Aus nutzloser Abwärme wird wertvoller Strom
Ein internationales Forschungsteam hat den weltweit ersten thermoelektrischen Generator entwickelt, der ohne teures Tellur auskommt. Das könnte den Geräten den Weg zum Masseneinsatz ebnen.
„Wenn man die gesamte in Deutschland verschwendete Abwärme zur Stromproduktion nutzen würde, könnte man fast alle Kohlekraftwerke abschalten“, sagt Wolfgang Brand, Finanzvorstand bei Orcan Energy. Das Münchner Unternehmen verkauft Kraftwerke der besonderen Art. Sie tragen das Kürzel ORC (Organic Rankine Cycle) und ähneln Kraftwerken, in denen Wasser in Dampf umgewandelt wird, der dann einen Turbogenerator zur Stromerzeugung antreibt. In ORC-Anlagen wird das Wasser durch eine organische Flüssigkeit ersetzt, die bei relativ niedrigen Temperaturen verdampft. Das ist für Abwärme charakteristisch, wie sie Rechenzentren erzeugen, deren Server gigantische Mengen an Strom verbrauchen, den sie teilweise in Wärme umsetzen. Auch in Drehrohröfen zur Zementherstellung kann man ORC-Anlagen einsetzen.
Kleinere Mengen an Überschusswärme lassen sich besser mit thermoelektrischen Generatoren nutzen. Diese machen sich relativ geringe Temperaturunterschiede zunutze. Sie könnten beispielsweise in Hybridautos eingesetzt werden, die mit je einem Verbrennungs- und Elektromotor ausgestattet sind. Die Energie der Abgase könnte in Strom umgewandelt werden, der die Batterien lädt. Das würde die meist kurze, rein elektrisch zurückgelegte Strecke deutlich vergrößern.
Magnesium und Antimon statt Tellur
Solch ein Einsatz in Hybridfahrzeugen ist zwar möglich, findet aber in der Praxis nicht statt. Thermoelektrische Generatoren sind zu teuer, vor allem, weil es bisher nicht ohne das seltene und damit teure Element Tellur geht. Das hat ein internationales Team jetzt geändert. WissenschaftlerInnen der Universität Bielefeld, des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW), der University of Houston, USA, und des Harbin Institute of Technology, China, ist es gelungen, einen funktionierenden Generator ganz ohne Tellur zu bauen. Sie verwenden chemische Verbindungen, die Magnesium und Antimon enthalten, beides Elemente, die weitaus häufiger auf der Erde zu finden sind als das exotische Metall.
Der tellurfreie Generator ist effizienter als der tellurhaltige, allerdings auf niedrigem Niveau. Ersterer hat einen Wirkungsgrad von 7 %, der andere kommt auf gut 5 %. Was aber nicht ins Gewicht fällt, denn die hier eingesetzte Abwärme verpufft sonst völlig nutzlos, trägt sogar noch zur Klimaveränderung bei, wenn auch nur in geringem Maße.
Ladungsträger fliehen aus der Wärme
Thermoelektrische Generatoren bestehen aus zwei unterschiedlichen Metallen mit unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften. Sie sind zwischen zwei Platten eingeklemmt. Eine davon ist so kalt wie die Umgebung, die zweite wird durch Abwärme aufgeheizt, beispielsweise vom Abgasstrom eines Verbrennungsmotors. Bei dieser Temperaturdifferenz wandern die Ladungsträger von der wärmeren in die kältere Fläche, sodass sich eine elektrische Spannung ausbildet. Legt man einen Verbraucher an, etwa eine Lampe oder eine Batterie, fließt ein Strom.
Eine große Zukunft können thermoelektrische Generatoren bei der Versorgung von Sensoren haben, die ins Internet der Dinge eingebunden sind. Sie könnten beispielsweise die Wärme, die Maschinen erzeugen, zur Eigenversorgung mit Strom nutzen, um die Funktion ebendieser Maschine zu überwachen.
Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen
„Die effektive Nutzung der Abwärme zur Stromerzeugung ist entscheidend, um die Kosten der Energieversorgung zu mindern und die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren“, verlautet es aus dem IFW. Thermoelektrische Generatoren seien ideal für die Nutzung von Niedertemperatur-Abwärme. Sie arbeiten geräuschlos und vibrieren nicht, weil sie keine beweglichen Teile haben. Das garantiert zudem eine lange Lebensdauer. „Bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe geht ein großer Teil der erzeugten Energie als Abwärme verloren. Wenn daraus elektrische Energie erzeugt werden kann, lässt sich der Ausstoß von Treibhausgasen verringern“, sagt Gabi Schierning, Professorin für Physik an der Universität Bielefeld, die zum Team gehört.
Auch in den USA ist ein kostengünstigerer Generator entwickelt worden: Forscher an der University of Houston in Texas und am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge haben den Tellurbedarf allerdings lediglich halbiert. Auch sie setzen auf Magnesium, benötigen jedoch noch andere Elemente, um die gewünschte Effektivität zu erzielen.
Körperwärme wird zu Strom
Eine ganz besondere Variante des thermoelektrischen Generators hat Jianliang Xiao, Professor für Maschinenbau an der University of Colorado in Boulder, entwickelt. Er wird als Ring oder Armband getragen und nutzt die Körperwärme. Er soll, wenn er einmal kommerziell hergestellt wird, vor allem kleine tragbare Elektronik wie Fitnesstracker mit Strom versorgen. Das ergibt Sinn, denn die kleinen Geräte erzeugen den meisten Strom, wenn der Körper erhitzt ist.