Drohende Bremse für die Energiewende
Nicht nur Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen, auch Elektroautos und das bevorstehende Wasserstoffzeitalter benötigen große Mengen an Rohstoffen. Mangellagen sind aus vielen Gründen denkbar.
Deutschlands Solar- und Windparks sollen weiterwachsen. Das ist das Ziel der Bundesregierung. Doch die ehrgeizigen Ausbauziele zu erreichen, ist eine Herausforderung. Rohstoffmangel, stärkere Beachtung der Menschenrechte und politische Verwerfungen könnten die Grenze ziehen. So benötigen beispielsweise Windgeneratoren große Mengen an Kupfer. Auch sonst ist der Bedarf an Rohstoffen hoch.
EU-Importe aus politisch kritischen Ländern
Der weltweite Bedarf wird Schätzungen zufolge bei wichtigen Seltenerd-Oxiden vor allem für Magnete in den Windgeneratoren von 131 500 t im Jahr 2020 auf 188 300 t im Jahr 2030 steigen. Nach einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommen 94 % der EU-Importe von Seltenen Erden aus politisch kritischen Ländern, allen voran China. Die Volksrepublik hat bei Abbau und Weiterverarbeitung den Weltmarkt in der Hand. Dazu kommt die Demokratische Republik Kongo, die den weltweiten Bedarf an Kobalt vor allem der Batteriehersteller zu 60 % abdeckt. Und Karin Küblböck, Ökonomin an der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) in Wien, klagt: „Immer wieder kommt es beim Abbau der Rohstoffe zu Konflikten, Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen.“
Ambitionierte EE-Ausbauziele
Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Windkraft im Jahr 2030 in Deutschland eine installierte Leistung von 145 GW erreichen; 115 GW an Land, 30 GW auf See. Binnen acht Jahren müssen dafür Anlagen mit zusammen rund 80 GW neu errichtet werden, der Ersatz von Altanlagen noch nicht eingerechnet. Durchschnittlich 10 GW/a wären gemessen am aktuellen Zubau eine Verfünffachung des Tempos. Die installierte Photovoltaik-Leistung soll in Deutschland bis 2030 noch steiler anwachsen, von aktuell etwas über 60 auf 215 GW. Das wären rund 18 GW/a. Dazu kommen Millionen Elektroautos.
Potenziell kritische Marktlage bei Seltenen Erden
Die Investitionen benötigen große Mengen an Rohstoffen. Beton, Stahl, Gusseisen, Kohlenstoff- und Glasfaserverbundwerkstoffe, Zink und Polymere sind für die Windindustrie die wichtigsten. Diese bereiten aus Sicht der Verfügbarkeit nicht unbedingt die größten Sorgen, wie die Deutsche Rohstoffagentur (Dera) in Berlin bilanziert, auch wenn Sand schon knapp wird. Beispiel Beton: Mit einem Anteil von 0,6 % der globalen Produktion ist der Bedarf des Windsektors noch recht überschaubar. Deutlicher schlägt der Bedarf an Zink (3,9 % der Weltproduktion) und Molybdän (3,5 %) zu Buche. „Potenziell kritisch“ sei die weltweite Marktlage jedoch bei den Seltenen Erden. Dazu zählen Elemente wie Dysprosium und Neodym, die in den Hochleistungs-Permanentmagneten der Windkraft-Generatoren eingesetzt werden.
Auch Photovoltaik braucht kritische Rohstoffe
Auch in der Photovoltaik (PV) werden Stahl und Beton, darüber hinaus aber auch viel Glas, Kunststoff und Aluminium benötigt. Kritisch könnte es vor allem bei einigen Elementen werden, deren Vorkommen relativ gering sind. Auf Basis der Ausbauprognosen werden in Zukunft jährlich 17 t Tellur, ähnlich viel Cadmium, rund 10 t Selen sowie einige Tonnen Indium, Germanium und Gallium gebraucht. Schon heute hat die PV-Industrie beträchtliche Anteile am weltweiten Verbrauch dieser Rohstoffe. So kommt Germanium nach Zahlen der Dera auf 15,6 % und Indium auf 4,6 %.
Elektroautos übertreffen Wind- und Solarkraftwerke
Hinzu kommt die Elektromobilität, die Rohstoffbedarf hat. Schließlich sollen bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos alleine auf deutschen Straßen fahren. Diese benötigen die gleichen Rohstoffe wie die Wind- und Solarindustrie. Das zeigt unter anderem der Bericht „Rohstoffbedarf im Bereich der erneuerbaren Energien“, den das Öko-Institut in Freiburg und das Analyse- und Beratungsunternehmen Prognos in Basel 2019 erstellt hatten. Danach werden „die Elektroautos hinsichtlich des jährlichen Kupferbedarfs die neu zu installierenden Windkraft- und PV-Anlagen drei- bis sechsmal übertreffen“.
Elektrolyseure schlagen ebenfalls zu Buche
Für Elektrolyseure sind ebenfalls große Mengen an Rohstoffen nötig, wenn die grüne Wasserstoffwirtschaft an Bedeutung gewinnt. Daraus leite sich ein hoher zusätzlicher Rohstoffbedarf ab, sagt Karl Lichtblau, Geschäftsführer der IW Consult am Institut der deutschen Wirtschaft Köln: „Insbesondere bei Rohstoffen wie Iridium, Platin und Nickel kann das zu neuen Knappheiten führen.“ Bei Kupfer sieht es zumindest für ein paar Wochen oder Monate gar nicht so schlecht aus. Das Kupfer in den Generatoren der drei Kernkraftwerke in Deutschland, die im April stillgelegt werden, reicht überschlägig gerechnet für Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von 500 MW.