieeinführungsprogramm (TEP) für stationäre Brennstoffzellen zur Hausenergieversorgung wurde in der letztjährigen Jahresübersicht zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzelle detailliert zusammengefasst [1]. Dieses Programm ermöglicht eine Bezuschussung von bis zu 40 % der förderfähigen Kosten von kleinen Brennstoffzellensystemen mit Kraft-Wärme-Kopplung (Mikro-KWK-Anlagen) für Ein- und Mehrfamilienhäuser im Leistungsbereich zwischen 250 W und 5 kW. Nach einer Erweiterung im Juli 2017 können nun nicht nur private Endverbraucher von der Förderung profitieren, sondern auch kleine und mittelständige Unternehmen (KMU), Dienstleister und Kommunen können Anträge für Nichtwohngebäude stellen [5]. Somit ist jetzt auch die Förderung von Anlagen mit gewerblicher Nutzung möglich. Insgesamt scheint das TEP bisher gut vom Markt angenommen zu werden. Laut Andreas Lücke, dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) und dem Sprecher der Initiative Brennstoffzelle (IBZ), zeigen die installierten Stückzahlen in der ersten Förderperiode, in der mit über 1 500 Mikro-KWK-Anlagen die für 2017 geplanten Absatzzahlen erreicht wurden, den bisherigen Erfolg des TEP [6].
Eine der ersten Erfolgsgeschichten des TEP zeigt sich in dem Neubaugebiet „Langweid Village“ in Langweid am Lech sowie einem weiteren Neubaugebiet in Mering, beide bei Augsburg in Bayern [7]. In diesen Projekten werden insgesamt 105 Mikro-KWK-Anlagen vom Typ Vitovalor 300-P von Viessmann installiert, die die NT-PEMFC-Technologie (Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzelle) nutzen. Die Anlagen liefern jeweils eine elektrische Leistung von 0,75 kW sowie eine thermische Leistung von 1 kW. Die beiden Vorhaben wurden von dem regionalen Energieversorger „erdgas schwaben“, dem Bauunternehmen Michael Dumberger und Viessmann gemeinsam umgesetzt. Der erste Spatenstich in Langweid erfolgte im Juli 2017, wo 62 Doppelhaushälften und Reihenhäuser auf diese Weise mit Energie versorgt werden. Damit ist „Langweid Village“ das erste Neubaugebiet Deutschlands, das vollständig mit Brennstoffzellen ausgestattet wird [8]. In einem vergleichbaren Projekt in Mering folgt dann die Energieversorgung weiterer 43 Wohneinheiten mit stationären Brennstoffzellensystemen.
Jedoch kam es auch zu Konsolidierungen auf dem Markt der Anbieter solcher Mikro-KWK-Anlagen. Zunächst gab Vaillant im März 2017 bekannt, dass der Heizgerätehersteller seine Entwicklungskapazitäten im Bereich Brennstoffzellen reduzieren und die Markteinführung des Brennstoffzellenheizgerätes für Einfamilienhäuser bis auf weiteres aussetzt [9]. Somit steht die XellPower-Anlage mit einer elektrischen Leistung von 0,7 kW derzeit nicht für die Fördermöglichkeiten im Rahmen des TEP zur Verfügung. Zudem wurde im Januar 2018 bekannt, dass der Betrieb der Gesellschaften Elcore GmbH, elcomax GmbH und Efficiencity GmbH eingestellt und über die Vermögenswerte der Unternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde [10]. Gleichzeitig wurde aber auch bekannt, dass die Unternehmensgruppe Freudenberg & Co. KG einzelne Vermögenswerte übernommen hat. Durch diese Übernahme soll die auf dem Markt verfügbare Mikro-KWK-Anlage Elcore 2400 mit einer elektrischen Leistung von 0,3 kW weiterhin unter dem gleichen Namen produziert und vertrieben werden. Zudem sollen 50 % der Belegschaft der Gesellschaften weiterbeschäftigt werden.
Wasserstoffinfrastruktur
Das Forschungszentrum Jülich veröffentlichte zusammen mit der RWTH Aachen zu Beginn des Jahres 2018 eine Studie, in der der Aufbau der Infrastrukturen in Deutschland für die Wasserstoffbetankung sowie für die elektrische Batterieaufladung in Fahrzeugen verglichen wird [11]. Dabei werden sowohl die zugrunde liegenden Investitions- und Betriebskosten, die Effizienzen der jeweiligen Technologien als auch die damit verbundenen Emissionen betrachtet. Entsprechend der durchgeführten Analyse sind die Kosten für den Aufbau der Infrastruktur bei geringer Marktdurchdringung mit wenigen hunderttausend Fahrzeugen für beide Fälle vergleichbar. Jedoch ist der Wasserstoff als Kraftstoff in dieser Phase des Übergangs hin zur Wasserstofferzeugung und -speicherung unter Nutzung regenerativer Energiequellen noch deutlich teurer, verglichen zu den Strompreisen beim Aufladen batterieelektrischer Fahrzeuge. Jedoch zeigt die Studie deutlich, dass bei zunehmendem Marktanteil der Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur die günstigere Lösung darstellt. Hierbei wurden die kumulierten Investitionskosten zum Aufbau der benötigten Infrastruktur für bis zu 20 Millionen Elektrofahrzeuge bestimmt. Laut dem Basisszenario entstehen hierfür für batterieelektrische Fahrzeuge (BEV, Battery Electric Vehicles) Kosten von etwa 51 Mrd. €, während für eine Wasserstoffinfrastruktur für FCEV lediglich 40 Mrd. € benötigt werden (Bild 2).
Die Betriebskosten der Fahrzeuge pro Kilometer sind bei hoher Marktdurchdringung mit 4,5 Ct/km für BEV und 4,6 Ct/km für FCEV etwa gleich, da die geringere Effizienz, die mit der Wasserstoffspeicherung verbunden ist, durch die geringeren Energiekosten aufgrund der besseren Ausnutzung erneuerbaren Energiequellen kompensiert werden. Betrachtet man die Infrastrukturen für 20 Millionen Elektrofahrzeuge werden für die Wasserstoffversorgung etwa 87 TWh Überschussenergie für die Elektrolyse sowie 6 TWh aus dem Stromnetz für Verteilung und Transport des Wasserstoffs benötigt. Hingegen werden bei der Verwendung von 20 Millionen BEV etwa 46 TWh direkt aus dem Stromnetz benötigt. Die Studie hat anhand der Effizienzen der beiden Technologien sowie der Zusammensetzung des Energiemixes im Stromnetz auch die entsprechenden CO2-Bilanzen der beiden Varianten bestimmt. Wegen des gesteigerten Anteils der Nutzung von erneuerbaren Energien zeigen hierbei FCEV mit 2,7 g/kg deutlich geringere CO2-Emissionen als BEV mit 20,9 g/km, wobei letzterer Wert durch eine geeignete Ladungsstrategie von Batteriefahrzeugen wohl noch deutlich verringert werden kann.
Zusammenfassend kommt die Studie zu dem Schluss, dass ein komplementärer Aufbau beider Infrastrukturen realisiert werden sollte, um die Stärken beider Technologien nutzen zu können und so den elektrifizierten Transport je nach Anforderung bestmöglich gewährleisten zu können. So kann der Kurzstreckenverkehr effizient über BEV mit nächtlicher Aufladung umgesetzt werden, während der Langstrecken- und Schwerlastverkehr besser mit FCEV bewältigt werden kann.
