Dänemark wird zum Großexporteur von Ökostrom
Deutschlands Nachbar im Norden baut gigantische Offshore-Windparks. Der Strom wird auf Bornholm und einer Künstlichen Insel in der Nordsee gesammelt und von dort an Länder wie Deutschland exportiert.
Dänemark will seinen Nachbarn im Süden helfen, den Anteil an Strom aus fossilen Kraftwerken herunterzufahren, indem es spätestens ab 2030 große Mengen an Windstrom exportiert. Zwei Energieinseln sollen ihn verteilen. Verträge zwischen dem dänischen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Energinet und dem deutschen ÜNB 50Hertz sowie mit Belgien sind bereits unter Dach und Fach. Darüber hinaus will Dänemark zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Inseln seinen Bedarf an Strom zu 100 % aus emissionsfreien Quellen decken.
Die größte Herausforderung ist die Energieinsel in der Nordsee. Sie soll etwa 80 km vor der Küste gebaut werden. Ob sie als schwimmende Plattform oder durch Aufschüttung von Kies und Schotter als künstliche Insel errichtet wird, ist noch offen.
In Dänemark dominiert Windstrom mit 60 Prozent
In der Ostsee ist es einfacher. Hier wird die Infrastruktur auf der natürlichen Insel Bornholm installiert. Auf den Inseln wird der Strom aus noch zu errichtenden dänischen Offshore-Windparks gesammelt. Unterwasserkabel transportieren die Energie entweder in Form von Drehstrom oder Hochspannungs-Gleichstrom zu den Inseln. Von dort aus fließt er ebenfalls durch Unterwasserkabel zu den Kunden. Einen Teil davon wird Dänemark selber nutzen. Schon heute betreibt das Land in Nord- und Ostsee Windenergieanlagen mit einer Leistung von fast 6 GW. Sie liefern nahezu 60 % des in Dänemark verbrauchten Stroms. Knapp 20 % stammen aus fossil befeuerten Kraftwerken.
Größte lokale Stromquelle der Welt
Mit 2 GW hat Bornholm nur eine überschaubare Menge an Strom zu verteilen. In der Nordsee sind es anfangs 3 GW, doch das kleine Land Dänemark hat Gewaltiges vor. In der nördlichen Nordsee sollen Windparks mit einer Leistung von weiteren 7 GW entstehen, die an die Insel angebunden werden. Die künstliche Insel wird so zur größten lokalen Stromquelle der Welt. Windparks nordwestlich von Dänemarks Nordspitze werden große Bedeutung für die Sicherheit der Stromversorgung haben, denn dort weht der Wind meist stärker und stetiger als im südlichen Teil des Randmeers.
Überbrückung von Flauten noch ungeklärt
Die künstliche Nordseeinsel wird 445 m x 270 m groß sein. Sie bietet Platz für die komplexe Elektrotechnik zur Sammlung des Stroms, seine Umformung in Transformatoren sowie Gleich- und Wechselrichtern, seine Weiterleitung sowie für die Unterbringung der Mannschaft. Auch ein Hafen ist eingeplant. Ob auf der Insel auch Stromspeicher installiert werden, die Flauten zu überbrücken helfen, ist noch nicht ausgemacht. Sie könnten auch da aufgebaut werden, wo der Windstrom in Deutschland, Belgien und möglicherweise noch anderen Staaten auf das Festland trifft.
So werden Sonne und Wind zuverlässig
Bisher werden Windparks ausschließlich an die Länder angeschlossen, die sie betreiben. Das geht zu Lasten der Flexibilität. Dänemark wird das erste Land in Europa sein, das dezidiert Windstrom exportiert.
Investition von fast 30 Milliarden Euro
Die Kosten für die beiden Energieinseln und die nötige Infrastruktur schätzt Jacob Østergaard, Professor der Elektrotechnik an der Dänischen Technischen Hochschule in Lyngby, auf 210 Mrd. Dänische Kronen (knapp 30 Mrd. €). „Die Inseln sind der Beginn einer neuen Ära in der Energieerzeugung“, so der Elektrotechniker, der maßgeblich an dem Projekt mitarbeitet. „Sie werden einen wesentlichen Beitrag zum grünen Übergang in Dänemark und Europa leisten.“
Jetzt bekommt Lithium ernsthafte Konkurrenz
Für Østergaard ist der Bau der Inseln und der Infrastruktur eine große Herausforderung. Es müsse sichergestellt sein, dass die Insel in der Nordsee auch Unwetter übersteht, die wegen des Klimawandels heftiger ausfallen können als früher. „Aber das reicht nicht aus“, gibt er zu bedenken. „Wir müssen Lösungen und fortschrittliche Softwaremodelle entwickeln, die die Systeme gegen extreme oder seltene Ereignisse, einschließlich Cyberangriffe, die immer häufiger auftreten, absichern.“