Das Elektroauto wird zum Mini-Kraftwerk
DLR-Forschende wollen Pkw mit Brennstoffzellen, die grünen Wasserstoff tanken, zeitweise einsetzen, um Stromlücken im Netz zu überbrücken. Sie könnten auch Wärme etwa fürs Fernwärmenetz liefern oder bei Katastrophen die Stromversorgung schnell sicherstellen.
Bisher gibt es nur wenige Elektro-Pkw, die Wasserstoff tanken und ihren Strom aus Brennstoffzellen an Bord beziehen wie den Hyundai Nexo und den Toyota Mirai. Es könnten aber zukünftig mehr werden. Und die sind, wenn es nach Forschenden des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) geht, nicht nur zum Fahren gedacht. Michael Kröner aus der Abteilung Stadt- und Gebäudetechnologien am DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg, und sein Team vom DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte in Stuttgart wollen sie auch als Kraftwerke und Wärmelieferanten nutzen, die zeitweise Strom ins öffentliche Netz einspeisen. Die Fahrzeuge können sogenannte Regelenergie bereitstellen, also Versorgungslücken stopfen, die durch wetter- und tageszeitbedingten Ausfall von Solar- und Windenergie gerissen werden. Auch im Freizeitbereich ließen sie sich „zweckentfremden“, etwa um Campern Strom und Wärme zu liefern.
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100 Kilowattstunden pro Tankfüllung
Um diese Möglichkeiten zu testen, statteten die Forschenden einen Hyundai Nexo mit einem 230-V-Wechselstrom- und einem 400-V-Gleichstromausgang sowie einem Wärmeübertrager aus. Mit dem Tankinhalt von 6,3 kg Wasserstoff kann die Brennstoffzelle des Fahrzeugs rund 100 kWh Strom erzeugen. In den Brennstoffzellen entsteht nebenbei Abwärme.
Im Kühlhaus wird es kälter als üblich
Sektorenkopplung ist ein Zauberwort für die Umsetzung der Energiewende. Darunter versteht man die Vernetzung der Sektoren Strom- und Wärmeerzeugung, Industrie und Verkehr. Wenn beispielsweise zu viel Windstrom produziert wird ist es sinnvoll, ihn zu nutzen, um etwa die Temperatur in Kühlhäusern stärker als üblich abzusenken. Herrscht später Strommangel kann das Kühlhaus über Stunden vom Netz genommen werden, ohne dass die Temperatur über die kritische Marke steigt. Der Überschussstrom lässt sich auch nutzen, um synthetische Treibstoffe oder Vorratswärme fürs Fernwärmenetz zu produzieren. Je mehr erneuerbare Energie erzeugt wird, desto wichtiger wird die Sektorenkopplung, um die heute gewohnte Versorgungssicherheit beizubehalten.
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Unterstützung der Sektorenkopplung
„Die Brennstoffzellen von Wasserstoffautos können die Sektorenkopplung unterstützen, indem sie bei Bedarf Strom und Wärme in stationäre Verteilernetze einspeisen“, sagt Tobias Schneider, der das Projekt Sektorenkopplung in Stuttgart leitet. Es gehe darum, die Energieflüsse optimal aufeinander abzustimmen. Die Variablen sind die vorhandene Energiemenge und die momentane Leistung des Verteilernetzes.
„Energielieferant und Energieverbraucher müssen Daten und andere Informationen austauschen“, sagt Schneider. Das gelte für Batterie- und Wasserstoffautos ebenso wie für mobile und stationäre Verbraucher. Die Forschenden entwickeln hierfür Datenformate und Schnittstellen. Dabei ist von vornherein keineswegs klar, welche Daten relevant sind und wie diese sich übertragen lassen. Vernetzte Ladestationen für E-Pkw benötigten andere Informationen als Wasserstofftankstellen. Für den Wärmeaustausch gebe es noch gar keine Standards.
Systemtest in Oldenburg
Das DLR in Oldenburg hat einen Teststand entwickelt, der die Wärme- und Stromnetz-Anbindung realitätsnah im Labor nachstellt. „Hierdurch lassen sich die Brennstoffzellenfahrzeuge als mobile Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen flexibel in die Gebäudeenergieversorgung integrieren“, so Kröner. „Ein Verbund von vielen Fahrzeugen in einem zukünftigen virtuellen Kraftwerk wäre in der Lage, sowohl den bisherigen Backup-Kraftwerkspark zu unterstützen als auch Mobilitäts- und Wärmebedarfe zu decken.“
„Mit grünem Wasserstoff wird unser Brennstoffzellenstoffauto zum klimaneutralen Mini-Kraftwerk“, sagt Schneider. Solche Fahrzeuge könnten auch als mobile Stromquelle oder Heizung dienen, beispielsweise auf Campingplätzen oder bei Veranstaltungen. Nach Erdbeben- oder Überschwemmungskatastrophen lasse sich damit auf die Schnelle eine lokale Stromversorgung herstellen.