Die in der Studie bewertete Infrastruktur an Wasserstofftankstellen ist dabei auch im vergangenen Jahr deutlich gewachsen. Zu diesem Wachstum veröffentlichte die TÜV Süd AG im Februar 2018 die Ergebnisse der 10. Jahresauswertung von www.h2stations.org [12]. Die Aufarbeitung der Daten auf dieser Website, die von der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH (LBST) und der TÜV Süd AG betrieben wird, stellt detailliert die Entwicklung der Wasserstoffinfrastruktur für die Betankung von Brennstoffzellenfahrzeugen im Jahre 2017 dar. In 2017 wurden weltweit 64 neue Tankstellen eröffnet. Im Vergleich zu den 94 neuen Tankstellen in 2016 ist somit ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Dieser wird vor allem durch Japan verursacht, wo im Vergleich zu den 45 neuen Tankstellen in 2016 mit lediglich elf Neueröffnungen in 2017 der Zuwachs deutlich geringer ausfiel. Im Gegensatz dazu nahm die Anzahl der Neueröffnungen mit 24 Tankstellen in Deutschland im Vergleich zu sechs Tankstellen in 2016 deutlich zu, und so war im vergangenen Jahr in Deutschland weltweit der stärkste Zuwachs an Tankstellen zu verzeichnen. Von den insgesamt 56 deutschen Tankstellen sind nun 43 öffentlich zugänglich, womit sich deren Anzahl alleine im vergangenen Jahr verdoppelt hat. Für weitere 31 Tankstellen hat bereits die Planungsphase begonnen, sodass die beabsichtigte Zahl von 100 öffentlich zugänglichen Tankstellen bis 2019 realistisch erscheint. Durch den starken Zuwachs besitzt Deutschland nun hinter Japan mit etwa 90 Tankstellen und vor den USA mit 40 Tankstellen die zweitgrößte Wasserstoffbetankungsinfrastruktur (Bild 3, links).
Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass in den USA lediglich fünf Tankstellen in Kalifornien neu eröffnet wurden. Weltweit sind derzeit 328 Wasserstofftankstellen verfügbar, von denen 227 öffentlich zugänglich sind und weitere 24 nach vorheriger Anmeldung genutzt werden können (Bild 3, rechts).
Innerhalb von Deutschland befinden sich die meisten Wasserstofftankstellen in Baden-Württemberg (13), Bayern (8) und Nordrhein-Westfalen (7). Aufgrund des starken Zuwachses können im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahresübersichten in diesem Jahr nicht alle neu eröffneten Tankstellen aufgeführt werden. Es sollen lediglich zwei sehr interessante Beispiele aufgezeigt werden.
Generell geht der Trend beim Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur im Transportsektor weg vom Aufbau reiner Wasserstofftankstellen und hin zum Aufbau von Multi-Energie-Tankstellen, die den Zugang zu einer Vielzahl an Treibstoffen ermöglichen. Hierzu werden entweder Wasserstoffzapfsäulen und Elektroladestationen in konventionelle Tankstellen integriert oder dieses Konzept schon beim Neubau von Tankstellen berücksichtigt. Letzteren Weg ging die Multi-Energie-Tankstelle in Rostock, deren Aufbau schon in der letzten Jahresübersicht zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzelle erwähnt wurde [1]. Am 19. Mai 2017 wurde nun die damit erste öffentliche Wasserstofftankstelle Mecklenburg-Vorpommerns und einer der ersten Standorte der H2 Mobility an der Tessinger Straße in Rostock eröffnet [13]. Diese wird von der Total Deutschland GmbH betrieben und soll in Zukunft um eine Batterieladestation, um einen Batterie-Pufferspeicher und um einen direkten Zugang zum Windpark in Dummerstorf erweitert werden.
Eine weitere Multi-Energie-Tankstelle wurde in Karlsruhe am 6. September 2017 eröffnet [14]. Neben der Tatsache, dass diese Tankstelle den Zugang zu verschiedenen konventionellen und neuartigen Treibstoffen bietet, ist aus Sicht der Wasserstoffversorgung vor allem die Ausrüstung der Tankstelle mit einem Hochtemperaturelektrolyseur von Interesse, der zudem ausschließlich mit Solarstrom betrieben wird [15]. Zu diesem Zweck hat das Dresdner Unternehmen Sunfire erstmals ein Dampf-Elektrolyse-Modul vom Typ Sunfire-HyLink für die direkte Wasserstofferzeugung an einer Tankstelle ausgeliefert [16]. Dieses Modul besteht im Kern aus einem Festoxidelektrolyseur (SOEC, Solid Oxide Electrolysis Cell) und produziert etwa 2,5 m3 (i. N)/h Wasserstoff mit einer Reinheit von mehr als 99,97 %. Die Tankstelle wird ebenfalls von der Total Deutschland GmbH betrieben und wurde im Rahmen des NIP (Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff und Brennstoffzelle) im Förderprojekt „Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung“ zusammen mit der Daimler AG als Investor aufgebaut. Das Projekt wird wissenschaftlich durch das Europäische Institut für Energieforschung (Eifer) begleitet, um die SOEC auf Systemebene in direkter Industrieumgebung unter wechselnden elektrischen Lasten, die die Versorgung mit Solarstrom mit sich bringt, zu untersuchen.
Automobile Anwendungen
Bei der Bewertung von elektrischen Antrieben in Pkw werden häufig lediglich die CO2-Emissionen für die Bereitstellung der Energie in Form von Strom beziehungsweise Wasserstoff herangezogen. Die gesamten CO2-Emissionen während der Lebensdauer eines Fahrzeugs beruhen aber zusätzlich zu diesen direkten Emissionen im Fahrbetrieb auch auf den Emissionen bei der Herstellung der Fahrzeuge. Wie die Studie „Hydrogen scaling up“ aufzeigt [2], sind die entstehenden Gesamtemissionen stark vom zugrunde liegenden Energiemix abhängig. Aber generell emittieren FCEV und BEV schon heute weniger CO2 als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (ICE, Internal-Combustion Engine), wenn man eine durchschnittliche Fahrzeuglaufleistung von 120 000 km zugrunde legt (Bild 4).
Auf dem Gebiet der automobilen Anwendung von Brennstoffzellen hat in 2017 zunächst eine Äußerung des Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, Dr. Dieter Zetsche, für große Aufmerksamkeit und Verunsicherung in der Brennstoffzellenbranche gesorgt [17]. Während des „Auto-Motor-und-Sport-Kongresses“ am 27. März 2017 in Stuttgart berichtete er über die weitere Entwicklung im Bereich Elektromobilität und Brennstoffzelle und über die Strategie der Daimler AG. Im Rahmen dieser Veranstaltung gab Zetsche an: „In den nächsten zehn Jahren wird unser Schwerpunkt auf batterieelektrischen Antrieben liegen.“ Diese Aussage wurde von vielen Pressevertretern als eine Abkehr von der Brennstoffzellentechnologie für den Automobilsektor bewertet, die die Daimler AG in den letzten Jahrzehnten maßgeblich mit vorangetrieben hat. Die Interpretation des Vortrags von Zetsche und die darauf folgenden Schlagzeilen fielen recht deutlich aus. So formulierte die WirtschaftsWoche ihren Bericht in Form eines Nachrufs mit dem Titel „Der Tod der Brennstoffzelle“ und fügte noch gleich eine Todesanzeige hinzu [18]. T-Online vermeldete „Brennstoffzelle am Ende – Daimler verabschiedet sich vom Wasserstoff“ [19] und die Automobil-Produktion titelte „Daimler-Chef Zetsche: Brennstoffzelle hat wenig Vorteile“ [20].
Nach diesem sehr deutlichen Presseecho war die Verunsicherung in der Brennstoffzellenbranche zunächst groß, aber sowohl die Pressestelle von Daimler als auch Zetsche selbst stellten mittlerweile klar, dass die getätigte Aussage nicht bedeutet, dass Daimler die Brennstoffzellenentwicklung aufgibt. Auf Nachfrage der HZwei stellte die Pressstelle im Juni 2017 klar [21]: „An der bisherigen Ausrichtung hat sich nichts geändert. […] Wir brauchen den Wasserstoff. […] Daimler sieht eine Zukunft in der Brennstoffzelle“, und Zetsche ergänzte am Rande der Detroiter Automesse im Januar 2018 [22]: „Ich bin optimistisch, dass der Antrieb einmal für alle bezahlbar in unseren Autos zu finden sein wird. […] Die Brennstoffzelle kommt zwar später als angekündigt, aber sie kommt.“
Passend zu dieser Versicherung, dass sich Daimler weiter in der Brennstoffzellentechnik engagiert, wurde im vergangenen Jahr das langersehnte neue FCEV von Daimler vorgestellt (Bild 5, links).
Die Weltpremiere feierte der neue GLC auf der IAA vom 14. bis 24. September 2017 in Frankfurt am Main. Zunächst wird das neue Vorserienfahrzeug allerdings nicht zum Kauf angeboten, sondern soll ab dem vierten Quartal 2018 in Deutschland und Japan als Leasingfahrzeug verfügbar sein, wofür die genauen Vertragsmodalitäten jedoch noch nicht bekannt sind [23]. Mit einer Motorenleistung von 147 kW beziehungsweise 200 PS und einem maximalen Drehmoment von 350 Nm erreicht der GLC Geschwindigkeiten bis 160 km/h. Mithilfe der integrierten PEM-Brennstoffzelle und den 4,4 kg gespeicherten Wasserstoff in den 700-bar-Tanks ist eine Reichweite von 437 km möglich, die noch um 49 km durch die verbaute Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 13,8 kWh erhöht wird. Letztere kann innerhalb von 1,5 Stunden an einer handelsüblichen Steckdose aufgeladen werden und so gegebenenfalls den Weg bis zur nächsten Wasserstofftankstelle überbrücken. Auf Testständen hat der neue GLC bereits seine Haltbarkeit mir 300 000 km Laufleistung sowie seine Alltagstauglichkeit unter Extrembedingungen von – 40 bis + 85 °C und starken Fahrzeugneigungen nachgewiesen [24].
Weiteren Zuwachs in der Familie der FCEV gab es in diesem Jahr aus dem Hause Hyundai (Bild 5, rechts). Mit dem ix35 Fuel Cell hatte Hyundai schon 2013 das erste, in Kleinserie gefertigte FCEV auf den Markt gebracht, das bis heute zu den weltweit meistverkauften FCEV zählt und vor allem in Europa den Markt dominiert [25]. Nun wurde sein Nachfolger vorgestellt: der Hyundai Nexo, dessen Fahrzeugdaten im Vergleich zum Vorgängermodell in der Tabelle zusammengefasst sind [26].
Nexo | ix35 Fuel Cell | ||
Hybridsystem | Gesamtleistung | 135 kW | 124 kW |
Brennstoffzelle | Stack | 440 Zellen | 434 Zellen |
Stackspannung | 255 bis 450 V | 250 bis 450 V | |
Stackleistung | 95 kW | 100 kW | |
Elektromotor | Leistung | 120 kW | 100 kW |
Drehmoment | 395 Nm | 300 Nm | |
Batterie | Leistung | 40 kW | 24 kW |
Spannung | 240 V | 180 V | |
Kapazität | 1,56 kWh | 0,95 kWh | |
Tank | Kapazität | 6,33 kg 156,6 l | 5,64 kg 144,0 l |
Geschwindigkeit | Maximal | 170 km/h | 160 km/h |
Beschleunigung | 0 bis 100 km/h | 9,7 s | 12,5 s |
Reichweite | NEDC | 754 km | 594 km |
Tabelle Leistungsdaten-Vergleich der Brennstoffzellenfahrzeuge Nexo und ix35 Fuel Cell von Hyundai.
Dabei handelt es sich um einen eigens entwickelten 5-sitzigen SUV und nicht mehr um ein Serienfahrzeug von Hyundai wie den ix35, der mit Brennstoffzellen ausgerüstet wurde. Es ist deutlich zu erkennen, dass der Nexo nun deutlich bessere Beschleunigungswerte besitzt und zudem mit 754 km die bislang größte Reichweite aller FCEV auf dem Markt aufweist, womit er den Honda Clarity Fuel Cell ablöst. Diese Reichweite wird über drei Wasserstofftanks erreicht, die jeweils 52,2 l Wasserstoff aufnehmen können. Im Unterschied zu den meisten anderen FCEV besitzen alle drei Tanks die gleichen Abmessungen, was die Fertigungs- und Zulieferungskosten deutlich verringert. Das gesamte Brennstoffzellenstack ist nun um 10 % effizienter und 20 % leichter als das Vorgängermodell im ix35 Fuel Cell, wodurch die Energiedichte um 30 % erhöht werden konnte [27]. Die Weltpremiere feierte der neue Nexo auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas am 9. Januar 2018, und der Verkaufsstart ist für Korea im Juli 2018 und in Deutschland für August 2018 geplant [28]. Zunächst sollen in einer Fabrik in Chungju, Südkorea, 3 600 Nexo gefertigt werden, die zu einem Preis von 54 000 € in den Handel kommen. Dieser Kaufpreis sinkt in Südkorea aufgrund nationaler Fördermaßnahmen noch einmal deutlich auf lediglich 29 000 € [29].
Generell ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass sowohl der Einstieg in die Elektromobilität als auch der Einstieg in die Wasserstoffmobilität weniger durch Privatnutzer umgesetzt wird, sondern vielmehr durch Betreiber von Fahrzeugflotten erfolgt [30]. Dies macht sich durch die Etablierung von alternativen Mobilitätskonzepten bemerkbar. Zusätzlich zu den schon im letzten Jahr erwähnten Konzepten des Wasserstofftaxi-Projekts „Hype“ in Paris und dem Wasserstoff-Carsharing-Unternehmen BeeZero in München gibt es seit 2017 nun weitere Unternehmen, die FCEV einsetzen [1].
Das Berliner Start-up-Unternehmen CleverShuttle, an dem sowohl die Deutsche Bahn als auch Daimler beteiligt sind, bieten Wasserstoff-Sammeltaxis nach dem Ride-Sharing-Prinzip an [31]. Hierbei wird über eine Smartphone-App eine Taxifahrt gebucht und gegebenenfalls mit Fahrten weiterer Kunden kombiniert, sodass gleich mehrere Fahrgäste gemeinsam transportiert werden können. CleverShuttle bietet dieses Konzept auch in anderen Städten mit verschiedenen Elektrofahrzeugtypen an und verspricht Fahrpreise, die um 40 % günstiger ausfallen als bei vergleichbaren Fahrten mit konventionellen Taxen, unabhängig davon, ob weitere Fahrgäste zusteigen oder nicht. Seit September 2017 werden in Hamburg 20 und seit Oktober 2017 in München 15 Toyota Mirai eingesetzt, um Ladezeiten zu minimieren und die Auslastung der einzelnen Fahrzeuge zu verbessern [32]. Das Projekt wird von der NOW GmbH sowie der Stadt Hamburg finanziell unterstützt.
Zudem erweitert die BMW-Leasingtochter Alphabet Deutschland, die sich auf Mobilitätslösungen für Unternehmen spezialisiert hat, seit Dezember 2017 ihr Fahrzeugangebot um FCEV [33]. Zu diesem Zweck werden innerhalb von drei Jahren 30 Toyota Mirai in den Fuhrpark aufgenommen, die von Alphabet-Großkunden genutzt werden sollen, insbesondere als Dienst- und Poolfahrzeuge. Der Aufbau dieser FCEV-Flotte wird im Rahmen des NIP II von der NOW GmbH gefördert.
Auch in Frankfurt kann seit dem September 2017 auf ein FCEV beim Car-Sharing zurückgegriffen werden [34]. Hier hat das Unternehmen book-and-drive einen Toyota Mirai von der Brennstoffzellen-Initiative Hessen (H2BZ) übernommen, um dessen Alltagstauglichkeit und einfache Handhabung zu demonstrieren sowie erste Berührungsängste mit der neuen Technologie abzubauen. Die Buchung des Mirai kostet mit 4 €/h dabei nicht mehr als bei konventionellen Fahrzeugen.
Gütertransport
Wie man der bereits erwähnten Studie „Hydrogen scaling up“ entnehmen kann, ist der Lastentransport in Lkw weltweit für etwa ein Viertel der CO2-Emissionen im Transportsektor verantwortlich, und dieser Anteil wird voraussichtlich bis 2050 auf 35 bis 40 % zunehmen [2]. Zudem ist der Energiebedarf dieser Fahrzeuge deutlich höher, und lange Standzeiten beim Aufladen von Batterien sind weder zeit- noch kosteneffizient. Daher besitzt die Elektrifizierung von Lkw mit Brennstoffzellen ein hohes Potenzial zur deutlichen Reduktion der CO2-Emissionen. Schon die Umrüstung von 350 000 Lkw, was laut der aufgeführten Studie durchaus realistisch erscheint, besitzt das gleiche Einsparungspotenzial wie die Einführung von 2,5 Millionen FCEV. Im vergangenen Jahr wurden gleich mehrere Prototypen vorgestellt, die den Weg ebnen können, um dieses Potenzial im Lastenverkehr umzusetzen.
In der Schweiz werden derzeit Anstrengungen unternommen, die erste wasserstoffbetriebene Lkw-Flotte in Betrieb zu nehmen [35]. Dazu hat die Schweizer Entwicklungsfirma Esoro mehrere Tausend Testkilometer mit einem ersten Prototypen zurückgelegt und im Juni 2017 die Straßenzulassung erhalten [36]. Der entwickelte Kühl-Lkw, dessen Antrieb und Kühlaggregat von einem Brennstoffzellenhybridsystem versorgt werden, wird zukünftig vom Handelskonzern Coop-Logistik betrieben, um mehrere Coop-Filialen mit Waren zu versorgen, und ist derzeit im Züricher Raum unterwegs. Er beruht auf einem MAN-Lkw, der sowohl mit zwei Lithium-Ionen-Batterien von Calb mit jeweils 60 kWh als auch einem 100-kW-S3-Stack von PowerCell basierend auf der PEMFC-Technologie ausgestattet wurde. Die hierzu notwendige Systemintegration wurde von Swiss Hydrogen und die Fahrzeugintegration von Esoro realisiert. Die Wasserstoffspeicherung erfolgt in sieben Tanks bei 350 bar direkt hinter der Fahrerkabine, wodurch bis zu 35 kg Wasserstoff innerhalb von neun Minuten mit einer Tankfüllung aufgenommen und eine Reichweite von etwa 400 km erreicht werden kann. Zugelassen ist der Lkw für ein Gewicht bis zu 19 t und den Betrieb mit einem zusätzlichen Anhänger mit einem Maximalgewicht von 16 t. Damit stellt dieses Fahrzeug den ersten zugelassenen, wasserstoffbetriebenen Lkw in der 35-t-Gewichtsklasse dar (Bild 6, links).
Auch Toyota arbeitet aktuell an einer Lösung für diese Gewichtsklasse. Im April 2017 startete das Unternehmen in den USA das Demonstrationsprojekt „Project Portal“, in dem ein 36-Tonner mit einem Brennstoffzellensystem ausgerüstet wird und den Betrieb im Hafen von Los Angeles aufnehmen soll [37]. Eingesetzt werden zwei PEMFC-Stacks, wie sie im Toyota Mirai verwendet werden, sowie eine Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 12 kWh. Damit sollen eine Gesamtleistung von 670 PS und ein Drehmoment von 1 800 Nm erreicht werden. Die Wasserstoffspeicherung erfolgt in Tanks von der norwegischen Firma Hexagon, wodurch eine Reichweite von etwa 320 km umgesetzt werden soll (Bild 6, Mitte).
Die US-Firma Nikola Motor Company (NMC) hat zudem im Dezember 2016 eine futuristisch anmutende Konzeptstudie eines elektrischen Sattelschleppers in Salt Lake City vorgestellt, der sowohl mit einer großen Lithium-Ionen-Batterie als auch einem Brennstoffzellensystem ausgerüstet ist. So soll eine Gesamtleistung von 735 kW und ein Drehmoment von 2 700 Nm erreicht werden [38]. Die Batterie ist auf eine Kapazität von 320 kWh und das Brennstoffzellensystem auf eine Leistung von 300 kW ausgelegt. Die Betankung dieses Nikola One soll lediglich 15 Minuten dauern und die Produktion 2020 beginnen (Bild 6, rechts). Weitere Information gab NMC im September 2017 bekannt [39]. So erfolgt der Antrieb über sechs Elektromotoren, einer pro Antriebsrad, die von Bosch mitentwickelt werden. Die Reichweite soll bis zu 1 600 km betragen und eine Geschwindigkeit von 100 km/h bereits nach 30 Sekunden erreicht sein. Die Rekuperationsbremse soll diese enorme Reichweite mit ermöglichen und zudem den Bremsweg deutlich verringern. Als Kaufpreis gibt NMC eine Summe von 375 000 US-$ an und verspricht dabei den ersten 5 000 Käufern, dass sie den Wasserstoff für 1,6 Mio. km gratis zur Verfügung gestellt bekommen. Die Auslieferung dieser ersten 5 000 Einheiten ist bis 2021 geplant. Um die nötige Infrastruktur für den Nikola One aufzubauen, gab NMC zudem bekannt, ab 2018 etwa 300 Wasserstofftankstellen sowie 50 Elektrolyseeinheiten gekoppelt an Solar-Anlagen in den USA und in Kanada aufbauen zu wollen. Im November 2017 wurde schließlich bekannt, dass die eingesetzten Brennstoffzellensysteme auf der PEMFC-Technologie beruhen und vom schwedischen Zulieferer PowerCell bereitgestellt werden sollen [40]. Inwiefern diese Fahrzeugdaten umgesetzt werden können, bleibt abzuwarten, da zumindest einige der Angaben sehr optimistisch erscheinen.
Zusätzlich zu diesen Schwerlasttransporten macht sich auch beim Transport von Gütern hin zum Endkunden ein Umdenken bemerkbar. Neue „Last Mile Delivery“-Konzepte mit Elektroantrieben entstehen und finden ihren Weg in den Markt. Dies ist auch dringend nötig, da vor allem durch den Online-Handel die Paketzustellungen stark zugenommen haben [41], was in Städten zunehmend Probleme durch die erhöhte Emission von Abgasen sowie durch das erhöhte Verkehrsaufkommen verursacht [42].
Wie eine solche Lösung mit batterieelektrischen Elektrofahrzeugen aussehen kann, zeigt bereits seit einigen Jahren die Deutsche Post. Die 2010 gegründete StreetScooter GmbH ist seit 2014 eine Tochtergesellschaft der Deutschen Post AG und fertigt den mittlerweile in deutschen Städten wohlbekannten, elektrisch angetriebenen StreetScooter für die Auslieferung von Paketen. Da dieser kleine Transporter mit einer Zuladung von bis zu einer Tonne und einem Ladevolumen von 8 m3 im realen Postbetrieb mit der verbauten 30-kWh-Lithium-Ionen-Batterie jedoch nur eine Reichweite von 80 km aufweist, verkündete StreetScooter im Oktober 2017, nun auch den Einsatz von Brennstoffzellen zu testen, um diese Reichweite auf bis zu 500 km zu erhöhen [43]. Die Entwicklung dieses neuen Modells, basierend auf dem StreetScooter Work L, erfolgt in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen und soll zunächst 500 Fahrzeuge umfassen, die schon ab Mitte 2018 ihrer Alltagstauglichkeit im Postbetrieb unter Beweis stellen sollen (Bild 7, links).
Eine Alternative für die Paketzustellung in Städten stellen Lastenfahrräder dar, die man ebenfalls immer häufiger in Städten beobachten kann. Bereits 2014 kam die Studie „Cyclelogistics – Moving Europe forward“ zu dem Schluss, dass elektrisch angetriebene Lastenfahrräder, sogenannte E-Pedelecs, für bis zu 51 % aller Gütertransporte in Städten genutzt werden könnten [44]. Jedoch erfüllen diese E-Pedelecs derzeit noch nicht die Anforderungen der Logistikindustrie bezüglich Reichweite und Lebensdauer, ein Problem das im Winterbetrieb bei Minusgraden noch einmal deutlich verstärkt wird. Die 2016 vom Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) veröffentlichte Studie „Untersuchung des Einsatzes von Fahrrädern im Wirtschaftsverkehr“ hat die eingesetzten Batterien dabei als Kern des Problems identifiziert [45]. Konsequenterweise hat sich das DLR nun diesem Problem zugewandt und entwickelt in Kooperation der beiden Institute für Technische Thermodynamik und für Fahrzeugkonzepte ein Brennstoffzellensystem, das speziell für diese Anwendung konzipiert ist [46]. Der „Fuel Cell Range Extender (FCREX)“ ist dabei auf eine Dauerleistung von 300 bis 500 W ausgelegt und ist somit auch in der Lage, hohe Reichweite von schweren E-Pedelecs bei allen klimatischen Bedingungen zu gewährleisten (Bild 7, Mitte). Dieser ist als Zusatzmodul konzipiert, um zu ermöglichen, dass er in unterschiedlichste E-Pedelecs integriert werden kann. Verschiedene Systemkomponenten, inklusive des PEMFC-Stacks und der hydridbasierten Thermostatisierung, wurden eigens für dieses Projekt entwickelt. Nach der geplanten Fertigstellung eines ersten Prototyps Mitte 2018 soll das FCREX-Modul sowie ein passendes Logistikkonzept innerhalb von drei Jahren im Betrieb validiert werden (Bild 7, rechts). Zu diesem Zweck wird das DLR im Rahmen der EU-Förderprogramms „Interreg North-West-Europe“ das Projekt „FCCP – Fuel Cell Cargo Pedelecs“ koordinieren. In FCCP arbeiten die technischen Entwickler (DLR, CSI Entwicklungstechnik GmbH, Unicorn Engineering GmbH, Mubea E-Mobility Center GmbH) zusammen mit Städten und Kommunen (Stuttgart, Den Haag, Versailles, Groningen, Aberdeen), Verkehrsforschern (DLR, IFSTTAR, Universität Brüssel, Agitoo) und Anwendern der neuen Technologie (DPD, Deutsche Post, Zalando), um die FCREX-Technologie in ein ganzheitliches Logistikkonzept einzubinden und für die Markteinführung vorzubereiten.
Ein weiterer Aspekt des Gütertransports stellen Fördertechniken von Gütern innerhalb von Fabriken mithilfe von Gabelstaplern dar. Wie bereits in vorangehenden Berichten erwähnt, fällt hier die Total-Cost-of-Ownerschip (TCO)-Analyse von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen zum Materialtransport deutlich besser aus, als dies bei batteriebetriebenen Staplern der Fall ist. In den USA hat diese Technologie mit 16 500 Geräten im November 2017 bereits den Markt erreicht, während sie in Europa noch eher eine Nischenanwendung darstellt [47]. Um dies zu ändern, wurde von der NOW ein neues Intralogistik-Netzwerk initiiert. Das CIN (Clean Intralogistics Net) ist ein Zusammenschluss von elf Unternehmen mit dem Ziel, Fördertechniken und die Infrastruktur in der Industrie und an Flughäfen emissionsärmer und auch wirtschaftlicher zu gestalten, indem Wasserstoff als Energieträger genutzt wird [48]. Zum CIP gehören Air Liquide, BMW, Bosch Engineering, Daimler, ElringKlinger, Fronius Deutschland, Heraeus Fuel Cells, Jungheinrich, Linde Material Handling, Linde Gases Devision und Still, und die erste Vollversammlung fand am 30. Mai 2017 in Berlin statt.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der im letzten Jahr ausführlich vorgestellte Brennstoffzellenzug Coradia iLint von Alstom (Bild 8, links), ausgestattet mit einem 200-kW-PEMFC-System von Hydrogenics, ist mittlerweile der erste wasserstoffbetriebene Niederflurtriebwagen der im europäischen, öffentlichen Bahnnetz unterwegs war [49].
Dies geschah im Rahmen eines intensiven Testprogrammes zwischen September und Oktober 2017, um die Zulassungstests für die neuartigen elektrischen Bremsen abzuschließen. Diese Tests wurden von der DB Systemtechnik im Großraum Hannover durchgeführt und bestanden aus täglichen Testfahrten von bis zu 400 km inklusive Bremstests unter realen Fahrgastbedingungen durch eine Gewichtszuladung von 32 t. Vorangegangen waren statische Prüfungen und gutachterliche Bewertungen von Antriebsstrang und Wasserstoffspeicher. Nun müssen die durchgeführten Tests nur noch ausgewertet werden, um leicht verspätet die ersten beiden Prototypen ab Mitte 2018 auf der Strecke zwischen Buxtehude und Cuxhaven im öffentlichen Personennahverkehr in Betrieb zu nehmen. Die Wasserstoffversorgung und Wartung erfolgt im EVB-Depot Bremervörde zunächst über eine mobile Betankungsanlage mit angeliefertem „grauen“ Wasserstoff der Firma Linde, der aus der chemischen Industrie stammt. Im Laufe des zugehörigen NIP-Projekts ist jedoch innerhalb von zwei Jahren auch der Umstieg auf „grünen“ Wasserstoff aus Windkraft und Elektrolyse geplant [50]. Bis Mitte 2020 sollen dann alle 14 geplanten Fahrzeuge in Niedersachsen regulär auf den Schienen verkehren [51]. Weiterhin haben schon 2015 die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen entsprechende Absichtserklärungen unterzeichnet, und bis 2021 sollen insgesamt 60 Züge in den vier Bundesländern ihren Betrieb aufnehmen [52]. Im Oktober 2017 kam mit Brandenburg ein weiteres Bundesland hinzu, wodurch die Regionalbahn RB27, die sogenannte Heidekrautbahn, nun ebenfalls auf Wasserstoff umgerüstet werden soll [53].
Ein weiteres Projekt zur Integration von Brennstoffzellenantrieben in Zügen wurde im November 2017 von Ballard Power Systems bekannt gegeben [54]. Der kanadische Brennstoffzellenzulieferer hat mit Siemens einen Entwicklungsvertrag über 9 Mio. US-$ abgeschlossen, um einen Brennstoffzellenantrieb in den Mireo zu integrieren (Bild 8, Mitte). Dabei handelt es sich um einen neuen, elektrischen Triebwagen für den Schienenpersonennahverkehr aus dem Hause Siemens mit einer maximal Geschwindigkeit von 160 km/h. Zu diesem Zweck entwickelt Ballard ein 200-kW-PEMFC-System, und die ersten Auslieferungen des Zuges sind bis 2021 geplant. Dieser Entwicklungsauftrag ist Teil eines NIP-Projektes von Siemens, Ballard und der RWTH Aachen mit dem Ziel, ein modulares und skalierbares Hybridkonzept auf Brennstoffzellenbasis zu entwickeln, und wird mit etwa 12 Mio. € gefördert.
Eine Planänderung bei der Elektrifizierung einer 32 km langen, bisher nicht elektrifizierten Strecke in Österreich zwischen Jenbach und Mayrhofen im Zillertal zeigt zudem deutlich die Wirtschaftlichkeit von Nahverkehrszügen mit Brennstoffzellenantrieb auf [55]. Die erste Planung im Jahr 2015 sah vor, die Strecke konventionell über Oberleitungen zu elektrifizieren, wozu insgesamt 156 Mio. € investiert werden sollten. Im Februar 2018 wurden diese Pläne geändert, und der neue Plan setzt auf die Umrüstung auf Wasserstoffbetrieb. Neben dem landschaftlichen Aspekt durch die Vermeidung von Oberleitungen spielte bei dieser Entscheidung vor allem die Wirtschaftlichkeit eine Rolle. So soll die Wasserstofflösung H2Zillertal mit etwa 80 Mio. € gerade mal etwa die Hälfte der ursprünglichen Lösung kosten und bis 2022 umgesetzt werden. Diese beinhaltet den Wasserstoffzug auf Basis des 4090 EMU der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB), einer Möglichkeit zur Wasserstoffbetankung sowie der Wasserstoffherstellung, die über Strom aus einem nahen Wasserkraftwerk erfolgen soll (Bild 8, rechts).
In China wurden vom weltgrößten Schienenfahrzeughersteller CRRC Corporation Limited in diesem Jahr ebenfalls zwei neue Zugprojekte angekündigt. Im März 2017 wurde bekannt, dass ein Vertrag über die Konstruktion von acht wasserstoffbetriebenen Straßenbahnen für die chinesische Stadt Foshan unterzeichnet wurde [56]. Die Bahnen sollen bis zu 285 Passagiere fassen und eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h besitzen. Geplant ist deren Einsatz auf der 17,4 km langen Gaoming-Linie, die insgesamt 20 Haltestationen aufweist. Des Weiteren wurde im Oktober 2017 verkündet, dass mit dem FCveloCity ein Prototyp eines Niederflurtriebwagens entwickelt wird [57]. Der 336 Passagiere fassende Zug besteht aus drei Waggons und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h, was über den Einbau von PEMFC-Systemen der Firma Ballard Power Systems, einer leistungsfähigen Batterie sowie Kondensatoren erreicht wird. Die 15-minütige Betankung mit 12 kg Wasserstoff erfolgt an einem der beiden Endbahnhöfe der neuen 14 km langen Nahverkehrsstrecke in Tangshan. Durch die kurze Strecke reicht die relativ geringe Menge an Wasserstoff sowie die geringe Reichweite von bis zu 40 km aus, um den Linienverkehr zu ermöglichen.
Zusätzlich zu den bereits vorgestellten Transportanwendungen besitzen Wasserstoffbusse ein enormes Potenzial, um den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern. Die Studie „Hydrogen scaling up“ geht davon aus, dass schon ein einzelner Stadtbus im 16-Stunden-Betrieb jährlich 50 t CO2 emittiert, genauso viel wie 15 Mittelklassewagen [2]. Die in der Studie vorgeschlagene Roadmap zur Wasserstoffgesellschaft setzt dabei das Ziel, bis 2050 bis zu 30 % aller Busse auf Wasserstoff umzurüsten, wozu global jährlich etwa 20 000 Busse verkauft werden müssten. Betrachtet man die weltweit sehr ehrgeizigen Pläne für die Neuanschaffung von Brennstoffzellenbussen erscheint dies durchaus realistisch, wobei der Hauptantrieb für die zeitnahe Kommerzialisierung eindeutig in Asien liegt. So plant Südkorea die Umrüstung von 26 000 Erdgasbussen auf Wasserstofftechnik bis 2030, und alleine Shanghai beabsichtigt bis 2020 den Einsatz von 3 000 Brennstoffzellenbussen [2].
Auf dem Weg zur Erreichung dieser Ziele wurden in diesem Jahr einige Projekte angestoßen, die den Flottenaufbau an Brennstoffzellenbussen in den kommenden Jahren fördern werden. Im Februar 2018 wurde bekannt, dass China, ähnlich wie Japan bei die olympischen Sommerspielen 2020 in Tokyo, bei den olympischen Winterspielen 2022 in Peking plant, die Wasserstofftechnologien und insbesondere Brennstoffzellenbusse mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Zu diesem Zweck wurde nun ein Vertrag zur Anschaffung von 74 Brennstoffzellenbussen für die Stadt Zhangjiakou, in deren Umfeld die Skiwettbewerbe stattfinden, unterzeichnet, und diese sollen ihren Betrieb bereits Mitte des Jahres 2018 aufnehmen [58]. Die damit weltweit größte Flotte an Brennstoffzellenbussen setzt sich aus 49 Bussen des Typs Foton AUV der Firma Beiqi Foton Motor Co. sowie 25 Bussen der Zhengzhou Yutong Group Co. zusammen.
In Europa wird der Flottenaufbau derzeit im Wesentlichen durch das Projekt „Jive“ vorangetrieben, das im Januar 2017 startete [59]. Innerhalb von sechs Jahren sollen insgesamt 139 Brennstoffzellenbusse im europäischen Nahverkehr installiert werden, 56 in Großbritannien, 51 in Deutschland, zwölf in Italien, zehn in Dänemark und zehn in Lettland. Wie nun bekannt wurde, wurde dieses Projekt um einen zweiten, ebenfalls 6-jährigen Teil „Jive 2“ erweitert, der im Januar 2018 begann [60]. In dieser Erweiterung erfolgt die Einteilung der in Betrieb genommenen Busse nicht mehr nach Ländern, sondern nach Clustern. So entfallen 50 Busse auf den Benelux-, 15 Busse auf den Frankreich-, 37 Busse auf den Deutschland/Italien-, 32 Busse auf den Großbritannien- und 18 Busse auf den Nord/Osteuropa-Cluster. So werden insgesamt in den kommenden sechs Jahren 291 Brennstoffzellenbusse auf Europas Straßen in Betrieb genommen, 139 in Rahmen von Jive und weitere 152 in Jive 2. Zudem verfolgen die beiden Projekte weitere Ziele wie den Aufbau einer zuverlässigen und flottenfähigen Betankungsinfrastruktur im Rahmen des begleitenden Projektes Mehrlin und die Reduktion der Anschaffungskosten für einen Brennstoffzellenbus auf 625 000 € [61].
Maritime Anwendungen
Auch auf dem Wasser gibt es seit 2017 neue Fahrzeuge, die auf einen Brennstoffzellenantrieb setzen. Seit August 2017 ist auf dem Baldeneysee in Essen die MS Innogy (Bild 9, links oben) als Ausflugs- und Konferenzschiff im Betrieb [62].
Das Methanolbrennstoffzellensystem an Bord des umgerüsteten Elektroschiffs der Weißen Flotte Baldeney GmbH wird mit „grünem“ Methanol aus dem 330-l-Tank versorgt und liefert 35 kW. Zusammen mit zwei 50-kWh-Batterien wird so die Schiffsschraube über einen 80-kW-Elektromotor betrieben. Das Schiff ist Teil des Pilotprojektes „greenfuel“, in dem das Methanol in einem biokatalytischen Verfahren umweltfreundlich aus Wasser, CO2 und „grünem“ Strom im Wasserkraftwerk des Energieversorgers innogy SE direkt am Stauwehr des Baldeneysees erzeugt wird [63]. Der gesamt Betrieb des Schiffes erfolgt somit CO2-neutral.
Im französischen Nantes nahm zudem die Jules Verne 2 ihren Betrieb auf der Erdre auf [64]. Nach 5-jähriger Aufbau- und Erprobungsphase im Rahmen des französischen Projektes NavHybus wurde das 10 m lange und 3,80 m breite Flussschiff im Juni 2017 in Nantes zu Wasser gelassen und startete dort den Fährbetrieb (Bild 9 rechts). Die beiden redundant ausgeführten PEMFC-Systeme stammen von der Firma SymbioFCell, die sich sonst vor allem auf Range-Extender-Systeme zur Reichweitenverlängerung von E-Kangoos spezialisiert hat [1]. Diese sind in das Dach der kleinen Fähre integriert und liefern neben dem benötigten Strom zum Antrieb auch noch Abwärme, die zur Beheizung des Passagierraums genutzt wird. So können bis zu 25 Passagiere und zehn Fahrräder bequem übersetzen [65].
Und auch eine Weltumrundung auf dem Wasser unter Mithilfe von Wasserstoff hat im vergangenen Jahr begonnen. Der Energy Observer setzt dabei jedoch nicht ausschließlich auf Wasserstoff, sondern es handelt sich um einen Solar-Wind-Wasserstoff-Katamaran [66]. Das 2-rümpfige Schiff ist 30,5 m lang, 12,8 m breit und wiegt 30 t (Bild 9, links unten). Angetrieben wird er von zwei Elektromotoren mit je 41 kW Leistung, die über verschiedene Technologien mit dem benötigten Strom versorgt werden. Hierzu ist der Katamaran zunächst auf 130 m2 mit Solarzellen, mit bis zu 21 kW Leistung, sowie mit zwei Windturbinen, mit jeweils 1 kW Leistung, ausgestattet. Um die Energie auch für Nachtfahrten und ungünstigen Wetterlagen zu speichern, besitzt der Energy Observer zudem einen Elektrolyseur und einen Wasserstofftank an Bord. Dieser arbeitet mit über Umkehrosmose entsalztem Wasser und kann bis zu 4 m3 (i.N.) Wasserstoff pro Stunde produzieren. Die Rückverstromung erfolgt dann über ein integriertes Brennstoffzellensystem. Nach der Schiffstaufe am 4. Juli 2017 in Paris begann der Katamaran die Weltumrundung, die insgesamt sechs Jahre dauern und über 100 Zwischenhalte in 50 Ländern umfassen soll, um so in allen besuchten Ländern auch für den Wasserstoff als Energieträger zu werben. So ist für 2019 auch ein Besuch von Deutschland, genauer gesagt von Hamburg, geplant. Die gesamte Reise kann im Internet über Online-Tracking mitverfolgt werden [67].
Industrielle Nutzung von Wasserstoff
Schon heute werden jährlich etwa 55 Mio. t Wasserstoff erzeugt und in den Wertschöpfungsketten der Industrie eingesetzt. Dabei ist gerade Wasserstoff hervorragend dazu geeignet, die Kopplung verschiedener Sektoren, wie beispielsweise dem Energie- und dem Industriesektor, zu ermöglichen. Er kann stofflich von der Industrie genutzt werden und gleichzeitig bei seiner Erzeugung zeitliche Überschüsse aus erneuerbaren Energiequellen verbrauchen und so zur Netzstabilisierung beitragen. Aktuell wird der industriell genutzte Wasserstoff jedoch im Wesentlichen über Dampfreformierung aus Erdgas, Erdöl und Kohle erzeugt. Dieser sogenannte „graue“ Wasserstoff, könnte nach Aufbau geeigneter Kapazitäten vollständig durch „grünen“ Wasserstoff aus der Elektrolyse gekoppelt mit erneuerbaren Energien ersetzt werden. Nach den Annahmen der Studie „Hydrogen scaling up“ könnte Wasserstoff weltweit bis 2050 dazu genutzt werden, um 30 % des Methanols und 10 % des Stahls herzustellen, wodurch sich der Wasserstoffbedarf bis 2050 auf bis zu 550 Mio. t verzehnfachen könnte [2]. Bei der Methanolherstellung wird CO2 mit Wasserstoff umgesetzt, wodurch zusätzlich etwa 350 Mio. t CO2 recycled werden können. Bei der Stahlherstellung dient Wasserstoff zur kohlenstofffreien direkten Reduktion der Eisenerze. Zudem kann Wasserstoff zunehmend für die Herstellung synthetischer Brennstoffe genutzt werden, um weitere Anwendungen im Transportsektor, wie schwere Frachtschiffe und Flugzeuge, umweltfreundlich zu betreiben.
Ein Beispiel für die Sektorenkopplung stellt die im November 2017 eröffnete und bislang weltgrößte, regelflexible Elektrolyseanlage in Hamburg Neuhof dar [68]. Sie nutzt einen 5-MW-PEM-Elektrolyseur von Siemens und soll jährlich mehrere Hundert Tonnen Wasserstoff erzeugen. Errichtet wurde die 10 Mio. € teure Anlage, von denen ungefähr ein Viertel aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung der Europäischen Union (EFRE) stammt, auf dem Raffinerieareal der H&R Ölwerke Schindler. Dort wird der Wasserstoff direkt in der Wertschöpfungskette des Konzerns eingesetzt, um Spezialprodukte wie Paraffine und Prozessöle aus Mineralöl zu erzeugen. Langfristig ist die Umstellung auf eine nachwachsende Rohstoffbasis geplant. Die regelflexible Betriebsweise ermöglicht zudem die Nutzung des vor allem in Norddeutschland bestehenden, temporären Überangebots an Strom aus Windenergieanlagen, was der Stabilisierung des Stromnetzes zu Gute kommt.
Ebenfalls von Interesse für die Industrie ist Wasserstoff bei der Bereitstellung von thermischer Energie [2]. Viele industrielle Prozesse benötigen hohe Wärmemengen, die über Verbrennung von festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen bereitgestellt werden. Hier kann die Verwendung von Wasserstoff in einigen Fällen besser geeignet sein als die Alternative über elektrische Heizer. Zum einen können gasbetriebene Brenner leicht auf Wasserstoff umgerüstet werden, und zum anderen kann die reduzierende Atmosphäre des Wasserstoffs in einigen Anwendungen direkt genutzt werden. Beispielsweise in der Stahlherstellung wird derzeit Kohle genutzt, um die Wärme zum Schmelzen der Metallerze bereitzustellen und um das Eisenerz zu Eisen zu reduzieren. Elektrische Heizer können die beiden Aufgaben nicht gewährleisten, aber mit Wasserstoff ist dies möglich, da dieser neben der thermischen Nutzung auch zur direkten Reduktion der Eisenerze eingesetzt werden kann.
Ebenfalls von Siemens stammt der PEM-Elektrolyseur, der im Rahmen des Horizon-2020-Projektes H2Future im österreichischen Linz installiert wird [69]. Die Sektorenkopplung zwischen Energie und Industrie wird in diesem Verbundprojekt in der Stahlerzeugung von Voestalpine umgesetzt. Zur Wasserstofferzeugung setzt Siemens dabei das neue Modell Silyzer 300 ein. Ebenfalls beteiligt sind Verbund, Österreichs größter Stromversorger und Lieferant des eingesetzten Stroms aus erneuerbaren Energien, sowie Australien Power Grid (APG) und das niederländische Forschungsinstitut ECN. Die beiden letztgenannten Partner untersuchen die Übertragbarkeit auf andere Industriesektoren und die Möglichkeiten auf dem Regelenergiemarkt. Die Inbetriebnahme der geplanten 6-MW-Anlage ist für 2021 geplant.
In der Stahlerzeugung werden auch Hochtemperaturelektrolyseure genutzt, da der Gesamtwirkungsgrad der Anlagen durch die Kopplung mit ungenutzter Abwärme deutlich gesteigert werden kann. Im Rahmen des Horizon-2020-Projektes GrInHy (Green Industrial Hydrogen) hat die Sunfire GmbH im Juni 2017 ein Dampf-Elektrolyse-Model basierend auf der SOEC-Technologie mit einer Leistung von 150 kW und einer Wasserstoffproduktionsrate von 40 m3 (i.N.)/h an die Salzgitter Flachstahl GmbH geliefert [70]. Der benötigte Dampf wird über die Abwärme des Stahlwerkes erzeugt, und durch diese Kopplung kann der hohe elektrische Wirkungsgrad der SOEC von mehr als 80 % zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt werden, der dann stofflich im Werk umgesetzt wird. Zusammen mit den weiteren Partnern Boeing, VTT, Eifer, IPM und Politechnico di Torino wird in dem Projekt sowohl die SOEC-Kopplung mit industrieller Abwärme als auch der reversible Betrieb der Anlage zur Rückverstromung im Brennstoffzellenbetrieb (RSOC, Reversible Solid Oxide Electrolysis) untersucht [71].
Ein weiteres Einsatzgebiet dieser Hochtemperaturtechnologie ist die Herstellung synthetischer Treibstoffe, wie beispielsweise „Blue Crude“, dessen Massenproduktion schon bis 2020 beginnen soll. Wie die Sunfire GmbH im Juli 2017 bekannt gab, wird im norwegischen Industriepark Heroya eine Produktionsanlage mit einer Leistung von 20 MW errichtet, die pro Jahr 8 000 t dieses Erdölersatzes liefert [72]. Aus diesem können dann in bestehenden Raffinerien Benzin, Diesel und Kerosin gewonnen werden. Damit stellt „Blue Crude“ eine interessante Möglichkeit dar, über die beispielsweise Antriebe von großen Passagierflugzeugen umweltfreundlich und CO2-neutral realisiert werden können, was aufgrund der geringeren Energiedichte nicht direkt mit Wasserstoff möglich ist. Das zur Herstellung genutzte Power-to-Liquid-Verfahren besteht aus drei Stufen: Wasserstoff wird aus Wasser über eine SOEC erzeugt, CO2 aus der Luft reagiert zusammen mit diesem Wasserstoff zu Synthesegas, und dieses wird dann in einem Fischer-Tropsch-Reaktor zu einem Gemisch langkettiger Kohlenwasserstoffe, dem „Blue Crude“, umgesetzt.
Ein alkalischer Druckelektrolyseur mit einer Leistung von 4 MW soll im EU-Projekt Demo4Grid, Demonstration for Grid Services, in Nachbarschaft der Großbäckerei Theres Mölk im österreichischen Völs errichtet werden [73]. Der erzeugte Wasserstoff soll in der Bäckerei, die von der MPreis Warenvertriebs GmbH betrieben wird, hierbei thermisch genutzt werden, um die Backöfen zu beheizen. Die Sektorenkopplung erfolgt zudem mit dem Transportsektor. Es ist geplant, dass mehrere Lieferfahrzeuge auf Wasserstoffbetrieb umgerüstet werden sollen. Koordiniert wird das im März 2017 begonnene Projekt von Diadikasia Business Consulting (DBC), und der eingesetzte Single-Stack-Alkali-Druckelektrolyseur kommt aus der Schweiz von Industrie Haute Technologie S. A. (IHT). Ebenfalls beteiligt sind inycom, hidrogeno aragon und FEN Sustain Systems. Die Inbetriebnahme der gesamten Anlage ist für 2019 vorgesehen.
Weiterentwicklungen bei der Wasserstoff-Herstellung
Um den bereits mehrfach erwähnten „grünen“ Wasserstoff in ausreichenden Mengen bereitzustellen und so einen vollständig CO2-freien Energieträger zu schaffen, etablierten sich in den letzten Jahren immer größere Anlagen zur Wasserelektrolyse. Die beiden bedeutendsten Technologien bei der Herstellung sind bislang die alkalische Wasserelektrolyse (AWE, Alkaline Water Electrolysis) und die Wasserelektrolyse mit Protonenaustauschermembranen (PEMWE, Proton Exchange Membrane Water Electrolysis). Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigt, basieren große Elektrolyseanlage im Leistungsbereich 4 bis 10 MW auf diesen beiden Technologien und werden aktuell vor allem für die Bereitstellung von Wasserstoff in industriellen Anwendungen installiert. Trotz dieser großen Demonstrationsanlagen ist es jedoch noch immer notwendig, diese Anlagen zu verbessern und effizienter sowie kostengünstiger zu gestalten. Im Januar 2018 startete beispielsweise das Horizon-2020-Projekt „Prezel“ (Novel modular stack design for high pressure PEM water electrolyzer technology with wide operation range and reduced cost), das sich auf die Verbesserung der Kernkomponente von PEMWE-Anlagen, dem Elektrolysestack, konzentriert [74]. Ziel ist die Elektrolyse bei hohen Differenzdrücken bis 100 bar, hohen Stromdichten von 4 bis 6 A/cm2 und einer Effizienz von 70 % im dynamischen Betrieb. Dieser Betrieb soll im Rahmen des Projektes zunächst für 2 000 Stunden in einem 25-kW-System demonstriert werden. Das vom Institut für Technische Thermodynamik des DLR koordinierte 3-Jahres-Projekt ist dabei eine Kooperation von insgesamt neun Partnern, an dem sich neben dem DLR die Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Armines, Universitatea Politehnica Timisoara, Adamant Aerodiastimikes Efarmoges Etaireia Periorismenis, GKN Sinter Metals Filters GmbH, Ethniko Kentro Erevnas Kai Technologikis Anaptyxis, Soluciones Cataliticas Ibercat und Igas Energy beteiligen.
Auch die Weiterentwicklung bei der Wasserstofferzeugung über konzentrierte Solarstrahlung schreitet stetig voran. So hat das Institut für Solarforschung des DLR gemeinsam mit seinen Partnern Ciemat, HyGear, Helpe und APTL im November 2017 die bislang größte solche Anlage im Rahmen des Horizon-2020-Projektes Hydrosol-Plant im spanischen Almeria präsentiert [75]. Durch Weiterentwicklungen des Designs und des Materials des Reaktors wurde eine Anlage mit einer Leistung von 750 kW und einem verbesserten Wirkungsgrad umgesetzt, die den Wasserstoff über eine thermochemische Redox-Reaktion von Wasserdampf an Metall-Oxiden bei Temperaturen von 800 bis 1 400 °C erzeugt. Die Energie für diesen Hochtemperaturprozess stammt direkt von der Sonne, die über eine Vielzahl an Spiegeln auf den Reaktor konzentriert wird [76]. Um die Betriebsbedingungen bei solchen Prozessen besser kontrollieren und genau untersuchen zu können, hat das DLR zudem im März 2017 die Forschungsanlage Synlight in Betrieb genommen. In dieser Anlage wird das Licht von 149 Xenon-Hochleistungsstrahlern auf eine Fläche von 20 · 20 cm2 konzentriert und so eine Lichtleistung erzeugt, die etwa dem 10 000-fachen der üblichen Sonneneinstrahlung auf der Erde entspricht. Bei Temperaturen bis 3 000 °C können so die Herstellung solarer Treibstoffe, unter anderem auch von Wasserstoff, wissenschaftlich untersucht werden, ohne den natürlichen Schwankungen der Sonneneinschränkung zu unterliegen [77].
Trend 2018
Ein genereller Trend für das Jahr 2018 ist sicherlich, dass nach einer Phase der Ernüchterung in den letzten Jahren aufgrund der Dominanz der batterieelektrischen Mobilität, die Potenziale der Brennstoffzelle und ihre Anwendungen wieder höher bewertet werden. Ein wichtiger Aspekt für Europa ist dabei, dass mittels Elektrolyse mithilfe regenerativer Energiequellen „grüner“ Wasserstoff bereitgestellt wird, der Sektor übergreifend in Verkehr und Industrie eingesetzt werden kann. Darüber hinaus ist Wasserstoff ein idealer Energiespeicher, der längerfristig zentral oder dezentral gelagert werden kann, bis es zur Rückverstromung mittels Brennstoffzelle in verschiedenen Anwendungen kommt oder der Wasserstoff einer anderweitigen Nutzung zugeführt wird. Die Absatzzahlen von Brennstoffzellen sind dabei vor allem in Asien und den USA weiter deutlich gestiegen. Da die Zentralregierung der USA momentan die fossilen Energien fördert, ist Asien zum stärksten Zentrum der Wasserstofftechnologie avanciert. Neben Japan und Korea, die schon seit vielen Jahren wichtige Treiber dieser Technologien sind, ist China mit ehrgeizigen Zielen (eine Million Fahrzeuge bis 2030), die mit einem signifikanten Subventionsprogramm hinterlegt sind, in das Scheinwerferlicht getreten. Neben dieser breiten Förderung gibt es zusätzlich Anreize für mobile Anwendungen im Zuge der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. In Europa gewinnt die Wasserstofftechnologie aber auch wieder an Bedeutung. Ein besonderer Trend ist die zunehmende Anwendungsbreite der Brennstoffzellentechnologie über die traditionellen Bereiche hinaus. Während in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich der Individualverkehr im Pkw, der Antrieb von Bussen und stationären Anwendungen als Kraftwerk und für die Hausenergie diskutiert wurden, werden nun Anwendungen in Nutz- und Spezialfahrzeugen, Schienenfahrzeugen und Schiffen entwickelt und demonstriert, die mit rein batterieelektrischen Antrieben nur schwer vorstellbar sind. Interessante Beispiele aus dem vergangenen Jahr werden in diesem Beitrag vorgestellt, und für das kommende Jahr sind weitere zu erwarten.
Die Literaturstellen zu dieser Jahresübersicht sind auf der BWK-Homepage über den Menüpunkt „Literaturverzeichnisse“ aufrufbar.
Dr. Jens Mitzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter Polymerorientierte Elektrochemie, Elektrochemische Energietechnik
Prof. Dr. K. Andreas Friedrich, Abteilungsleiter Elektrochemische Energietechnik, beide Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Stuttgart.